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Rundumschlag. Lutz Dammbeck riss viele Themen an und blieb ungenau.
© M. Thomas

Lutz Dammbeck über die Barberini-Ausstellung: DDR-Kunst? „Interessiert kein Aas“

Wie Lutz Dammbeck im Filmmuseum polemisierte.

Es sollte der krönende Abschluss werden von der filmischen Begleitreihe zur Barberini-Ausstellung „Hinter der Maske. Kunst in der DDR“. Bei diesem vierten Abend im Filmmuseum mit dem Maler und Regisseur Lutz Dammbeck zerfaserte indes das Gespräch in Polemik, Pauschalurteilen und Selbstdarstellungen. Auch beim Publikum. Beim Thema DDR, Kunst und Haltung verlieren viele die Haltung – auch 30 Jahre danach. Moderator Knut Elstermann komplimentierte etwas ungehalten sogar einen Zuschauer aus dem Saal, nachdem dieser bei den Filmen teils geschlafen habe und dann das Wort an sich riss. „In der SED haben Sie Euch auch nicht ausreden lassen!“, schimpfte der ältere Herr und zog von dannen.

Zuvor knisterte die Stille vor Spannung: Bei dem 1984 begonnenen und 2017 fertiggestellten Stummfilm „Leipziger Herbstsalon“, der noch einmal Wut und untergründige Angst hochspülte. Man sieht, wie sechs Maler, darunter Dammbeck, mit ihren Bildern auf freier LKW-Ladefläche durch Leipzig fahren: hin zu den Messehallen, die sie angemietet hatten. Mit einer List. Sie gaben sich als Vertreter staatlicher Kunstvereine aus. Die mutige junge Garde wollte den Bruch mit der bisherigen Kunst und stellte öffentlich die Machtfrage – mitten in der Stadt. Bernhard Heisig kam im Auftrag der SED-Kreisleitung vorbei und wollte den Salon unterbinden. Er fand trotzdem statt, musste aber in „Werkstatt“ umbenannt werden. Über 10 000 Menschen sahen ihn: ein kurzer Moment der Zufriedenheit. Wenig später wurde der Salon als „konterrevolutionär“ eingestuft und Lutz Dammbeck, Günter Firit und Hans-Hendrik Grimmling verließen die DDR. Der „1. Leipziger Herbstsalon“ war zugleich der letzte.

In „Dürers Erben“ von 1996, dem zweiten Film des Abends, ließ Dammbeck – gerade mit dem Grimmepreis nominiert – die Begründer der Leipziger Kunsthochschule zu Wort kommen. Der Rektor Kurt Massloff kam fast erblindet aus dem KZ, die Studenten aus dem Schlachtfeld oder, wie Bernhard Heisig, von der Waffen-SS. Der Film deutet auf Parallelen zwischen der Kunstdoktrin zur Nazizeit und in der DDR. In den Anfangsjahren der DDR seien Maler wie Barlach, Dix und Hofer verfemt gewesen. Vor allem aber spürte Dammbeck der Frage nach, was die Begründer der so genannten „Leipziger Malerschule“ wie Werner Tübke und Bernhard Heisig mit dem heute unbekannten Maler Heinrich Witz verband. Seine Interviews sind spannende Zeitgeschichte, auch weil sie unkommentiert bleiben. „Ich dachte, meine Generation muss von den Vätern eine Abrechnung verlangen, ohne gleich die Verurteilung mitzuliefern, wie es die 68er taten“, so Dammbeck. Kritiker warfen dem Film vor, dass er die Führungselite zu sehr schonte. Nein, diese Elite spricht hier für sich: Werner Tübke, der sich hinter dem Mantel der Eitelkeit versteckt, Bernhard Heisig, der sich am Thema Krieg zeitlebens rieb und mit seinem inneren Auftrag dem äußeren entsprach. Witz bezeichnete sich als „Hofmaler“, der das Geld für Auftragswerke bei der Wismut gerne einfuhr.

Warum aber werden gerade die Staatskünstler von gestern heute wieder gesammelt und gekauft, von Mäzenen hofiert? Das treibt Dammbeck um und auch Grimmling, der im Filmmuseum mit dabei war. „Wir hätten von bestimmten Leuten kein Geld genommen, ihnen nicht die Hand gegeben.“ Dammbeck ging vor allem mit Heisig scharf ins Gericht, warf ihm Geschichtsverfälschung in seinen Bildern vor. Vieles riss er indes nur an.

Bei der Ausstellung „Hinter der Maske“, über dessen „denunziatorischen“ Titel sich Dammbeck empörte, drehe sich die Bühne nun von hinten nach vorne. „Das Tragische an der Ausstellung ist aber: Sie bleibt im abgeschotteten Raum. Kein Aas in Hamburg interessiert sich für die Ausstellung, jedenfalls nicht im professionalen Kunstbereich. Da bleibt sie der arme Bruder. Scheinfreundlich wird es natürlich anders verkauft.“ Dem widersprachen einige Besucher. Die lautstarke Diskussion verlagerte sich schließlich ins Foyer. Heidi Jäger

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