Februar ohne Berlinale (4): Champagnerlaune statt kopulierender Yaks
Eigentlich sollte jetzt die Berlinale stattfinden. Wir verkürzen das Warten aufs Publikumsfest im Juni, erinnern uns - und empfehlen Berlinale-Filme
Es geht nicht anders, die Berlinale fällt aus in diesem Februar. Keine tollen Tage wie geplant vom 11. bis 21. 2., kein Kino satt, keine roten Teppiche. Stattdessen hier die schönsten, verrücktesten Festivalerinnerungen. Diesmal: die Partynale - das wilde Nachtleben abseits des roten Teppichs.
Partys? Igitt! Oberflächlicher Tand. Sinnlos feierndes Volk, das nichts im Kopf hat als den nächsten Drink und Gratishäppchen. Lange galten Partys bei manchen Berlinale-Gängern als Rummelplätze für die intellektuelle Unterschicht, weit entfernt von den anregenden Road Movies aus der Wüste Gobi, um die es in den Augen mancher Filmjunkies recht eigentlich geht.
Dass sich diese Sichtweise geändert hat, ist auch ein Verdienst des langjährigen Festivalchefs Dieter Kosslick mit seinem unbestechlichen Blick für eine Wirklichkeit, in der Hollywood, Arthousefilme und die Shows des Festivals nebeneinander bestehen.
Berlinale-Partys sind gigantische Castings
Denn natürlich hat der Partyreigen während des Festivals neben dem Geschäftlichen und dem Künstlerischen eine eigene Bedeutung. Die Partynale folgt, wie der Rest der Berlinale, strengen Ritualen. Eins haben alle Partys gemeinsam: Sie sind eine Bühne, für die Sponsoren, die Filmfirmen und vor allem für die Schauspieler, die sich hier von ihrer schönsten Seite präsentieren können. Scheinwerfer ohne Ende, alles da, was Rang und Namen hat.
Partys sind gewissermaßen lebendige Filme und klassische Zeugungsstätten für neue Projekte, gigantische Castings mit Champagner-Begleitung. Sie sind der Stoff, aus dem auch die Filmträume gewebt sind. Ohne Glamour auf dem roten Teppich, ohne überirdisch schöne Diven, saucoole Typen und schräge Gestalten kein Gedränge an den Kinokassen. Die Sterne müssen leuchten, müssen selber Projektionsfläche sein.
Die Party-Berichterstatterin mit dem Block in der Hand lässt sich auf einem dieser komplett unübersichtlichen 500-Leute-Feste schon mal ablenken. Fast verpasst sie den Auftritt einer sich während des Einsatzes als DJ entblätternden Schauspielberühmtheit, nur weil sie sich beim Anblick der fast 100-jährigen Produzentenlegende auf dem roten Teppich verträumt hat in einen noch nicht existierenden Film, der Orson Welles glatt vergessen machen könnte…
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VIP-Area im Sperrholzverschlag
Manchmal steht dann vielleicht die Frage im Raum, ob es nicht besser wäre, zu jenen zu gehören, die gemütlich unter ihren Mänteln vergraben im Kino sitzen und hinterher über die staubtrockenen Sexszenen in der Wüste Gobi lamentieren können. Während sie selber an missgelaunten Agenten abprallt, wenn der arme Leonardo di Caprio mal aus einem euphemistisch „VIP Area“ genannten Sperrholzverschlag herauslugt wie aus einem Kasperltheater. Leider keine Chance, ihn mit Small Talk aufzuheitern und dabei eine kleine Story abzustauben.
Egal! Wo eine dermaßen strenge Choreographie herrscht wie bei der Berlinale, hat jeder seinen Platz. Und was für ein viel glücklicheres Schicksal hat die Partyreporterin im Vergleich zu dem Filmemacher, der Jahre seines Lebens der Wüste Gobi geopfert hat, nur um kurz nach der Premiere von notorisch kritischen Geistern zu hören, dass diese Jahre komplett verschwendet waren.
BERLINALE-FILMTIPP
„The Party“ von Sally Potter (2017)
Die Londoner Party mit Kristin Scott Thomas, Patricia Clarkson und Bruno Ganz läuft komplett aus dem Ruder. Ein schneller, böser Spaß – als Stream u. a. bei Amazon, Google Play, iTunes, Magenta TV.
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