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Ermittlungen in Potsdam: Millionen-Betrug: Leitende Mediziner am Klinikum unter Verdacht

Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreueverdachts auch gegen zwei leitende Mediziner des städtischen Krankenhauses. Am Dienstag hatte es im Bergmann-Klinikum in Potsdam eine Razzia gegeben.

Potsdam - Wegen eines mutmaßlich millionenschweren Rezept-Betrugs ermittelt die Potsdamer Staatsanwaltschaft am kommunalen Klinikum „Ernst von Bergmann“. Deswegen gab es am Dienstagmorgen eine Hausdurchsuchung in dem Krankenhaus, wie Christoph Lange, Sprecher der Potsdamer Staatsanwaltschaft, den PNN am Dienstag auf Anfrage bestätigte. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung am Dienstagmittag berichtet.

Ermittelt werde derzeit gegen sechs Beschuldigte, es geht nach PNN-Informationen um vier Ärzte und zwei Apotheker. Sie sollen hochpreisige Medikamente gegenüber Krankenkassen falsch abgerechnet haben, sodass diesen ein mutmaßlicher Schaden in Höhe von mehreren Millionen Euro entstanden sei, erklärte Behördensprecher Lange. Weitere Details zu den Vorwürfen nannte er – auch aus ermittlungstaktischen Gründen – nicht. Die Untersuchungen in dem möglichen Untreuefall seien seit Monaten gelaufen, hieß es weiter. Nun besorgten sich die Ermittler die nötigen und von Richtern bestätigten Durchsuchungsbeschlüsse.

130 Polizisten bei bundesweiten Razzien im Einsatz

Der Personaleinsatz für die Razzia war groß. Neben der Aktion im Potsdamer Klinikum waren rund 130 Polizisten auch in Wohnungen, Laboren und Apotheken in Berlin, Hamburg, Rostock und Hennef (Nordrhein-Westfalen) unterwegs. Insgesamt wurden 28 Objekte untersucht. Auch acht Medizin-Experten waren im Einsatz. Beschlagnahmt wurden betriebliche Unterlagen wie Akten, aber auch Computer und CDs. Zudem wurden den Angaben zufolge Zeugen befragt. Die Ermittlungen stünden noch am Anfang, sagte Behördensprecher Lange der Nachrichtenagentur dpa.

Nach PNN-Informationen handelt es sich bei einem der Hauptbeschuldigten um einen renommierten Chefarzt am Bergmann-Klinikum. Auch gegen einen weiteren Chefarzt des Hauses soll wegen mutmaßlich falschen Abrechnungen ermittelt werden. Beides wollte Lange allerdings ausdrücklich nicht bestätigen. Er betonte allerdings, gegen die Geschäftsführung des Hauses werde nicht ermittelt. Auch Patienten kamen demnach nicht zu Schaden.

Sollte sich der Verdacht bestätigen drohen den Beschuldigten bis zu zehn Jahre Haft

Zu den Vorwürfen nahmen die Mediziner und das Krankenhaus auf PNN-Anfrage zunächst keine Stellung. Eine Klinikumssprecherin sagte lediglich, man unterstütze die Staatsanwaltschaft und kooperiere „vollumfänglich“. Zu möglichen dienstlichen oder arbeitsrechtlichen Konsequenzen gegenüber den beschuldigten Ärzten machte die Sprecherin des Hauses hingegen keine Angaben. Der Chef des Klinikum-Aufsichtsrats, der seit einem Jahr amtierende Sozialdezernent Mike Schubert (SPD), sagte auf PNN-Anfrage: „Die Vorwürfe müssen vollumfänglich aufgeklärt werden.“ Zunächst würden die Stadtverordneten am heutigen Mittwoch im Hauptausschuss über die aktuellen Ereignisse informiert.

Sollte sich der Untreueverdacht bestätigen, drohen den Beschuldigen bis zu zehn Jahre Haft. Ob die Beschuldigten in Bereicherungsabsicht handelten, ließ Sprecher Lange ausdrücklich offen.

Anlass für das Vorgehen soll eine Strafanzeige einer Krankenkasse gewesen sein, nach PNN-Informationen handelt es sich um die Barmer – die sich wegen der laufenden Ermittlungen allerdings nicht weiter äußern wollte. Nach PNN-Informationen soll Prüfern der Kasse aufgefallen sein, dass Rezepte für ein bestimmtes entzündungshemmendes Medikament („Remicade“) für eine Apotheke ausgestellt wurden, obwohl diese gar nicht über die nötigen Standards zur Portionierung und Mischung des Mittels verfüge. Das teure, individuell angemischte Arzneimittel gegen Rheuma, Arthritis und chronische Darmerkrankungen wird je nach Körpergewicht und Geschlecht hergestellt. Man gehe davon aus, dass die Portionen nicht differenziert abgerechnet wurden – so sei zu viel Geld geflossen, wie es hieß. Ob und inwiefern Unregelmäßigkeiten bei Rezepten für weitere Medikamente aufgetreten sind, blieb unklar. Auch wie viele andere Krankenkassen noch betroffen sind, sei laut Lange noch nicht abzusehen.

Hintergrund:

Die Klinikum Ernst von Bergmann gGmbH ist eine gemeinnützige Gesellschaft der Landeshauptstadt Potsdam. Zum Verbund des Hauses gehören nach einem Expansionskurs in den vergangenen Jahren mittlerweile zahlreiche Standorte in Brandenburg – neben der Poliklinik etwa auch die Klinik Bad Belzig und die Lausitz Klinik Forst, die das Bergmann-Klinikum als Mehrheitsgesellschafter jeweils gemeinsam mit dem Landkreis Potsdam-Mittelmark und der Stadt Forst betreibt, sowie das Klinikum Westbrandenburg – die gemeinsame Kinder- und Jugendklinik des Bergmann-Klinikums und des städtischen Klinikums Brandenburg/Havel. Zur Kerngesellschaft gehören rund 2000 Mitarbeiter, daneben gibt es mehrere Tochterfirmen. Das Klinikum gehört neben den Stadtwerken und der Bauholding Pro Potsdam zu den großen kommunalen Unternehmen der Stadt. PNN

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