Ausgrabungen am Nuthewinkel: Pendler im Dienste Roms
Am Nuthewinkel haben Archäologen ein großes germanisches Dorf freigelegt. Einige Funde lassen vermuten, dass die männlichen Krieger im Sold römischer Kaiser standen
Gewohnt haben sie am Ufer der Nuthe, der Arbeitgeber aber saß möglicherweise gut 1500 Kilometer entfernt im mächtigen Rom. Bei einer archäologischen Grabung auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei am Nuthewinkel in der Teltower Vorstadt wurde eine Reihe bedeutender Funde entdeckt, die vermuten lassen, dass schon zur römischen Kaiserzeit vom Gebiet der heutigen Stadt Potsdam aus zur Arbeit gependelt wurde. Auf einer Fläche von rund 30 000 Quadratmetern zwischen Nuthestraße und Heinrich-Mann-Allee haben Archäologen ein komplettes germanisches Dorf mit knapp 40 Gebäuden freigelegt, darunter Wohnhäuser, Ställe und Werkstätten sowie ein Brunnen. Außerdem fanden die Experten unter anderem mehrere Bronzebeschläge römischen Ursprungs, die zur Ausrüstung germanischer Hilfstruppen im Dienste Roms gehört haben könnten. Experten zufolge ist es der erste Fund dieser Art in Brandenburg.
Dass auch Germanen aus Regionen, die vergleichsweise weit von römischem Gebiet entfernt gelebt haben, für das Imperium gekämpft haben, ist belegt, sagt Rene Bräunig, Geschäftsführer der Grabungsfirma AAB Archäologische Ausgrabungen und Bauprojektbetreuung aus Berlin, die mit der Sicherung der Funde auf dem ehemaligen Gärtnereigelände beauftragt ist. „Es gibt dafür sogar einen Beleg aus der Nähe von Potsdam. In Kemnitz bei Werder wurden in einem Grab Silberbeschläge gefunden, die eine Darstellung aus der bei mehreren römischen Kaisern äußerst beliebten Herakles-Sage zeigen. Diese Gürtel sind für bestimmte Leute hergestellt worden. Man könnte sogar davon ausgehen, das der bei Kemnitz Bestattete in der kaiserlichen Leibgarde gedient hatte“, so Bräunig. Diese habe bekannterweise ausschließlich aus Germanen bestanden.
Stattgefunden haben die Grabungen in Potsdam in Vorbereitung auf den Bau mehrerer neuer Einfamilienhäuser auf dem Areal durch das schwedische Bauunternehmen NCC. Jetzt, wo fast alle archäologischen Spuren gesichert sind, sollen die Bagger möglichst bald anrücken. Außer den muschelförmigen Bronzebeschlägen, wie sie zwischen dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus am Pferdegeschirr germanischer Reitertrupps in römischem Sold zu finden waren, haben Bräunig und seine zehn Mitarbeiter am Nuthewinkel auch zwei römische Münzen, mehrere Tonscherben und ein bronzenes Joch ausgegraben, das zu einem römischen Transportwagen gehört haben müsste. „Ich kenne diese Jochaufsätze eigentlich nur von Grabungen auf römisch-germanischen Schlachtfeldern wie in Kalkriese oder am Harzhorn“, sagt der Geschäftsführer der Grabungsfirma. Entweder sei das Joch aus Potsdam ebenfalls ein Mitbringsel eines germanischen Söldners, der in sein Heimatdorf zurückgekehrt ist, oder Bewohner der Siedlung haben das Joch vom Schlachtfeld mitgebracht. Immerhin habe die Schlacht am Harzhorn, bei der um 230 nach Christus der damalige römische Kaiser Maximinus Trax eine herbe Niederlage gegen die Germanen einstecken musste, nur rund 300 Kilometer vom Dorf an der Nuthe entfernt stattgefunden.
Den Wissenschaftlern zufolge war das Potsdamer Germanendorf vermutlich durchgehend vom 1. bis zum 4. Jahrhundert nach Christus bewohnt. Möglicherweise gehörten seine Bewohner dem elbgermanischen Stamm der Semnonen an. „Ausschlaggebend für die Siedlung war sicherlich die Lage an der Nuthe“, meint Bräunig. Das glaubt auch Gundula Christl von der Unteren Denkmalschutzbehörde Potsdams. „Die Nuthe war eine richtige Siedlungsachse, das haben auch andere Funde gezeigt. Schließlich ist man mit dem Schiff auch schnell auf der Havel“, erläuterte die Stadtarchäologin. Über die Frage, wie viele Bewohner das Dorf wohl gehabt haben dürfte, wollen die Wissenschaftler lieber nicht spekulieren. „Es ist auf jeden Fall ein recht großes Dorf“, meint ABB-Chef Bräunig.
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