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Während im vergangenen Jahr die Böden teilweise durchnässten, trockneten sie im Sommer 2018 zuweilen völlig aus. 
© P. Pleul/dpa

Potsdamer Geoforscher Achim Brauer im Interview: „Panik ist ein schlechter Ratgeber“

Der Geoforscher Achim Brauer spricht im Interview über die diesjährige Dürre, die Regenfluten 2017, Folgen für die Potsdamer Parks und Probleme durch das schnelle Wachstum der Stadt.

Herr Brauer, die Felder Brandenburgs haben von April bis Oktober kaum Regen gesehen – ein halbes Jahr waren sie staubtrocken. Wird das Land in Zukunft wirklich zur Steppe, wie es vor einigen Jahren hieß?
 

Mit solchen Aussagen wäre ich sehr vorsichtig. Wir haben noch nicht ausreichend verstanden, wie sich die Klimaänderung bei uns auswirken wird und wie diese Änderungen mit anderen Umweltveränderungen in Wechselwirkung stehen. Wir haben aber erkannt, dass wir im Bereich der Anpassung an den Klimawandel handeln müssen, solange wir mit dem Klimaschutz nicht vorankommen, wie es derzeit leider den Anschein hat.

Kein Grund zu Panik also?

Panik ist ein schlechter Ratgeber. Wir müssen uns aber auf Änderungen einstellen und dabei besonders die Wetterextreme im Blick behalten. Durch die Ereignisse der vergangenen Jahre sind viele Beteiligte inzwischen ausreichend sensibilisiert, sodass wir uns besser auf kommende Entwicklungen vorbereiten können. Grundsätzlich werden wir aber vor Überraschungen nie sicher sein.

Achim Brauer
Achim Brauer
© GFZ

Es gab nicht nur trockene Jahre in der jüngsten Zeit. Haben wir nun zu viel oder zu wenig Wasser in der Region?

Beides. Im vergangenen Jahr hatten wir deutlich zu viel Niederschlag und Extremniederschläge mit überfluteten Straßen und Ortschaften. Bei solchen Starkregen haben wir dann vor allem in den großen Städten wie Berlin Probleme mit dem Abfließen des Wassers, weil die Infrastruktur für solche Ereignisse nicht ausgelegt ist. Es gab auch eine Vernässung der Böden, was für die Landwirtschaft und die Bearbeitung der Felder negative Auswirkungen hatte. In diesem Jahr hatten wir nun das andere Extrem: ein sehr trockenes Jahr mit ganz anders gelagerten Problemen, wie Waldbrand und Ernteausfällen. Wir haben also ganz unterschiedliche Auswirkungen beim Niederschlag, die sich in den vergangenen beiden Jahren in ihren Extremen gezeigt haben.

Letztes Jahr zu viel, dieses Jahr zu wenig – das könnte sich nun doch beim Grundwasser die Waage halten?

Die Situation mit dem Grundwasser ist komplizierter. Die Neubildung findet nur im Winter statt, während im Sommer die Grundwasserspeicher normalerweise verbraucht werden. Das fand im vergangenen Jahr nicht statt, da es in unserer Region so viel geregnet hat, dass auch im Sommer die Grundwasserstände hoch waren. Dafür sind die Speicher dann in diesem Sommer stark angegriffen worden. Von einem Ausgleich kann man dabei aber nicht sprechen. Wenn die Speicher voll sind, fließt das überschüssige Wasser ab und kann dabei zu Bodenerosion führen. Dieses Wasser lässt sich bei zu großer Trockenheit nicht einfach wieder hervorzaubern. Nach diesem sehr trockenen Jahr müssen wir jetzt auf Niederschlag im Winter hoffen, damit sich die Speicher wieder auffüllen.

Ihre Einschätzung zum aktuellen Jahr mit Blick auf die vergangenen Jahrzehnte?

Wenn wir in unsere Messreihen und Aufzeichnungen schauen, ist eine so lang anhaltende Trockenheit schon sehr außergewöhnlich. Es gab aber auch früher schon ähnliche Situationen, die etwas länger zurückliegen, sodass sie etwas in Vergessenheit geraten sind. Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an 1976, das ebenfalls ein sehr trockenes Jahr war. Das wahrscheinlich trockenste Jahr des Jahrtausends war 1540 mit einer noch viel länger anhaltenden Trockenheit als dieses Jahr. Auch auf solche Ereignisse sollten wir uns einstellen. Wenn man noch weiter in die Erdgeschichte zurückblicken möchte, hat man keine Messwerte mehr, sondern muss Informationen aus geologischen Spuren, wie Seespiegelveränderungen, herauslesen. Daraus wissen wir, dass zum Beispiel am Anfang unserer jetzigen Warmzeit vor etwa 10 000 Jahren die Seespiegel noch deutlich niedriger waren als nach diesem Trockensommer.

