Ausstellung „Hinter der Maske" im Museum Barberini: Das isolierte Miteinander
Neun Themen, neun Bilder: Die PNN begleiten die Ausstellung „Hinter der Maske. Kunst in der DDR“ im Museum Barberini mit einem Rundgang durch die Themenkreise der Schau. Teil drei: Harald Metzkes und „Gemeinschaftsbilder“.
Es ist ein Gemeinschaftsbild, und doch steht jeder für sich allein. Das Ölgemälde „Die Freunde“ von Harald Metzkes zeigt das isolierte Miteinander und ist weitab vom gewünschten Brigadebild des sozialistischen Realismus. Die Idee des kollektiven Bildes, als Staatsauftrag Ende der 1940er-Jahre gefordert, wird bohemienhaft unterlaufen. Die vier Männer auf der Haupttafel des Triptychons tragen wie im Aufbruch Mäntel und Jacketts in einem Innenraum, der nicht näher charakterisiert ist. Nur der Blick durch das schmale Sprossenfenster auf das Brandenburger Tor gibt zu erkennen, dass sich die Gruppe in der Akademie der Künste am Pariser Platz befindet.
Metzkes, damals 28-jährig, malte sich mit ihm nahestehenden Künstlern der Ostberliner Akademie, mit denen er eine Ateliergemeinschaft pflegte. Nichts deutet indes darauf hin, dass sie Künstler und Freunde sein könnten. Auf dem 1957 gemalten Bild, auf dem Harald Metzkes die Säge hält, stehen neben ihm die Kollegen Manfred Böttcher und Ernst Schroeder sowie der Bildhauer Werner Stötzer. Einer raucht Pfeife, einer Zigarillo. Es gibt keinen Blickkontakt. Die Säge mit den scharfen Zähnen, die Metzkes wie einen Kontrabass umfasst, werde in der Literatur als Hommage auf den Jazz gedeutet, erklärt Kuratorin Valerie Hortolani. In der frühen DDR stempelte die Obrigkeit den Jazz als „Ami-Gift“ ab, Walter Ulbricht nannte ihn gar „Affenkultur des Imperialismus“. Inwiefern Metzkes diese Überlegung in sein Bild mit einbezog, ist nicht bekannt. Klar ist indes: „Metzkes Protagonisten behaupten sich als eigenständige staatsferne Persönlichkeiten, die sich nicht vereinnahmen lassen. In ihrer legeren Kleidung spiegelt sich der Existentialismus. Jeder markiert seine eigene Position.“
Das als klassisches Altarbild bedeutungsvoll aufgebaute Werk, das keinerlei christlich-ikonografische Hinweise aufweist und auch keine auf das Metier des Malens, ist eher collagenhaft zusammengesetzt. Die breitbeinig sitzende Frau in der Männer-Mitte trägt Kellnerinnenkleidung und könnte als Musenfigur gedeutet werden. Aber auch dafür fehlen konkrete Hinweise. Die linke Bildtafel zeigt einen schmalen Tisch, auf dem ein Mann mit weit ausgestreckten Beinen auf der Platte liegt. Offensichtlich schläft er seinen Rausch aus, wie die Flaschen im Vordergrund vermuten lassen. Er ist Trinker, ein Motiv, das Metzkes häufiger verwendet hat und das als Schwere und Lethargie der Nachkriegszeit gedeutet wird. „Es ist interessant, wie Metzkes seine Motive wiederholt und zu seiner privaten Ikonografie werden lässt“, sagt Valerie Hortolani.
Die Schneiderpuppe mit der Uniform neben dem Trinker sieht die Kuratorin in Verbindung zu dieser Nachkriegsthematik. „Man findet einige Versatzstücke, die aus der Kunstgeschichte entnommen sind.“ Die Kuratorin denkt an die Gliederpuppen Giorgio Chiricos, auch wenn bei Metzkes Puppe die Beine fehlen, oder an die Stillleben von Giorgio Morandi. Man finde ganz viele Hinweise auf Übernahmen und Auseinandersetzungen mit kunsthistorischen Vorbildern der Moderne, die im Gegensatz zum sozialistischen Realismus stünden. Gerade die Seitentafeln erzeugen durch ihre surrealistische Anmutung eine traumhafte, melancholische Atmosphäre. Die intensive Farbigkeit des Bildes steht dabei im spannungsvollen Kontrast zu dem grauen Schleier, der sich über die Gesichter zieht. Die kühl und distanziert wirkende Frau auf der rechten Bildhälfte trägt einen Säugling wie einen Fremdkörper auf dem Arm und die neben ihr postierte Kiste, aus der Beine herausragen, erinnert an einen Sarg: eine Referenz an Max Beckmann und seinen clownesken Figuren.
