Soloschau in der Galerie Johann König: Alicja Kwades Steinflug
Es sind die unscheinbaren Dinge, die in den Arbeiten von Alicja Kwade zu glänzen beginnen. Ihre erste Soloshow ist nun bei Johann König zu sehen.
Kieselsteine oder Kohlebriketts. Ihre objet trouvés belässt sie nicht im Rohzustand, sondern schleift die wertlosen Steine, bis sie Juwelen ähneln, oder überzieht die Briketts mit Edelmetall, so dass sie wie Goldbarren wirken. Für ihre Auseinandersetzung mit den physischen Eigenschaften der Objekte hat Kwade im letzten Jahr den Piepenbrock-Förderpreis für Skulptur erhalten, eine Ausstellung im Hamburger Bahnhof schloss sich an. Die Auszeichnung ließ Kwade, die 1979 in Katowice geboren wurde, schnell bekannt werden.
Aktuell ist nun ihre erste Soloshow bei Johann König zu sehen. Im Zentrum steht die Arbeit „Der Tag ohne Gestern (Dimension 1-11) n°4“. Stahlplatten sind im ganzen Galerieraum aufgestellt, dazwischen dringt sonores Lärmen aus Lautsprechern. Über dünne Kabel sind die Boxen mit den Leuchtstoffröhren an der Decke verbunden, das Dröhnen ist die Verstärkung eines Hintergrundgeräuschs. Die Wölbung der Platten visualisieren die Sinuskurven, in ihrer glatten Schwärze spiegelt sich der Besucher.
Entstanden ist eine hoch ästhetische Arbeit, die Geräusche visualisiert und dennoch eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen vermissen lässt. Ähnlich verhält es sich mit dem Video „Thoas, Agrios, Gration (view n°4)“, das Gesteinsobjekte in Zeitlupe durchs Bild fliegen lässt. Was ein Meteorit sein könnte, entpuppt sich als Kieselstein, dessen Flug mit einer Hochgeschwindigkeitskamera aufgenommen wurde. Ein Exkurs über technisiertes Sehen und das Verständnis der Dinge. Zu sehr aber fühlt man sich an Kwades frühere Methoden und Fragestellungen erinnert.
Erst das dritte Objekt am Eingang zur Galerie überzeugt: Hier parken zwei identisch wirkende Wagen der Marke Nissan nebeneinander. Erst auf den zweiten Blick bemerkt man, dass sie wie Spiegelbilder funktionieren: Lenkrad, Müll auf dem Beifahrersitz, eine Beule am Kotflügel – alles ist konsequent seitenverkehrt inszeniert. „Nissan (Parallelwelt 1 + 2)“ lässt sich als ironisches Sinnbild der detektivischen Spurensuche lesen, die stets ein empirisches Zeugnis für ihre Deutung braucht – und als künstlerischer Beitrag zu den jüngeren Diskussionen um das Museum als „Wissensraum“. Mit dieser Arbeit hat Alicja Kwade die spannendste Fährte in die Zukunft gelegt.
Galerie Johann König, Dessauer Str. 6/7; bis 7. November, Di-Sa 11-18 Uhr.
Anne Schreiber
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