Antja Rávik Strubel zu Gast im Potsdamer Thalia-Kino: Der Text muss atmen
Die Potsdamer Autorin Antje Rávik Strubel arbeitet derzeit an dem Roman „Blaue Frau“. Im Thalia Kino Babelsberg las sie Auszüge daraus erstmals vor Publikum - und erklärte auch, warum.
„Antje, willst Du noch schnell ’nen Micro-Check machen?“, wird Antje Rávik-Strubel gefragt: „Nö, wenn’s an ist, ist’s ok“, antwortet die Autorin und setzt sich an die Bar des Thalia Kinos in Babelsberg. Im Kino 3 versammelt sich derweil das Publikum, das an diesem Freitagabend ruhig etwas zahlreicher hätte erscheinen können. Als sie den Kinosaal betritt und sich autorenhaft an den durch zwei Leselampen illuminierten Tisch setzt, den die Veranstalter vor die Leinwand gestellt haben, drängt sich kurz die Frage auf: Was macht Strubel heute überhaupt hier in Potsdam? In Frankfurt am Main ist doch gerade Buchmesse, da tummelt sich der Betrieb, alles von Rang und Namen ist dort, kauft, verkauft, vermarktet oder feiert Bücher.
Allerdings ist das Buch, aus dem die Autorin im Thalia-Kino liest, noch nicht fertig - daher Potsdam und nicht Frankfurt. Seit 2012, erzählt sie, sitzt sie an „Blaue Frau“, einem Text, der gewissermaßen eine Fortsetzung ihres 2001 erschienen Episodenromans „Unter Schnee“ darstellt. Bei der heutigen Veranstaltung handele es sich deshalb eher um eine sogenannte Werkstattlesung eine „Gelegenheit, den Text atmen zu lassen“, schickt Strubel voraus.
Ein Nachfolgeroman von „Unter Schnee“
Zumindest eine Protagonistin des Romans „Unter Schnee“, Adina nämlich, damals noch Teenagerin, inzwischen längst erwachsen, taucht auch in der „Blauen Frau“ wieder auf; sie trifft auf Esten Leonides, einen Professor und Abgeordneten des Europäischen Parlaments. Das Leben der Tschechin indes verlief weniger begünstigt, nach einer Sprachreise nach Berlin wurde sie in einem Gutshaus an der Oder festgehalten und zur Arbeit gezwungen, glücklicherweise gelang ihr die Flucht nach Helsinki, wo sie in einem Hotel eine Anstellung als Aushilfskellnerin fand. Schwarz, versteht sich. Auf diese Weise prallen Welten aufeinander, die, obwohl sie ähnliche Voraussetzungen teilen, unterschiedlicher kaum sein könnten: Die schwarzarbeitende Frau trifft auf den Menschenrechtler, der sich für die Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen einsetzt.
Eine Werkstattlesung ohne Werkstattfeeling
Das alles stellt Strubel ihrem Manuskript voran, das sie dann angenehm unaufgeregt liest. „Vielleicht wird die Passage, die ich heute vorlese, wieder gestrichen. Vielleicht sind Sie die Einzigen, die diese Passage jemals zu hören bekommen“, sagt sie noch vorab. Früher, so Strubel, seien Werkstattlesungen durchaus üblich gewesen. So richtiges Werkstattfeeling kommt dann aber doch nicht auf, in Werkstätten wird ja gearbeitet, heute wird nur mal Probe gelesen. Das reicht der Autorin aber offensichtlich schon. „Jetzt beim Lesen habe ich gemerkt“, sagt Strubel, „dass der Text nochmal eine ganz andere Kraft kriegt.“
Nach der Probelesung bleibt noch Zeit für Bewährtes: Die Autorin liest mehrere Passagen aus der von ihr verfassten und 2012 erschienenen „Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg“, in der die Leser nicht nur über die Gemütseigenheiten der märkischen Bevölkerung aufgeklärt werden, sondern auch darüber, wo man in Brandenburg am Besten saunieren kann. Christoph H. Winter
Christoph H. Winter