Spenden für Hochwasser-Opfer in der Eifel: Nach der Flut die Welle der Hilfe
Eine Potsdamer Spendenaktion unterstützt den Wiederaufbau im Ahrtal und sichert Existenzen. Bisher kamen schon mehr als 100.000 Euro zusammen.
Potsdam/ Bad Neuenahr - Der 44 Jahre alte Kurde Ali Topalca hatte sich in der 700-Seelen-Gemeinde Schuld im rheinland-pfälzischen Kreis Ahrweiler eine solide Existenz aufgebaut. Seine Pizzeria florierte, vor einem Jahr kaufte er ein Haus. Am Abend des 14. Juli, als sintflutartige Regenfälle im Ahrtal Häuser, Autos und Schienenstränge mit sich rissen, verlor er alles. „Von seinem Haus blieb ihm nur der Kredit“, sagt der Potsdamer Sebastian Frenkel.
Pizzaofen für das Sichern der Existenz im Ahrtal
Seit vergangenem Dienstag sieht der Pizza-Bäckers wieder mit etwas Zuversicht in die Zukunft. Frenkel, der Freunde in der heimgesuchten Mittelgebirgslandschaft hat und sofort die Spendenaktion „Potsdam hilft der Eifel“ ins Leben rief, machte sich in der Nacht mit Ole Bemmann, Inhaber der „Huckleberrys“- Floßstation, zum wiederholten Mal auf den 650 Kilometer weiten Weg ins Krisengebiet. An Bord hatten die Männer nicht weniger als die Existenzsicherung für Ali Topalca, dessen 38-jährige Frau Sebiha, die sechsjährige Tochter und den elf Jahre alten Sohn.
Ein aus Spendengeldern finanzierter 3000 Euro teurer Pizzaofen wird an Bord gehievt. Der Anhänger, auf dem der Kurde bald wieder Pizza backen kann, steht schon an der Ahr bereit. Die in Potsdam residierende Deutschland-Zentrale des IT-Beratungsunternehmens iSQI hat 5000 Euro für das Gefährt gespendet. Frenkel, Fotograf und Inhaber einer Werbeagentur, klebte noch schnell großlettrige Werbung auf: „Arya Grill & Pizzeria“.
„Was die Menschen aus Potsdam für uns getan haben, ist ein großes Licht für uns“, sagt Sebiha Topalca den PNN. Etwas schüchtern fügt ihr Mann hinzu: „Von Potsdam hatte ich noch nie etwas gehört.“ Als man am Abend in Schuld in einem Bundeswehrzelt zusammensitzt, würdigt Helmut Lussi, der Ortsbürgermeister, den Einsatz der Brandenburger. „Menschen wie Ali auf die Beine zu helfen, ist eine ganz tolle Leistung“, sagt er den PNN am Telefon.
Frenkel, der mit der Potsdamer Theaterklause-Gastronomin Lena Frenkel verheiratet ist, profitiert von seinem Bekanntheitsgrad. Er spricht das 123-Küchenstudio an – prompt spendet es eine neue Küche für das Ehepaar Svenja und Jürgen aus Schuld, dessen Inneneinrichtung weggespült worden ist. Ihr Sohn erhält ein neues Fahrrad.
Potsdamer Friseurin hilft Friseur-Azubi aus der Eifel
Bei ihm meldet sich auch die Friseurin Marion Ganse aus der Mittelstraße. Sie hat erfahren, dass ein Friseur zwei Geschäfte verloren – und die Auszubildende Mirna Kasoha plötzlich keine Lehrstelle mehr hat. „Da muss man doch helfen“, sagt Ganse. Am Montagabend fährt sie zum Hauptbahnhof und holt die 23-jährige Syrerin ab. Sie wird bei ihr in Bornstedt einige Wochen wohnen, bis ihr Ausbildungsplatz wieder hergerichtet ist. „Ich freue mich sehr, dass ich meine Ausbildung in Potsdam weitermachen kann“, sagt Mirna Kasoha den PNN.
An Bord des Lieferwagens haben die Helfer aus Brandenburg noch mehr: Potsdamer Künstler wie Mikos Meininger, Rainer Ehrt, Peter Rohn und Christian Heinze, aber auch die 84-jährige Rosemarie Steinbach, einst Kunsterzieherin an der Fachhochschule, stifteten Staffeleien, Leinwände, Papier und Zeichen-Utensilien. Sie wissen, dass die Flut das gesamte Werk etlicher Kolleg:innen an der Ahr vernichtet hat.
Der 70 Jahre alte Heiner Engel etwa verlor alle Zeichnungen, Malereien und Illustrationen. „Meine Seele ist gestorben“, sagt er den PNN, aber auch: „Ich kann kaum fassen, dass uns die Potsdamer so helfen. Ich bin völlig geflasht, dass es so etwas gibt“. Er soll nun auch beim Einbau einer neuen Heizung unterstützt werden.
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Sebastian Frenkel hat versucht, Patenschaften zwischen Potsdamern und den Flutopfern zu vermitteln. Aber die Spendenaktion hat mehr Resonanz gefunden, bis Dienstag waren auf den Spendenkonten bereits 103.365 Euro gebucht. Die größte Einzelspende, 20.000 Euro, ging vom Potsdamer Energieversorger Danpower ein.
„Wenn man in der Brandenburger Straße in der Mittagspause spazieren geht und die Schönheit der restaurierten Häuser bewundert, und wenn man dann die Bilder aus den Hochwassergebieten sieht, hat man schon das dringende Bedürfnis, etwas zu tun“, sagte Sven Schmieder, Vorsitzender der Geschäftsführung, den PNN.
Für die angedachte Hilfe fehlen noch 20.000 Euro
131 Bautrockner und 45 Stromgeneratoren haben Frenkel und Helfer gleich zu Beginn ins Katastrophengebiet geschafft, 50.000 Euro hat die Ersthilfe verschlungen. „Für die acht Menschen, denen wir jetzt noch helfen wollen, fehlen uns noch etwa 20.000 Euro“, sagt Frenkel.
Eine Friseurmeisterin etwa braucht dringend einen Waschsessel, einem Kfz- Mechaniker soll beim Aufbau seiner verwüsteten Werkstatt geholfen werden. Ein pensionierter Oberstleutnant lebt mit Frau und drei Hunden in einem Wohnmobil, er soll beim Kauf eines Wohnzimmers in seiner neuen Wohnung unterstützt werden.
Von der Rückkehr zur Normalität aber ist das Ahrtal noch weit entfernt. „Die Menschen hier sind noch immer von Schutt umgeben“, sagt Frenkel, „der modrige Geruch ist penetrant“. Die gedrückte Stimmung der Rheinländer versucht Andrea Bemmann, die Frau Ole Bemmanns, aufzuhellen.
Sie betreibt eine Art Telefonseelsorge, spricht abends, oder wenn ihr Baby mittags schläft, mit Flutopfern aus dem Ahrtal. Sie hört die schrecklichen Schilderungen der Flutnacht und spürt, „dass die Menschen sich dort freuen, dass sich jemand, der weit weg ist, um sie kümmert“.
Spendenkonten: Über Paypal: paypal.me/sebastianfrenkel, per Überweisung: IBAN: DE65120700240303202600, Empfänger: Sebastian Frenkel, Verwendungszweck: Eifelhilfe
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