Tanztheater in der Potsdamer Schiffbauergasse: Der Beat des Sommers
Die Oxymoron Dance Company trifft Drum Klub und entfesselt mit dem Stück "Wild" ein tänzerisches und musikalisches Feuerwerk.
Potsdam - Sie hatten nicht zu viel versprochen: Die Begegnung der Tänzer von der Qxymoron Dance Company mit den Trommlern des Potsdamer Drum Klubs entfachte ein überaus energetisierendes, musikalisches und tänzerisches Feuerwerk auf der Seebühne am Tiefen See. Das zum Glück nicht wie die Feuerwerkersinfonie ein paar Tage vorher im Volkspark in einem heftigen Gewitter unterging, sondern sich in der lauen Sommernacht zur Premiere am Donnerstagabend klang- und bildstark entfalten konnte.
In der allmählich einsetzenden Dämmerung verteilten sich die Tanzenden einzeln zwischen den zwei kompakten Drum-Formationen beiderseits der langgestreckten schmalen Bühne vor der märchenhaft-romantischen Kulisse des Babelsberger Flatowturms. Sie nahmen sich energisch ihren Raum, nicht, um dort shakespearehaft herumzugeistern, sondern fast wie in einem Rap-Battle ihre eigene Position zu beziehen und auch zu verteidigen.
Die Potsdamer Choreografin Anja Kozik, die gemeinsam mit Luana Rossetti jetzt bei „Wild“ Regie führte, arbeitete dabei erstmals mit Tanzenden der Performance Academy „MoveOn Milano“, des „Berlin Dance Institutes“ und des „Theatre de l’Opera“ aus Tunis zusammen. Auch das ist ein Glücksgriff, der etwas mehr südliches Temperament als sonst in die kurzweilig-kraftvolle Sommerinszenierung brachte, die ganz ohne Texte, dafür aber mit ungemein pulsierender Energie daherkam.
Wilde Drummer
Die sieben sehr athletischen und dabei überaus wendigen Tänzerinnen und zwei Tänzer, die bis auf eine schwarz gekleidet waren, formierten sich schnell zu einer Kerngruppe, die jedoch nicht so ohne Weiteres für alle offen war. Zwei Frauen, eine im schwarzen und eine im altrosa Kleidchen, müssen vor fest verschränkten Armen darum kämpfen, ebenfalls dazuzugehören. Erstere steigt der geschlossenen Formation einfach von hinten auf die Schultern, Letztere versucht es mit einem romantischen Pas des deux mit einem der beiden männlichen Protagonisten.
„Wild“ hat im Deutschen zahlreiche Synonyme: ungebändigt, echt, einfach, unkontrolliert, entfesselt oder angriffslustig. Heißblütig und leidenschaftlich sind nur einige von ihnen. Und so richtig wild wird es, als die acht Drummer des Drum Klubs mit ihren hölzernen Sticks kraftvoll auf ihren über ein Meter hohen Drums herumwirbeln. Unter der musikalischen Leitung von Lars Neugebauer und mit Unterstützung von N. U. Unruh von den Einstürzenden Neubauten geht es dabei sowohl fröhlich als auch überaus leidenschaftlich zur Sache und der schlagende Rhythmus ergreift nicht nur im Nu die Gliedmaßen der professionellen Tanzenden, sondern auch die der Zuschauer, die bis dahin relaxt auf den breiten Stufen unterhalb des Hans Otto Theaters sitzen.
Glühende Energie des Sommers
Doch bevor sie sich selbst – wie im Waschhaus Drum Klub, den Neugebauer und Unruh schon 2013 ins Leben gerufen haben – an zusätzlichen herbeigeholten Trommeltischen austoben dürfen, zeigen die sehr vitalen Tanzenden, was sie so alles draufhaben. Manchmal zart, doch zumeist kräftig und heißblütig wirbeln sie über den glatten Bühnenboden und durch die warme Abendluft. Vollführen immer wieder expressive Hebungen, Sprünge und sogar Kopfstände und zeigen selbst in Formation ihre ungebändigte, starke Individualität. Und natürlich die glutvolle Energie des Sommers.
Und: die Frauen sind in der Mehrheit und geben dabei den Ton an. Eine schöne Parallelität zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklung, wo immer mehr (junge) Frauen ihre unangepasste, starke Energie in den öffentlichen Raum bringen.
Das Publikum durfte mittrommeln
Das geschieht auch in „Wild“, als die Zuschauer nach einer guten halben Stunde Performance an vier Trommeltische und auf die Bühne eingeladen werden, ihren Emotionen freien Lauf zu lassen. Die Tische sind augenblicklich in der Mehrzahl mit weiblichen Trommlern besetzt. Und man staunt, wie kräftig und geschickt sich die meisten von ihnen dabei anstellen und auch bewegen.
Wirklich schön, und anders als auf der Bühne, ist dabei die Diversität der Protagonisten. Denn auch reifere Semester ergreifen die Sticks und die Gelegenheit, fast eine Viertelstunde lang auf die farbigen kleinen Trommeln einzuschlagen und ihre eigene Energie zum wirklich gelungenen Hochsommerfeuerwerk beizusteuern. Diese „wilde“ Idee sollte unbedingt Schule machen und im nächsten Jahr an gleicher Stelle eine Fortsetzung finden.
>>Die Abschlussperformance findet am heutigen Samstag, 20. Juli ab 21 Uhr an der Seebühne hinter dem Hans Otto Theater in der Schiffbauergasse statt. Tickets an der Abendkasse kosten 25 Euro.
Astrid Priebs-Tröger