Mit der "Polarstern" in der Arktis: Noch 289 Kilometer bis zum Nordpol
Polarexpedition "Mosaic": Seit Oktober driften die Forscher durchs Polarmeer. Geleitet wird die größte Arktisexpedition aller Zeiten von einem Potsdamer Forscher. Jetzt war Schichtwechsel.
Nach den Feiertagen hatten die Forscher der Polarexpedition „Mosaic“ erst einmal mit sich selbst zu tun. Denn an den Weihnachtstagen wurde an Bord des Forschungsschiffs „Polarstern“ richtig geschlemmt. Ein paar Tage später traf sich dann der sogenannte „Wiegeclub“ – um die Gewichtszunahmen zu erfassen, wie der Kapitän erzählt. Wissenschaftler erheben eben gerne Daten. Der Club hat bereits Tradition an Bord des Schiffes, das regelmäßig auf Forschungsreise geht.
In diesen Wochen ist die „Polarstern“ auf einer ganz besonderen Expedition unterwegs. Auf einer Eisscholle driftet sie seit Oktober durch das Polarmeer. Zum ersten Mal soll so das gesamte Klimasystem in der Zentralarktis erforscht werden. Das Budget dafür beträgt den Angaben zufolge rund 140 Millionen Euro. Erst im Oktober 2020 wird das Schiff in Bremerhaven zurück erwartet.
Geleitet wird die Expedition von Markus Rex von der Potsdamer Forschungsstelle des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI). Die erste Phase der „Mosaic“-Expedition ist nun abgeschlossen. Bei Temperaturen von bis zu minus 30 Grad wurde die Crew der Polarstern im Dezember ausgetauscht. Das vollständig aufgebaute Camp werde nun an die Forscher des nächsten Abschnitts übergeben, erklärten die Forscher am 8. Januar. Expeditionsleiter Markus Rex, der an der Universität Potsdam eine Professur für Atmospherische Physik inne hat, übergab die wissenschaftliche Verantwortung vor Ort an seinen Kollegen Christian Haas, der zusammen mit anderen Team- und Crew-Mitgliedern an Bord des russischen Versorgungs-Eisbrechers „Kapitan Dranitsyn“ zur „Polarstern“ gekommen war. Markus Rex bleibt weiterhin der Leiter der Expedition und wird für den vierten Abschnitt der Expedition, voraussichtlich im April 2020, wieder auf das Schiff zurückkehren.
„Die erste Phase der Expedition war nicht leicht“, so Rex. „Das Eis ist mit unter einem Meter ungewöhnlich dünn, sehr dynamisch und in ständiger Bewegung.“ Sehr häufig habe es neue Risse und Spalten im Eis gegeben, mehrere Meter hohe Presseisrücken hätten sich gebildet – Gebirge aus Eis, in denen sich die Schollen durch Druck hoch übereinander auftürmen. Mehrfach sei Ausrüstung unter Eis begraben worden, die von der Besatzung geborgen werden musste, erzählt Rex.
Dennoch haben man sich an diese Eisdynamik gut angepasst. „Wir konnten praktisch durchgehend die so dringend benötigten Daten aus dieser Region messen“, so der Forscher. Mitte November hatte dann ein heftiger Sturm mit Windgeschwindigkeiten um die 100 Stundenkilometer einen 30 Meter hohen Messturm umknicken lassen und Bereiche des Eiscamps um hunderte Meter gegeneinander verschoben, hieß es vom AWI weiter. Der wissenschaftliche Ertrag aber sei wertvoll: Noch nie seien die Auswirkungen eines solchen Sturms auf das arktische Klimasystem so umfassend dokumentiert worden. „Das neue Team sieht nun der dunkelsten und kältesten Forschungsperiode entgegen: dem bislang unerforschten arktischen Winter“, so das AWI.
„Mosaic“ steht für „Multidisciplinary drifting Observatory for the Study of Arctic Climate“. Die „Polarstern“ hat sich dafür auf einer etwa 2,5 mal 3,5 Kilometer messenden Scholle festfrieren lassen und driftet seit Oktober auf dem Eis durch die Arktis – nach dem Vorbild des norwegischen Forschers Fridtjof Nansen vor 125 Jahren. Bislang hat die „Polarstern“ vom Festmachen an der Scholle bis zum Dienstag, 14. Januar 2020, 308 Kilometer zurückgelegt. Die Distanz bis zum Nordpol betrug am Dienstag 289 Kilometer. Während der insgesamt ein Jahr dauernden Expedition werden etwa 300 Wissenschaftler aus 16 Ländern an Bord sein. Ziel ist die Erkundung des Klimasystems in der Zentralarktis. Es sei die bislang größte wissenschaftliche Expedition dieser Art, hieß es. Besonders gespannt sind die Forscher nun, ob es weiterhin zu Warmlufteinbrüchen in die Zentralarktis kommt, wie sie in den vergangenen Jahren im Dezember und Januar beobachtet wurden – und ob diese sogar zu Regen am Nordpol im Winter führen können.
Auf ihre Reise wechseln die Forscher häufig die Zeitzonen. Als es zum Jahreswechsel ums Anstoßen ging, mussten sie genau aufpassen, wann sie überhaupt ins neue Jahr fuhren. „Der traditionelle Zeitbegriff verliert in der Polarnacht und dicht in der Nordpolumgebung etwas seine Bedeutung“, so Rex. Die Längengrade, die die Zeitzonen festlegen, würden innerhalb kurzer Zeit überquert. Angestoßen wurde dann schließlich nach Moskauer Zeit.
(mit dpa)
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