Für Valerie Hortolani liest sich gerade in diesem Themenraum ein interessanter Gegensatz heraus. „Solche Freundesgruppen finden sich häufiger in der Kunst der DDR.“ Aufgrund dieser Häufung sei auch der Raum dazu eingerichtet worden. Das seien Themen, die oft Selbstbildnischarakter tragen und Auskunft geben über die Zirkel, in die die Künstler lebten. Dieses Thema lasse sich auch mit kulturpolitischen Aspekten in Verbindung bringen: „Wie im Sozialismus der Einzelne eine weniger starke Rolle hatte und mehr als Teil der Gemeinschaft aufgefasst worden war, steht auch das Kollektiv der sozialistischen Idee nah. Diese Idee des Kollektivs schwingt in den Bildern zum Teil mit, aber wir sehen auch den Gegensatz zwischen dem, was gefordert wurde und was die Künstler selbst daraus gemacht haben. Die Werke, die wir hier zeigen, sind in keiner Weise ein anonymes Kollektiv. Die Künstler stellen sich als Individuen heraus und grenzen sich von der Gesellschaft ab. Sie stehen subversiv zum dem pauschalen Kollektivgedanken. Andererseits ist die Fülle an Gemeinschaftsbildern, die ja eine jahrhundertealte Tradition haben, schon ein Alleinstellungsmerkmal in der Kunst der DDR.“
Metzkes „Freunde“ nehmen einen sehr zentralen Platz im Themenraum „Gemeinschaftsbilder“ ein und gehen dabei auf Tuchfühlung zu einem weiteren, acht Jahre später entstandenen Metzkes-Bild: „Parnass“, der Berg der Götter. „Es ist eines der unergründlichsten Werke in seinem Schaffen, zeigt es doch zehn nackte Männer in einer Sauna, die ebenfalls als Künstler der Akademie identifizierbar sind“, ist im Katalog zu lesen. Metzkes selbst ist nicht dabei. 40 Jahre mussten vergehen, bis er dieses Bild, auf dem u. a. Werner Klemke, Fritz Cremer und John Heartfield gemeinsam schwitzen, zeigte. Er fürchtete eine mögliche Missdeutung. Seine private Hommage, als Huldigung gedacht, hätte als Karikatur aufgefasst werden können. Er wollte zwar ironisieren, aber nicht abwerten. „Das wäre 1966 sicher so nicht verstanden worden, weil es in keiner Weise dem entsprach, was man von Künstlergruppen malerisch formal wie auch inhaltlich forderte“, sagt Valerie Hortolani. Die nackten Leiber präsentieren sich in großer Körperlichkeit. Durch die homogene Malweise verschwimmen fast ihre Konturen. Die Gesichter treten indes mit individuellen Zügen ernsthaft hervor.
Wenn man die Werke in Zusammenhang bringt, sind sie malerisch extrem unterschiedlich. Metzkes veränderte seine Malweise in den knapp zehn Jahren enorm: vom Neu-Sachlichen, Beckmann-haften hin zur diffuseren malerischen Form, die weniger auf Begrenzung und schwarze Linien beruht. Seine späteren Arbeiten atmen das Atmosphärische von Cézanne, weshalb er auch der „Cézannist“ vom Prenzlauer Berg genannt wurde.
Die Kuratorin betont, dass der heute 88-jährige Metzkes, der an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden studiert hatte und an der Akademie der Künste Berlin Meisterschüler von Otto Nagel war, sich nicht vereinnahmen und verbiegen ließ. „Er war solitär: als Person und als Maler.“ Hatte er dadurch weniger Aufmerksamkeit? „In der späteren DDR-Zeit sicherlich nicht. Aber auch da merkt man, wie diese Schwarz-Weiß-Setzung, das Für und Wider, diese klaren Gegensätze gar nicht so zu finden sind.“ Metzkes sei vom Charakter ein sehr dem Leben zugewandter Mensch. „Ihm ging es immer nur um die Malerei, nicht darum, Politik zu machen.“ Aber auch damit gab er ein politisches Statement ab.
„Hinter der Maske“, zu sehen bis 4.2. im Museum Barberini am Alten Markt
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