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Potsdam: Potsdam fühlt sich groß

Verwaltung sieht sich im Vergleich der Landeshauptstädte ganz weit vorn, Ost und West noch uneins

Potsdam wächst auf Rekordniveau – die Eingemeindungen aus dem Jahr 2003 haben dafür gesorgt, dass die Landeshauptstadt im Februar oder März erstmals in ihrer Geschichte die Marke von 150 000 Einwohnern knacken wird. Damit gehört Potsdam zu den neun Landeshauptstädten der Bundesrepublik, die in den vergangenen zehn Jahren gewachsen sind. Wie Rainer Pokorny von der Stadtverwaltung gestern sagte, habe Potsdam in diesem Zeitraum prozentual die meisten Einwohner aller 16 Landeshauptstädte gewinnen können. Allerdings, ohne die Eingemeindung von sieben Orten aus Potsdam-Mittelmark mit mehr als 11 000 Menschen vor vier Jahren würde Potsdam noch immer weniger Einwohner als am Ende der DDR-Zeit haben – in der Bezirksstadt lebten 1989 etwa 141 400 Potsdamer.

Trotz des Wachstums in den vergangenen Jahren ist Potsdam weiterhin zweitkleinste Landeshauptstadt der Bundesrepublik – nur Schwerin in Mecklenburg- Vorpommern ist kleiner. Das geht aus dem aktuellen Vergleich der Landeshauptstädte – inklusive der Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen – hervor, den Pokorny gestern in Potsdam vorstellte. Resümee Pokornys: Potsdam liegt im ersten Drittel des Städtevergleichs. Markanteste Vergleichspunkte dabei: Die Bevölkerung ist mit 41,6 Jahren hinter den Mainzern und Kielern die drittjüngste aller Landeshaupstädte, Potsdam hat mit 144 Studenten je 1000 Einwohner den zweithöchsten Studentenanteil nach Mainz, Potsdam hat die höchste Quote an Kindergartenplätzen, es hat die höchste Kaufkraft der fünf ostdeutschen Landeshauptstädte sowie die größte Steigerungsrate im Bereich der Übernachtungsgäste. Von Januar bis September 2007 meldeten die Hotels 643 341 Übernachtungen, dies ist ein Plus von 5,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Daher sei von einem erneuten Rekordjahr für Potsdam auszugehen, hieß es gestern.

Freien Spielraum für Interpretationen lässt Pokorny bei der Frage zu, warum die Eltern Neugeborener in den ostdeutschen Städten nur selten verheiratet sind. In Potsdam haben 53 Prozent der Babys unverheiratete Eltern, in Erfurt sind es gar 63,9 Prozent, während die Quote in Stuttgart bei 20,4 Prozent und in Hamburg bei 33,1 Prozent liegt.

Vor allem eines macht der Vergleich der Landeshauptstädte, den die Stadt Potsdam seit 1995 erstellt und den anderen Städten zur Verfügung stellt, deutlich: Leben und arbeiten in Ost und West sind weiter sehr unterschiedlich. Der Anteil von Angestellten in öffentlichen Verwaltungen liegt in den ostdeutschen Landeshauptstädten deutlich über zehn Prozent (Potsdam 12,7), während er in Städten wie München bei 5,6 und Saarbrücken bei 7,7 Prozent liegt. Dagegen ist die Baubranche, gemessen an der Gesamtanzahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs, im Osten ein größerer Arbeitgeber als im Westen. Verarbeitendes Gewerbe spielt dagegen auf dem Gebiet zwischen Erzgebirge und Rügen eine untergeordnete Rolle. Das habe mit dem Zusammenbruch der DDR und deren Wirtschaft zu tun, sagte Pokorny. Bis auf Dresden hätten sich die Landeshauptstädte davon nie erholt und seien überwiegend Dienstleistungszentren. Absolutes Schlusslicht in dem Bereich ist Potsdam: Nur drei Prozent der Angestellten sind in der Industrie tätig. Zum Vergleich, in Berlin sind es 11 Prozent, in Dresden 15 Prozent, in München 18,9 und in Stuttgart 23,1 Prozent. Dies habe Auswirkungen auf die Steuereinnahmen, sagte Pokorny. Da vor allem Industriebetriebe Gewerbesteuer zahlen, sei dies für westdeutsche Landeshauptstädte eine starke Einnahmequelle.

Auch ein Blick in die Kriminalitätsstatistik der 16 Städte verdeutlicht, dass der Anteil der Tatverdächtigen Jugendlichen im Osten höher ist als im Westen. Dabei ist Schwerin die Landeshauptstadt mit der höchsten Kriminalitätsrate pro 1000 Einwohner. Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit Opfer einer Straftat zu werden dort doppelt so hoch wie in Dresden, München, Stuttgart oder Wiesbaden. Zudem sind mehr als ein Drittel der Tatverdächtigen in Schwerin unter 21 Jahre. In süddeutschen Großstädten ist es dagegen nur jeder Fünfte, in Potsdam sind es knapp 30 Prozent. Im Ranking der sichersten Städte platziert sich Potsdam auf Rang 5, Berlin ist Zwölfter.

Interessant ist die Herkunft der Zu- und Wegzügler aus den Städten: In neun westdeutschen Landeshauptstädten und Berlin ist der Anteil an Ausländern, die in die Stadt ziehen größer als der Anteil der Wegzügler. In ostdeutschen Städten ist dies umgekehrt – unter den Menschen, die die Stadt verlassen sind mehrAusländer als unter den Zuzüglern.

Die Stadtverwaltung zog gestern ein positives Fazit aus dem Vergleich. Potsdam hätte sich behauptet. Und wenn jeder Potsdamer der Stadt 265 Euro überweisen würde, wäre sie laut dieser Statistik auch noch schuldenfrei.

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