Kultur: Der spannende Moment dazwischen Simone Westphal stellt im Rathaus aus
„Auf geht’s“ – der Titel zur aktuellen Kunstschau im Potsdamer Rathaus kommt wie eine schwungvolle Aufforderung daher: Lasst uns fortschreiten! Und genauso energiegeladen sind auch die dazugehörigen Werke der Berliner Künstlerin Simone Westphal, die seit vergangener Woche die Wände im Flur zum Obermeisterbüro schmücken.
„Auf geht’s“ – der Titel zur aktuellen Kunstschau im Potsdamer Rathaus kommt wie eine schwungvolle Aufforderung daher: Lasst uns fortschreiten! Und genauso energiegeladen sind auch die dazugehörigen Werke der Berliner Künstlerin Simone Westphal, die seit vergangener Woche die Wände im Flur zum Obermeisterbüro schmücken. Mal sind es die Bewegungen von Fußgängern in der Stadt, die Westphal auf ihren Leinwänden mit leuchtenden Acrylfarben eingefroren hat. Dann sind es fliegende Blätter, oder flirrende Lichter im Wald. Und fast jedes Mal wirkt die Szenerie seltsam ruhig, scheinbar kraftvoll verharrend in der eigenen Bewegung. Bis zum 31. Januar ist die Ausstellung, mit 15 Acrylbildern und sieben Papiermalereien, noch im Rathaus zu sehen.
„Meine Figuren sind ständig auf dem Weg“, sagt die 46-jährige Künstlerin, die seit zwei Jahren ihr Atelier im Potsdamer Rechenzentrum hat. Die Frage „Wohin?“, die Frage nach dem Ziel der Bewegung also, spiele eine große Rolle während ihres Arbeitsprozesses. Das junge Mädchen in weißen Shorts etwa bewegt sich für den Betrachter auf einem schmalen Grat zwischen ihrer Realität und der Spiegelung ebendieser im Wasser. So könnte die Leinwand auch auf den Kopf gestellt werden – wahrscheinlich würde die verdrehte Welt dem Betrachter erst mit dem zweiten Blick auffallen. „Mich interessiert der spannende Moment dazwischen, das Spiel mit den Realitäten“, sagt Simone Westphal. Den Anstoß habe ein Gespräch mit ihrer Tochter gegeben, die sie eines Abends fragte, was denn eigentlich real sei.
Auch Potsdam ist als Kulisse vertreten: Eine Person in modischer knallroter Daunenjacke geht auf die Französische Kirche zu, vorbei an einem Altneubau, der sich zu ihrer Rechten befindet. Um das Dazwischen geht es auch bei „Frau im Regen mit Schirm“: Passanten sind zu erkennen, aber strömender Regen verändert ihre Gestalt. Vielleicht wird hier der Blick durch eine Autoscheibe dargestellt, an der die Tropfen quer von links nach rechts hinunterströmen. Eine weitere Arbeit zeigt ein Mädchen in Badeanzug auf einem Sprungbrett. Dickflüssig wie Harz scheinen die Tropfen an ihrer Haut zu hängen, während ihr Körper zum Sprung ansetzend nach vorn strebt. Der Himmel im Hintergrund könnte auch eine gewaltige Wassermasse sein und im Gegenzug der Abgrund unter ihr unendlich weit wie der Himmel. Was ist hier was?
Ebenfalls vertreten in der Ausstellung sind Westphals Papiermalereien. Die Künstlerin lebte drei Jahre lang in den USA und lernte dort ein spezielles japanisches Verfahren der Papierherstellung kennen. Zuerst wird hierfür ein Cocktail aus Pflanzenfasern angerührt – Westphal verwendet hauptsächlich Kozo, Maulbeerbaumfasern also. Der Faserbrei wird dann mit unterschiedlichen Textilfarben gefärbt und mithilfe einer Pipette Schicht für Schicht auf einen Schöpfrahmen aufgetragen. Wieder weicht die Künstlerin Grenzen auf: Das Material ist hier gleichzeitig das Bild. Mehrere Monate dauere der Arbeitsprozess, berichtet Westphal. Unter den Motiven, die sie in das Papier einarbeitete, sind auch Baumgruppen, deren oberste Äste aus ihrer Kulisse herausragen. „Die Papiermalereien kommen besonders gut zur Geltung, wenn sie von hinten beleuchtet werden“, erklärt die Künstlerin. Neben den farbenfrohen Acrylarbeiten wirken diese Werke ein bisschen brav.
Etwas konstruiert wirkt die Arbeit „Die Pressefreiheitsenten“. Die Vögel, die im Journalistenjargon Synonym für Falschmeldungen sind, fliegen hier vor Zeitungsausschnitten über die Bildgrenze hinweg auf die nackte Wand der Verwaltung. Die Arbeit habe sie für eine Ausstellung des Verbandes der Deutschen Lokalpresse in Berlin angefertigt, erzählt Westphal. Auch wenn diese Arbeit weniger gelungen ist: Daneben strahlen die Malereien ganz besonders.Helena Davenport
„Auf geht’s“ ist noch bis zum 31. Januar im Potsdamer Stadthaus im Flur des Oberbürgermeisterbüros zu sehen
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