Potsdam bekennt Farbe: Neonazi-Aufmarsch: Jakobs ruft zu Demo „gegen Hass und Hetze“ auf
Linke Aktivisten wollen Neonazi-Aufmarsch am Sonntag verhindern. Polizei sieht sich gut vorbereitet.
Potsdam/Jägervorstadt - Vor dem am Sonntagnachmittag geplanten Neonazi-Aufmarsch am Justizzentrum in der Jägerallee mit Gegendemonstrationen und Blockadeaufrufen gibt sich die Polizei gut vorbereitet. Es sei eine umfangreiche Lagebeurteilung und Personalplanung erfolgt, sagte ein Sprecher der für den Einsatz zuständigen Polizeidirektion West in Brandenburg/Havel am Donnerstag auf PNN-Anfrage: „Die Polizei sieht sich insofern in der Lage, allen angemeldeten und bestätigten Versammlungen eine friedliche Durchführung zu ermöglichen.“
Für die Demo der Rechten zum sogenannten Tag der politischen Gefangenen wird in sozialen Netzwerken ab 14 Uhr mobilisiert, man will für die Freilassung verurteilter Neonazis eintreten. Zu einer Gegenkundgebung unter dem Motto „Für eine menschenfreundliche Gesellschaft ohne Hass und Hetze“ hat das parteiübergreifende mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) an der Spitze aufgerufen. „Wenn neonationalsozialistische Kräfte in unserer Stadt Geschichtsrevisionismus betreiben, müssen sie selbstverständlich mit entschiedenem Widerspruch rechnen“, heißt es in dem Aufruf des Bündnisses, dessen Kundgebung ab 14 Uhr in der südlichen Jägerallee geplant ist. Man wolle mit der Gegenaktion zeigen, dass Potsdam „ein Aushängeschild ist für Weltoffenheit und ein friedliches Miteinander“, heißt es in dem Bündnisaufruf.
Im Internet rufen Gruppen dazu auf, den Aufmarsch von Neonazis in Potsdam zu verhindern
Auch von Norden ist eine Gegenaktion vorgesehen. Die Linken-Landtagsabgeordnete Isabelle Vandré hat ab 13 Uhr eine Demonstration angemeldet, die von der Wilhelmgalerie über die Friedrich-Ebert-Straße und den Reiterweg in die Jägerallee führt – direkt vor das Restaurant „Speckers Landhaus“.
Zudem gibt es im Internet bereits Aufrufe, die Kundgebung der Neonazis zu verhindern. „Wir sind viele, wir sind mehr und gemeinsam werden wir ihre Kundgebung zum Desaster machen!“, heißt es in einem im Internet veröffentlichten Aufruf der Emanzipatorischen Antifa Potsdam. Und: „Wir werden diese Kundgebung zu verhindern wissen.“ Warm anziehen werden sich beide Seiten müssen. Für Sonntagnachmittag werden Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt erwartet, dazu aber Sonnenschein.
Unterdessen werden Hintergründe zu dem Aufmarsch bekannt. Wer genau die Kundgebung angemeldet hat, ist zwar nicht abschließend geklärt, auf den Mobilisierungsseiten im Internet hält man sich bedeckt. Allerdings finden sich dort in der Region gefertigte Aktionsfotos und Videoclips zum „Tag der politischen Gefangenen“, die nach PNN-Informationen beispielsweise in den leer stehenden Löwen-Adler-Kasernen in Wustermark (Havelland) entstanden sind, wo in den 1930er-Jahren das Heer des NS-Staates untergebracht war. Auf den Fotos und Videos sind mehrere vermummte Personen erkennbar die Parolen an Wände schreiben, Luftballons steigen lassen oder Fahnen und Banner zeigen – so wird etwa die Freilassung der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gefordert. Ebenso sind eine schwarz-weiß-rote Reichsfahne sowie eine Fahne von sogenannten „Freien Kräften“ deutlich erkennbar – gemeint sind Gruppen von parteilosen Neonazis.
„Internationaler Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“ wurde ursprünglich von Linken ins Leben gerufen
Ohnehin ist anhand der bisher veröffentlichten Mobilisierungsaufrufe zur Demo in Potsdam erkennbar, dass offenbar vor allem „Freie Kräfte“ aus Westbrandenburg eine federführende Rolle spielen. Und insbesondere Gruppierungen aus der Prignitz und Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) werben für die Kundgebung in den sozialen Netzwerken, einige ihrer Akteure sind trotz Verschleierung der Gesichter auf den besagten Fotos erkennbar. Das ist nicht ungewöhnlich: Aktivisten der Freien Kräfte Neuruppin traten in den vergangenen Jahren bereits mit Potsdamer Neonazis unter dem Label „Asylhütte in Potsdam? Kannste knicken!“ in Erscheinung. Es ist übrigens auch nicht das erste Mal das westbrandenburgische Neonazis solche Solidaritätskundgebungen für verurteilte Gesinnungsgenossen organisieren – so versammelten sich etwa am 24. Oktober 2015 rund 80 Neonazis unter dem Motto: „Die Gedanken sind frei“ vor dem Amtsgericht in Neuruppin.
Bemerkenswert in Potsdam ist aber, dass man hier mit dem Tag der politischen Gefangenen offenbar bewusst an extrem linke Vorbilder anknüpft. Der 18. März wurde nämlich ursprünglich 1923 unter dem Motto „Internationaler Tag der Hilfe für die politischen Gefangenen“ von der „Internationalen Roten Hilfe“ ins Leben gerufen und 1996 von der Roten Hilfe wiederbelebt – die auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das Datum soll aus linker Sicht an Aufstand und Zerschlagung der Pariser Kommune im Jahr 1871 erinnern.
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