zum Hauptinhalt
Potsdamer auf Zeit. Der nigerianische Kurator Folakunle Oshun.
© Andreas Klaer

Kultur: Der Blick von außen

Gastkurator Folakunle Oshun stellt sich vor

Potsdams Kunstszene hat einen neuen Protagonisten. Wenn es gut läuft, hat er gute Chancen, die hiesige Kunstlandschaft nachhaltig zu verändern. Wenn es wirklich gut läuft, wird er auch die Stadt, die Art und Weise, wie die Menschen sich und diese Stadt sehen, verändern.

Folakunle Oshun heißt dieser neue Potsdamer auf Zeit. Der nigerianische Künstler, Jahrgang 1984, ist Preisträger des ersten Potsdamer Kuratorenpreises der Stadt Potsdam. Gestern stellte er sich erstmals im Kunstraum des Waschhauses vor. Gerade noch hat er in der 28-Millionen-Stadt Lagos eine Biennale kuratiert, jetzt wird er für vorerst drei Monate in der beschaulichen Schiffbauergasse wohnen. Dann soll er, nach einer Werkstattschau im Pavillon auf der Freundschaftsinsel, nach Lagos zurückkehren, Ende 2018 dann ein Abschlussprojekt in Potsdam präsentieren. In Potsdam beworben hat er sich mit einer, wie Oshun zurückhaltend sagt, „völlig unrealistischen Idee“: Als jemand, der kein Deutsch spricht, will er Potsdamer dazu bringen, ihm ihre Geschichten zu erzählen, bei ihnen zu Hause, beim gemeinsamen Essen.

Die Herausforderung sei es tatsächlich, „das Unwahrscheinliche in etwas Wahrscheinliches zu verwandeln“, sagte Kurator Gerrit Gohlke vom Brandenburgischen Kunstverein, der als Vorsitzender der achtköpfigen Auswahljury die Entscheidung für Oshun mittrug. „Kunst muss Überraschung auslösen.“ Er preist Oshun im übertragenen Sinn als einen „Übersetzungshandwerker“, einen, der zwischen verschiedenen Kulturen zu vermitteln weiß.

Oshun studierte in Lagos Bildende Kunst und Kunstgeschichte, begann in kleineren Galerien auszustellen, spürte aber bald, dass das vor allem den Galeristen beim Verdienen half und stellte sein eigenes Atelier zur Verfügung. So wurde er der Kurator. In Berlin war er schon, in Potsdam nie. Seine letzte künstlerische Arbeit, sagte Oshun, hatte Kochtöpfe zum Thema, von den Briten einst importiert. Oshun nahm sie und machte daraus ebenerdige Skulpturen, vor denen die Menschen verwundert innehielten, über die sie sprachen. Der persönliche Austausch, die Begegnung mit Unbekanntem, das steht im Zentrum von Oshuns Arbeit.

30 000 Euro hat die Landeshauptstadt für diesen Preis in die Hand genommen, es ist der höchstdotierte Kunstpreis, den die Stadt je vergeben hat. 10 000 Euro kommen noch einmal vom Land Brandenburg dazu. Noch bemerkenswerter ist, dass man dieses Geld bewusst in ein Projekt investiert, dessen Ausgang niemand kennt. „Es ist ein Experiment“, sagt auch Noosha Aubel, Potsdams parteilose Kultur-Beigeordnete. „Bei dem Potsdamer Kuratorenpreis handelt es sich um ein Pilotprojekt. Wenn es funktioniert, wollen wir gerne in Serie gehen.“ Dass Potsdam sich mit Folakunle Oshun einen kuratorischen Blick von außen auf das Eigene schenkt, ist ein vielversprechender Auftakt. Lena Schneider

Zur Startseite