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Alles im Werden. Der 49-jährige Schauspieler und Unterhalter Michael Gerlinger gibt sich entspannt vor seiner ersten Show im Kunsthaus Sans Titre – ein Ort, der ihn inspiriere, wie er sagt. Das Haus in der Französischen Straße wandelt sich vom Ausstellungsort zum Kunstzentrum und Gerlinger will mit dabei sein.
© Andreas Klaer

Late-Night-Show in Potsdam: Die Pfanne ist heiß

Der Schauspieler Michael Gerlinger schenkt sich und Potsdam eine Late-Night-Show.

Potsdam - Dafür, dass er am Samstag der Gastgeber einer größeren Liveveranstaltung sein wird, ist Michael Gerlinger wenige Tage vorher überraschend entspannt – und unkonkret. Gästeliste, Themen, Bühnenbild – alles, was eine Late-Night-Show wie die, die er veranstalten möchte, ausmacht, ist noch im Werden. Aber Michael Gerlinger, Schauspieler aus Potsdam, kommt mit dem Zustand gut zurecht. Hauptsache, die Nerven reichen zum Improvisieren. „Wenn etwas schiefgeht, werden das meistens die besten Shows.“ Aber er sagt auch: „Ich kenne mich. Zwei Minuten vor Beginn kommt dann doch die große Panik. Was, wenn ich genau heute das Improvisieren verlerne?“

Das wird er vermutlich nicht. Gerlinger ist zu lange im Geschäft, als Schauspieler für Theater und Film, Synchronsprecher, Vorleser, Musiker, Unterhalter. Der 49-Jährige stammt aus Konstanz, studierte in Hamburg, arbeitete an Bühnen in Berlin, Leipzig und Stuttgart und lebt seit 2008 mit seiner Familie, zu der fünf Kinder gehören, in Potsdam-West. Die Potsdamer kennen ihn von seinen Fontanelesungen im Café Eden und Veranstaltungen auf der John Barnett. Beim Theater Poetenpack spielte er im vergangenen Jahr „Graf Guiche“ im Stück „Cyrano de Bergerac“ – ein kleiner, schmieriger Widerling. „Das hat viel Spaß gemacht“, sagt Gerlinger und grinst. „Das Böse darf nicht gleich zu sehen sein, es muss unten durchscheinen.“ Er selbst bezeichnet sich als Ironiker und Satiriker. Für den Moderator einer Late-Night- Show auch nicht ganz unwichtig. Und das will er jetzt werden. Am kommenden Samstag soll Potsdam seine erste Live-Nacht bekommen. Sie findet im Sans Titre statt: Ein Ort, der mit Kunst zu tun hat, der ihn inspiriert, sagt Gerlinger. Das Sans Titre öffnet sich zudem mehr und mehr auch für andere Genres, wandelt sich von Atelier und Ausstellungsort zum Kunstzentrum. „Hier passiert gerade etwas“, sagt Gerlinger. Erst im September konnte man Gerlinger und Gitarrist Stefan Groß als „deDADAduo“ hier bei einem Rio-Reiser-Abend erleben.

Ein Angebot „für Leute, die nicht fernseh-versifft sind"

Auf die Frage nach dem Warum, warum also Potsdam eine solche Show bekommen soll, antwortet er: „Es macht Spaß.“ Er möchte ein Angebot schaffen „für Leute, die nicht fernseh-versifft sind“. Eine Bühne für Comedy und Kunst, aber auch für die Themen der Stadt. Für Brennpunkte oder Außergewöhnliches. „Wer hier ein Projekt vorstellen will, eine Idee, ein Talent, der kann sich gerne als Gast bewerben“, sagt Gerlinger.

Auf Politiker will er vorerst verzichten. Es soll ja keine politische Werbeveranstaltung werden, sagt er. Aber es sollen kleine Filme gezeigt werden, die die Stimmungen der Stadt wiedergeben. Dass ein Gast seiner ersten Show ein junger Filmemacher von der Babelsberger Filmuniversität ist, sei aber Zufall. Und natürlich gibt es Musik, die Nachwuchsband Planet Obsolescence aus Hermannswerder und John Apart wollen auftreten. Gerlinger singt auch selbst, begleitet von seinem ehemaligen Kollegen, dem Gitarristen und Sänger Stefan Groß vom Theater Meiningen, Künstlername Schorre Mittelmaas. In Meiningen hat Gerlinger zuletzt Theater gespielt, bevor er nach Potsdam kam. Sie sind gut aufeinander eingespielt. Gerlinger schreibt Texte, Groß macht daraus Songs, wenn’s sein muss, auch zwei Tage vor der Show. „Dann spielen wir auf heißer Pfanne.“ Es war auch in Meiningen, wo Gerlinger das Format der Late-Night-Show für sich entdeckt und ausprobiert hat. Zwei Jahre, es sei gut gelaufen, der Saal immer voll. Warum soll das nicht auch in Potsdam funktionieren?

Potsdams Harald Schmidt?

Erfahrungen bringt er also mit, auch wenn hier wieder alles anders ist. Anders sein muss. Gerlinger mag das Machen, das Gestalten. Selber mit anzupacken. Wo jetzt noch Kunst hängt und eine riesige Skulptur von Mikos Meininger steht, wird am Samstag eine Wand aus gestapelten Schränkchen zu sehen sein, die wie eine Skyline wirken soll. Die bunten Möbel bringt Steffi Ribbe mit, Inhaberin des Ateliers Farbknall in Potsdam-West. Sie ist für das Bühnenbild zuständig. Zu dem selbstverständlich auch ein Schreibtisch für den Moderator gehört.

Dass viele bei dem Format noch immer zuerst an Harald Schmidt denken, der im deutschen Fernsehen vorübergehend zur Night-Show-Ikone wurde, stört ihn etwas. Aber die Frage, ob er sich mit ihm vergleiche, ob es nach Harald Schmidt überhaupt noch eine Late-Night-Show geben kann – Gerlinger sagt: absolut! –, die werde Gott sei Dank seltener.

Gerlinger kann reden wie ein Livestream 

In Sachen Ego kann Gerlinger es gut mit Schmidt aufnehmen. Das findet er auch nicht problematisch. „Ich bin eine Rampensau.“ Gerlinger kann wie ein Livestream reden, seine sonore Stimme duldet keine Unterbrechung, jedenfalls nicht ungefragt. Er hat ein Faible für Absurdes und Komisches, für Kostümierungen, Auftritte in arabischen Frauenkleidern – kann alles in der Show passieren. Sich so zu präsentieren, im Mittelpunkt zu stehen, das sei zu Hause jedenfalls nicht gefragt. Und wenn er sich doch mal produziert wie kürzlich bei einer Schulveranstaltung, als Gerlinger den Auktionator gab, würden seine Kinder immer sagen: „Oh Papa, ist das peinlich!“

Insofern sei das Show-Projekt auch ein wenig dazu da, den Egomanen in ihm zu streicheln. Zu pflegen. Und Akquise zu betreiben. „Man weiß nie, was draus wird“, sagt Gerlinger. Der Potsdamer Kulturbetrieb verändert sich täglich. Da wäre er gerne mittendrin.

Late-Night-Show, am Samstag im Sans Titre, Französische Straße 18. Einlass ab 21 Uhr, Karten kosten 18 Euro, ermäßigt 13 Euro

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