Und wenn sich das die kommenden Jahre fortsetzt?

Das ist sehr spekulativ. Wenn es mehr als zwei oder drei vergleichbare Trockenjahre hintereinander geben würde, wäre das eine neue Situation mit weitreichenden Konsequenzen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat aber gezeigt, dass wir eher einen Wechsel unterschiedlicher Extreme haben.

In Berliner Untergrund macht sich auch das einstige Urstromtal bemerkbar. Hier ist noch reichlich Wasser vorhanden. Kann der Ausnahmesommer 2018 daran etwas ändern?

Durch die Havel steht das Grundwasser immer sehr hoch, zum Teil ein bis zwei Meter unter der Oberfläche. Die Trockenheit in diesem Sommer wird eventuell zu einer kleinen Verringerung führen, aber keine größeren Auswirkungen haben. Schwierigkeiten in der Bundeshauptstadt gibt es vor allem bei Starkregen und mit dem Abfluss der Wassermengen, wie man nach dem Unwetter im Juni letzten Jahres sehen konnte. Da hat sich gezeigt, dass die bestehende Infrastruktur auf solche Wassermengen nicht ausgelegt ist. Da wird jetzt auch reagiert, indem man zum Bespiel rechtzeitig an gefährdeten Unterführungen Warnhinweise anbringt, damit keine Menschenleben gefährdet werden. Die Anpassung der Infrastruktur ist natürlich langwieriger und auch mit hohen Kosten verbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der notwendigen Bautätigkeiten eine zunehmende Versiegelung eintritt, die die Probleme eher noch verschärft. Hier müssen wir umdenken und schon bei der Planung von Neubaugebieten auch geeignete Maßnahmen zur Abführung großer Wassermengen einbeziehen. Es geht also auch darum, sowohl direkt, als auch mittel- bis langfristig auf die Ereignisse zu reagieren.

Und in Potsdam?

In Potsdam ist der Grundwasserspiegel im Bereich der vielen Gewässer ebenfalls hoch, aber der hohe Wasserverbrauch in den trockenen Monaten dieses Jahres hat gezeigt, dass auch hier die langfristigen Planungen der Wasserversorgung angepasst werden müssen. Allerdings ist das nicht nur ein Problem von extremen Wettersituationen, sondern hier spielt vor allem das schnelle Wachstum der Stadt mit zunehmend steigendem Wasserbedarf eine große Rolle.

Wasser spielt auch für die zahlreichen historischen Gärten in der Region eine wichtige Rolle.

Der Babelsberger Park zum Beispiel befindet sich auf einer sandigen Hochfläche. Hier muss also bei Trockenheit extrem viel gewässert werden, was einen großen Personal- und damit Kostenaufwand bedeutet. Dann stellt sich für die Gärten auch die Frage, ob Gehölze nachgepflanzt werden sollen, die besser mit Trockenheit klarkommen. Daraus entsteht wiederum ein komplizierter Interessenskonflikt, weil es auch um den Erhalt des Parks und seines künstlerischen Wertes im ursprünglichen Zustand – mit der entsprechenden Bepflanzung – geht. Der Konflikt zwischen Erhalt in originaler Form und Anpassung an die sich ändernde klimatische Situation muss nun diskutiert werden. Hinzu kommt, dass bei Starkregen wie im vergangenen Jahr zusätzlich hohe Kosten entstehen, weil es auch durch Erosion zu Schäden besonders auf den Wegen kommt, die behoben werden müssen.

Die Bäume müssen nicht nur Dürre abkönnen…

Im vergangenen Jahr hatten wir die außergewöhnliche Situation eines sehr frühen Herbststurms Anfang Oktober. Da hatten die Bäume noch Blätter und die Böden waren durch die starken Niederschläge im Sommer durchnässt und haben den Wurzeln keinen Halt geben können, sodass bei dem Orkan „Xavier“ auch in Brandenburg-Berlin sehr viele Bäume umgestürzt sind. Das traf nicht nur alte und kranke Bäume, sondern auch junge gesunde.

