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Die Schriftstellerin Antje Rávik Strubel.
© Foto: Sebastian Gollnow/dpa

Deutscher Buchpreis: Antje Rávik Strubel gewinnt mit „Blaue Frau“

Die logischste, beste Wahl: Antje Rávik Strubel gewinnt mit ihrem kunstvollen und zeitgemäßen Roman „Blaue Frau“ den Deutschen Buchpreis 2021.

Sprachlos sei sie, sagt Antje Rávik Strubel an diesem Montagabend im Frankfurter Römer als allererstes, nachdem sie mit ihrem Roman Blaue Frau“ als Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2021 genannt worden war. Da ist sie an dieser Stelle natürlich keine Ausnahme, das ging vielen überraschten Buchpreisgewinnerinnen und -gewinnern genauso.

Doch scheint gerade diese kurze Sprachlosigkeit die Potsdamer Schriftstellerin am meisten zu überraschen, eben weil die Sprache ausdrücklich ihr Metier ist .

Weil sie aber weiß, dass sie „hier nicht so sprachlos stehen kann, schon gar nicht in diesen zänkischen Zeiten"; und weil nicht zuletzt ihr Roman „die erzwungene Sprachlosigkeit einer jungen Frau umkreist und ihr Vermögen, sich der Sprache und ihrer selbst wieder zu ermächtigen", hatte sich Rávik Strubel für den Fall der Fälle doch ein paar Notizen gemacht.

Sprache ist Irritation und Wagnis

Diese Notizen enthalten einige literarischer Zitate und ähneln einer kleinen politischen Rede. Rávik Strubel zitiert Lucia Berlin, die sie übersetzt hat („für sie war ein Satz die Brücke über den Abgrund“), Virginia Woolf und Ilse Aichinger; sie bekennt, dass Sprache für sie selbst „ein Ort des Berauscht- und Entrücktseins“ ist, „aber auch Irritation und Wagnis“.

Sie spricht von dem „furchtbaren Krieg, der heute verbissen um Benenungen und Bezeichnungen geführt wird, also auch darüber, wer wir sein dürfen und wer das Sagen darüber hat“. Und sie meint, dass einfach ansprechen zu müssen, jetzt, an dieser Stelle, weil sie selbst seit Jahren über Figuren schreibe, die „der Normalität oder was für normal gehalten wird, ganz selbstverständlich widerstehen, die eher auf die Schlupflöcher in der Normalität verweisen.“

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Zudem warnt Rávik Strubel vor den vielen den Feminismus oder die politische Korrektheit bashenden „Klingel-an-der-Tür-und-renn-weg-Männern" im Internet, die gefährlich würden, „wenn sie das Ende ihrer jahrhundertelangen Meinungshoheit zum Ende der Meinungsfreiheit erklären.“

Es sind relativ klare Worte, die die frischgebackene Buchpreisgewinnerin in ihrer Dankesrede findet. All das, was sie anspricht, findet sich in Spuren und viel subtiler auch in „Blaue Frau“. Der Roman handelt von eben jener jungen Frau, Adina, und dem sexuellen Missbrauch, der an ihr verübt wird von einem sich seiner Macht so sicher fühlenden Mann; davon, wie sie wieder zu sich selbst findet.

Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen

Er handelt aber noch von viel mehr: von der Unfähigkeit der Gesellschaft, Missbrauchsopfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen; von einem Europa, das eine Zweiklassengesellschaft ist, unterteilt in Ost und West; von der Erinnerungspolitik, die sich hier wie dort anders darstellt; und von einigen anderen Figuren neben Adina, die sich in den gesellschaftlich neuen Verhältnissen zurechtzufinden versuchen.

Dazu kommt die kunstvolle arrangierte Zwiesprache mit der Blauen Frau und auch mit sich als Erzählerin, die Rávik Strubel hält und die sie immer wieder zu der Frage zurückführt, warum sie diese Geschichte erzählt.

Nimmt man all das und vergleicht „Blaue Frau“ mit der Shortlist-Konkurrenz, dann ist dieser Roman die logischste, beste Wahl, die die Jury treffen konnte. Er ist im Vergleich der reichste, zeitgemäßeste, am kunstvollsten arrangierte, nicht zuletzt in seinem autofiktionalen Zugang.

Rávik Strubel verweist dann noch einmal auf die Wandelbarkeit der Sprache, die sie so liebe, die wandelbarer sei als die eingefahrenen Pfade und die Gewohnheiten der Gesellschaft. Und schließt: „Rávik und Strubel sind Schriftstellerinnen, nicht Schriftsteller, und als solche manchmal ausgezeichnet: mit einem Sternchen.

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