Es wird gezündelt: Das Poetenpack eröffnet die Zimmerbühne
Max Frischs Stück „Biedermann und die Brandstifter“ wird mal wieder in Potsdam gespielt - nach 55 Jahren. Und dann noch im neuen Zuhause des Poetenpacks. Anfang April ist Premiere.
Potsdam - Als eine Burleske skizziert der Schweizer Dichter Max Frisch seine Geschichte von Herrn Biedermann und den Brandstiftern in den Tagebüchern 1946 bis 1949. Ein paar Jahre später macht er daraus ein Hörspiel und verfasst schließlich 1957 bis 1959 das Theaterstück, das ein Lehrstück ohne Lehre sein soll. Hier beginnt zu stutzen, wer Max Frisch durch Lektüren beziehungsweise Theaterbesuche von „Andorra“ oder „Homo Faber“ kennt. Dieser Max Frisch schreibt eine Komödie und verzichtet auf jegliche Lehre? Das möchte man sich genauer ansehen.
Ab 4. April ist es möglich. Vor 55 Jahren wurde das Stück letztmalig in Potsdam aufgeführt: am Hans Otto Theater unter der Regie des legendären Günter Rüger. Nun kann man ein paar Schritte vom damaligen Stadttheater in der Zimmerstraße entfernt, Herrn Biedermann und die Brandstifter erneut auf die Finger schauen. Der entwidmete Kirchsaal der Adventsgemeinde, der 1930 von dem Potsdamer Architekt Alfred Kröning erbaut wurde, wird in diesen Tagen zu einem kleinen Theatersaal für 80 Zuschauer umgestaltet.
Das Poetenpack Potsdam, das sich mit einem anderen Mieter den Raum teilt, wird zu seinem 20-jährigen Jubiläum zwei Stücke in der Zimmerbühne zur Premiere bringen. „Der Raum war ursprünglich kein Theatersaal. Somit stellt er unsere Techniker vor große Herausforderungen“, sagt Theaterleiter Andreas Hueck. Regisseur Michael Neuwirth betont aber auch die Vorzüge der neuen Spielstätte: „Die Orgelempore erlaubt uns die beiden Szenen, die auf dem Dachboden angesiedelt sind, treffsicher zu inszenieren.“ Die Poetenpack-Techniker sind es gewohnt, verschiedene Räume zu Theaterpodien werden zu lassen.
"Und das Haus steht schließlich in Flammen"
In Max Frischs Stück flucht der Haarwasserfabrikant Herr Biedermann über die Brandstifter, die sich reihenweise mit immer demselben Trick auf den Dachböden der Häuser rundum einnisten und diese anzünden. Gleichzeitig gewährt er aber einem Fremden Obdach auf seinem eigenen Dachboden. Gerade hatte er einen Mitarbeiter entlassen und beruhigt sein schlechtes Gewissen damit, dass er einem Fremden Menschlichkeit zollt. Doch den Verdacht, dass es sich bei diesem Fremden um einen Brandstifter handeln könnte, wird er nicht los. Den Mann selbst auch nicht. Um seine Zweifel auszuschalten, entscheidet er sich kurzerhand für Verleugnung und Ignoranz. Zudem taucht ein zweiter Fremder mit einer Fülle Benzinkanistern auf, der sogar zugibt, das Haus anzünden zu wollen. „Herr Biedermann ist sich aber sicher: Nein, diese Fremden sind keine Brandstifter! Sie sind seine Freunde, die sich einen Scherz erlauben und werden zum Abendessen eingeladen“, sagt der Regisseur. An einem großen Tisch, der mitten im Raum steht, sitzen das Ehepaar Biedermann und ihre Gäste, umgeben von den Zuschauern. „Doch auf dem Dachboden wird gezündelt und das Haus steht schließlich in Flammen.“
Appell ans Publikum
Michael Gerlinger, Darsteller des Biedermann, sagt im PNN-Gespräch: „Das Stück macht klar, dass Scheinmoral und Wegsehen längst Teil des politischen, beruflichen und privaten Alltags geworden sind.“ So steht Biedermann wohl auch für manchen Politiker, „dem heute alles egal ist, was er gestern gesagt hat.“ Die Figur des Biedermanns stehe auch für einen Chef, „der völlig cool bleibt beim Tod seines Angestellten“, wie auch Biedermann im Stück sich völlig unbeeindruckt davon zeigt, dass sich sein Angestellter, nachdem er ihn entlassen hat, umbringt.
Max Frisch appellierte mit „Herr Biedermann und die Brandstifter“ an das Publikum, dass jeder überlegen solle, was er mache und wofür er stehe. Der Text von Frisch hat, dieser Kalauer muss sein, an Frische nichts verloren. Auch an Deutlichkeit nichts, an Deutbarkeit ohnehin nicht.
Premiere am 4. April, 19.30 Uhr, in der Zimmerbühne, Zimmerstraße 12b. Weitere Vorstellungen am 5., 6. April. ebenfalls um 19.30 Uhr