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Symbolträchtig. Suzanna Scott hat Portemonnaies zu Vulven geformt. Mit ihren „Coin Cunts“ von 2015 will sie das weibliche Geschlecht aufwerten.
© Sebastian Gabsch

Ausstellung in Potsdam: Aktdarstellungen von der Renaissance bis heute

Die Ausstellung "Nude" in der Villa Schöningen sucht nach dem weiblichen Blick auf den nackten Körper.

Von Helena Davenport

Potsdam - Sie steht da und schreit. Dazu hat sie ihren mageren nackten Oberkörper zurückgelehnt – wie ein Fußballer, der ein Tor geschossen hat und sich nun am Spielfeldrand selbst feiert oder wie ein Krieger, der zum Kampf brüllt. Auf jeden Fall ist ihre Geste die eines Mannes, und sie wirkt brachial, sehr sogar. Das riesige Bild der Gießener Künstlerin Anne Imhof, das derzeit in der Villa Schöningen hängt, zeigt den Akt einer Frau, genau genommen die halbentkleidete amerikanische Künstlerin Eliza Douglas, umgeben von Dunkelheit. Und dennoch ist wenig an dem Bild zu finden, was als typisch weiblich gilt. Denn das ist die Frage hier: Was ist das überhaupt, das Weibliche? Und unterscheidet sich die von einer Frau dargestellte Weiblichkeit von jener, die ein Mann abbildet?

Die Ausstellung „Nude“, die schon im kleinen Kreis zum Berliner Gallery Weekend eröffnet wurde und am Samstag, 4. Mai 2019, auch für Besucher ihre Türen öffnet, versammelt über 40 Positionen von 31 Künstlerinnen. Frauen schauen auf den weiblichen Körper, oftmals auf ihren eigenen. Die Liste an Bekanntheiten ist kaum zu übertreffen: Marina Abramovic ist darunter, Rosemarie Trockel, Carolee Schneemann, Cindy Sherman. Die Arbeiten stammen aus der Sammlung des Springer-Vorstandvorsitzenden Mathias Döpfner, er hat sie selbst für die Schau ausgewählt.

Ein immer wiederkehrendes Motiv: Die nackte Frau

In der Kunstgeschichte wimmelt es nur so vor lauter nackter Frauen. Die wohl älteste Nachbildung steht unter einer gläsernen Glocke im Wiener Naturhistorischen Museum, nur ein paar Zentimeter groß und knapp 30.000 Jahre alt. Die kleine rundliche „Venus“ hat ihre Arme auf dem vollen Busen abgelegt und das Haupt gesenkt. In der Renaissance war Giorgiones „Ruhende Venus“ Vorbild für viele Darstellungen: Sinnlich, mit weichen Rundungen liegt sie genauso da, wie die Landschaft, die sie umgibt. Im Barock kamen die Damen üppiger daher, behängt mit glänzenden Ketten, gebettet auf fluffigen Kissen, umgeben von kostbaren Stoffen. Von der Romantik braucht man wohl kaum zu sprechen, und auch noch sehr viel später ist die nackte Frau in der Kunst Objekt der Begierde, oftmals passiv, idealisiert, erotisch aufgeladen. Gleichzeitig steht ihr Maß an Nacktheit für den schmalen Grad zwischen Freizügigkeit und Provokation, der in der jeweiligen Gesellschaft gültig war oder ist.

Anne Imhof: "Untitled".
Anne Imhof: "Untitled".
© Sebastian Gabsch

Imhof hat das typisch Weibliche aufgebrochen. In der Potsdamer Schau ist auch die Worpsweder Malerin Paula Modersohn-Becker vertreten. Sie war die erste Künstlerin, die sich selbst Anfang des 20. Jahrhunderts als Akt darstellte, und höchstwahrscheinlich war sie zu diesem Zeitpunkt schwanger, schätzt Kuratorin Ina Grätz. Auch sie ruht, den Blick auf den eigenen Körper gerichtet und dennoch war ihr Selbstbild eine Sensation.

Früher Tod

Vier Künstlerinnen gehen auf Gustave Courbet berühmten „Ursprung der Welt“ von 1866 ein, eine der ersten detaillierten Abbildungen des weiblichen Geschlechts. Rosemarie Trockel hat die Scham durch eine haarige Vogelspinne ersetzt – der weibliche Schoß bekommt etwas Bedrohliches. Und bei Anna Stina Treumunds Anlehnung von 2014 steckt eine Hand in der Vagina. Treumund gilt als eine der ersten lesbischen Künstlerinnen Estlands, die offen mit ihrer Sexualität umgehen. 2017 verstarb sie. Es sei ein kurioses Phänomen der Ausstellung, dass viele der Künstlerinnen schon früh verstorben sind, sagt Grätz.

Verschiedene Genres sind vertreten, auch Fotografien, Skulpturen, Installationen. Und zum ersten Mal werden beide Etagen der Villa bespielt. Die meisten Arbeiten sind im vergangenen und im aktuellen Jahrhundert entstanden, die ältesten jedoch stammen aus dem 17. Jahrhundert. Die Italienerin Elisabetta Sirani arbeitete als Auftragsmalerin. Kurz vor ihrem Tod 1665 – sie schaffte es nicht mehr, ihr Werk zu vollenden – malte sie sich selbst als idealisierte Schönheit und eigentümlicherweise den Tod gleich mit. So als hätte sie es gewusst. Mit einer Hand stößt sie den beflügelten Alten weg, schaut jedoch schon in seine Richtung.

„Viele Arbeiten in der Schau haben vielmehr den Wunsch nach Freiheit gemein, sich selbst und der Frau neue Rollen zuzuschreiben“, sagt Grätz. Und nicht wenige Darstellungen sind humorvoll, wie Marion Finks Arbeit zum Beispiel. Die Künstlerin arbeitet in Berlin und Potsdam und hat für „Nude“ eine Frau im Internet gekauft. Besser gesagt 3D-Body Texture Maps, die sich im virtuellen Raum mithilfe eines iPads zu einer Frau formen. Letztere betritt sodann einen Marmorsockel und nimmt ihre Scham bedeckend eine für die Antike typische Körperhaltung ein, die als Schönheitsideal galt. Bis eine weitere Version ihrer selbst den Raum betritt und sie von hinten erschlägt.

Er existiert wohl nicht, der weibliche Blick – so viel ist nach dem Ausstellungsbesuch klarer geworden. Aber der selbstbestimmte Blick, der existiert. Geprägt von Umständen und eigenen Visionen. Und der gibt viel mehr preis.

Villa Schöningen, Berliner Straße 86, geöffnet samstags und sonntags, 12 bis 18 Uhr, Ausstellung bis 1. Oktober

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