Was muss beim Thema Wasser nun Priorität haben?

Bei der Trinkwasserbedarfsplanung für die kommenden Jahrzehnte muss neben dem Bevölkerungswachstum und steigendem Pro-Kopf-Wasserverbrauch auch das Auftreten von extremen Jahren mit länger anhaltender Trockenheit einkalkuliert werden. Im Bereich des Abwassermanagements muss die Infrastruktur mittelfristig besser an extreme Starkregenereignisse angepasst werden. Bei der Planung von Neubaugebieten mit Oberflächenversiegelung müssen geeignete Maßnahmen getroffen werden, um den schnellen Wasserabfluss zu gewährleisten.

Der Wasserverbrauch in der Region war doch eigentlich rückläufig?

Der Wasserverbrauch in Potsdam war nach der Wende tatsächlich stark zurückgegangen. Nun steigt er aber vor allem durch das rasante Bevölkerungswachstum wieder deutlich an. Wenn dann ein trockener Sommer wie dieses Jahr hinzukommt, steigt der Wasserverbrauch zusätzlich noch einmal.

Wie kann das GFZ Potsdam hier weiterhelfen?

Wir arbeiten im Bereich der Baumringforschung zu Fragen, wie sich extreme Wetterbedingungen auf die unterschiedlichen Baumarten auswirken und gehen der Frage nach, wie sich die Häufigkeit bestimmter Extremereignisse über längere Zeiträume von hunderten Jahren, aus denen wir keine Wetter-Messdaten haben, verändert haben. Die Auswertung solch langer Zeitreihen gibt uns auch die Möglichkeit, sehr seltene und besonders starke Extremereignisse zu untersuchen. Das trifft in gleichem Maß für unsere Forschungen an Seen zu, wo wir zum Beispiel zeigen, wie stark Seespiegel in unserer Region tatsächlich sinken können. Damit liefern wir Informationen, auf welche Situationen wir uns bei fortschreitendem Klimawandel einstellen müssen. Wir untersuchen aber auch die Gründe für Seespiegelveränderungen, die nicht nur vom Klima abhängen.

Mit welchem Ergebnis?

Ein Faktor dabei ist auch die Vegetation, die einen Einfluss auf die Grundwasserneubildung hat. So verbrauchen Kiefern in der Wachsphase das gesamte Niederschlagswasser, das dann den grundwassergespeisten Seen nicht zur Verfügung steht. Dasselbe trifft auch für bestimmte Nutzpflanzen wie zum Beispiel Mais zu. Ein weiterer Faktor sind die Menschen, die seit dem Mittelalter den Landschaftswasserhaushalt stark verändert haben. So gab es Zeiten, in denen man die Landschaft entwässert hat, um landwirtschaftliche Flächen zu gewinnen, während man heute mit Maßnahmen zur Wiedervernässung aus ökologischen Gründen Feuchtgebiete wiederherstellen möchte. Wir am GFZ untersuchen, welchen Anteil die unterschiedlichen Faktoren an den beobachteten Änderungen haben.

Am GFZ traf sich jüngst der Forschungsverbund „Regionale Klimaänderungen“ Reklim. Mit welchem Fazit?

Beim Wasser spielt nicht nur allein das Klima eine Rolle. Es gibt eine ganze Menge anderer Faktoren, wie zum Beispiel die Bevölkerungsentwicklung und Eingriffe in den Landschaftswasserhaushalt, die zu berücksichtigen sind. Der Klimawandel findet statt, und so lange wir nicht in der Lage sind, dies in den Griff zu bekommen, müssen wir uns verstärkt um Anpassung bemühen. Es ist Aufgabe der Wissenschaft und besonders des Reklim-Verbundes der Helmholtz-Gemeinschaft, Informationen bereitzustellen, mit welchen Auswirkungen des Klimawandels wir auch in unserer Region zu rechnen haben und die Daten zu liefern, mit denen wirksame Anpassungsmaßnahmen gestaltet werden können.

Das Gespräch führte Jan Kixmüller

Achim Brauer ist am Geoforschungszentrum Potsdam Leiter der Sektion 5.2 „Klimadynamik und Landschaftsentwicklung“ und Direktor des Departments 5 „Geoarchive“.

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