Kultur: Die Flucht aus dem „goldenen Käfig“
Rita Feldmeier spielt in der Villa Kellermann den Monolog „Welche Droge passt zu mir?“
Rita Feldmeier spielt in der Villa Kellermann den Monolog „Welche Droge passt zu mir?“ Von Heidi Jäger Drogen geben Kraft, lassen „Helden“ über Gipfel gehen. Das ist für Hanna täglich gelebte Erfahrung. Sie ist Expertin für alle Sorten Drogen. Ob Alkohol, Ecstasy, Heroin, Kokain, Speed oder Pilze – sie weiß um die berauschende Wirkung jedes einzelnen Wundermittels. Doch Hanna ist nicht nur Drogen-Fachfrau, sie ist auch Mutter eines kleinen Sohnes und mustergültige Gattin eines erfolgreichen Unternehmers. Einen Blick in ihren „goldenen Käfig“ können ab 27. Januar die Besucher der Premiere „Welche Droge passt zu mir?“ werfen. Gespielt wird die versierte Rauschmittelkonsumentin Hanna von der Schauspielerin Rita Feldmeier, die nach ihren großen Monolog-Erfolgen „Marlene“ und „Lola Blau“ nun erneut im Solo einen Theaterabend wegzutragen versucht. Da sie ebenso wie Regisseurin Petra-Luise Meyer auf keine eigenen Drogen-Erfahrungen zurück greifen kann, nahmen die beiden Frauen bei einer Therapeutin „Nachhilfeunterricht“. Und die wusste sehr wohl, dass das Stück von Kai Hensel sehr authentische Züge trägt. Es gebe sehr, sehr viele Frauen, die gut situiert leben und immer wieder zu Drogen greifen – ob zum Cognac oder weißen Pülverchen. Hanna könnte durchaus Bewohnerin einer Villa in der Berliner Vorstadt sein – dort, wo das Stück auch spielt. In einem der herrschaftlichen Räume der Villa Kellermann hat Hanna, alias Rita Feldmeier, ihr Wohnzimmer eingerichtet. Im unmittelbaren Kontakt mit dem Zuschauer laboriert sie an ihrer Drogen-„Tafel“ und zeigt genau, wie welches Mittelchen zu handhaben ist. Also ein Pro-Drogen-Stück? „Auf dem ersten Blick schon, denn wir behaupten textlich bis zum Schluss, dass die kontrollierte Einnahme von Drogen nicht nur ungefährlich, sondern für das tägliche Wohlbefinden geradezu unerlässlich ist. Was dann aber doch nicht so ganz funktioniert. Die Zuschauer sollen die Diskrepanz zwischen dem Wort und Zustand von Hanna spüren“, hofft die Regiseurin. Beide Frauen sahen zuvor bereits eine Aufführung des Stücks in den Berliner Sophien-Sälen. „Eine unterhaltsame und augenzwinkernde Inszenierung. Da kam ich schon ein bisschen animiert aus der Vorstellung heraus. Das möchte ich bei unserer Arbeit nicht“, betonte Rita Feldmeier. Sie möchte die ganze Gefühlsskala – von der Begeisterung, der Gewöhnung bis zum Absturz und der kompletten Ratlosigkeit – darstellen. „Die Zuschauer sollen am Ende sagen: ,Diese Hanna merkt gar nicht, wie weit unten sie schon ist“. Keineswegs möchte ich, dass die Besucher denken: ,Na dann probiere ich es auch mal“.“ Rita Feldmeier fand anfangs wenig Gefallen an dem Stück. „Es war einfach nicht meine Welt.“ Doch der persönliche Referent des Intendanten, Hans Nadolny, der diesen Monolog für sie ausgesucht hat, blieb hartnäckig und bat sie, das Ganze noch einmal in eine andere Richtung zu lesen. „Nach und nach habe ich es dann doch lieb gewonnen. Ich verstehe jetzt die Frau und verachte sie keineswegs, weil sie Drogen nimmt. Dieser Konsum resultiert ja auch immer aus Problemen: weil man unter Druck steht oder auch, weil es einem zu gut geht. Gerade Leute aus ,gutem Hause“ erleben ja oft einen Absturz und nicht unbedingt die, die bereits ,unten“ sind und schon immer kämpfen mussten.“ Bei Hanna sei es dieses langweilige Leben gewesen, das sie den Drogen zutrieb: Der Mann immer unterwegs, und sie, eine sehr kluge Frau, geistig völlig unterfordert. Auch Petra-Luise Meyer, die erstmals am Hans Otto Theater inszeniert, brauchte einen längeren Anlauf, um sich für das Stück zu erwärmen. „ Ich fand es anfangs sehr plakativ und oberflächlich. Dann entdeckte ich aber auch den Freiraum, den das Material liefert, um eine eigene Figur zu entwickeln. Kai Hensel macht immer nur Andeutungen, wo sich ganze Geschichten entblättern. Es ist schon raffiniert und spannend, zumal man das Eigentliche erst am Schluss erfährt.“ Einen richtigen Drogen-Tripp darzustellen, wie etwa in dem Film „Trainspotting“, sei nicht das Ziel der Inszenierung. „Das ist im Theater auch weitaus schwieriger als im Film. Je länger wir proben, um so mehr interessiert es mich, was im Inneren der Frau los ist,“ so die Regisseurin, die mit „Vagina-Monologe“ oder „Klamms Krieg“ – ebenfalls ein Hensel-Stück – bereits den „besonderen Luxus“ genoss, sich auf nur einen Schauspieler konzentrieren zu können. „Am Anfang präsentiert sich Hanna völlig über den Dingen stehend, mit größtem Selbstbewusstsein. Und auch das trifft sich mit den Erfahrungen der Drogenberaterin: Die Kokserinnen, die zu ihr in die Praxis kommen, zeigen sich äußerlich meist in bester Balance“, erfuhr Petra-Luise Meyer. Bei diesen Frauen „im goldenen Käfig“ sei nicht, wie vielleicht vermutet, der Alkohol die Droge Nummer eins: „Sie suchen gern die Illegalität und finden es aufregend, in eine Welt einzutreten, die ganz neu für sie ist.“ Wo sich diese Welt befindet, auch das erzählt dieses Stück, ebenso wie man am besten mit Dealern umgeht. Die Wohnzimmer-Atmosphäre erfordert von Rita Feldmeier eine große Direktheit: „Ich kann mich nicht auf die Bühne zurück ziehen: Die Zuschauer sind meine Bezugspersonen.“ Und da stellt sie sich nicht Jugendliche, sondern, dem Stück entsprechend, eher ein Publikum ab Mitte 20 vor. Premiere am 27. Januar, 19.30 Uhr, Villa Kellermann.
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