Potsdam: Miete frisst Einkommen
Mieter in Potsdam müssen für ihre Wohnungen oft mehr zahlen, als sie es sich leisten können. Die Stadtverwaltung ist alarmiert. Ein Immobilienexperte sieht nur eine Möglichkeit, die Krise am Wohnungsmarkt abzumildern.
Potsdam - Der Begriff klingt sperrig, doch ist er ein wichtiger Indikator für die finanzielle Auskömmlichkeit. Die Rede ist von der sogenannten Mietbelastungsquote. Je höher sie liegt, desto schlechter für den Geldbeutel. Als Faustregel gilt: Mehr als ein Drittel des Nettoeinkommens sollte ein Haushalt nicht für seine Miete ausgeben, andernfalls, da sind sich Immobilienexperten und Soziologen einig, bleibt nicht genug Geld für die anderen Lebenshaltungskosten übrig.
Potsdam, so legt es eine neue Studie des Immobilienkonzerns TAG AG nahe, kommt diesem Schwellenwert nun gefährlich nahe, zumindest durchschnittlich. 29,2 Prozent des Gesamtnettoeinkommens wenden Haushalte in der Landeshauptstadt demnach durchschnittlich im Monat für die Miete auf. In den 27 untersuchten ostdeutschen Städten liegt dieser Wert mit 31,6 Prozent nur noch in Berlin höher. Auf Platz drei liegt Jena mit 26,6 Prozent, gefolgt von Weimar, Greifswald, Strausberg und Dresden. In allen anderen untersuchten Städten, darunter auch Boomtowns wie Leipzig oder Rostock sind die Wohnkosten sogar gesunken – weil die Löhne dort stärker gestiegen sind als die Mieten. In Potsdam hingegen werden die Zuwächse beim Einkommen von der Mietentwicklung weitgehend aufgefressen.
Mieten in Potsdam: Ein Drittel zahlt mehr als es sich leisten kann
Das Ergebnis der Studie passt auch aus Rathaussicht ins Bild. Bereits die jüngste Bürgerumfrage zum Thema Lebensqualität in Potsdam hatte ergeben, dass fast ein Drittel der Haushalte mehr für seine Wohnung zahlt, als es sich leisten kann.
Zu einem noch düstereren Ergebnis war im vergangenen September eine Erhebung der Berliner Humboldt-Universität gekommen. Drei Jahre lang hatten Experten die Daten des Mikrozensus ausgewertet. Fazit: Mehr als 40 Prozent der Potsdamer geben für die Miete mehr aus, als für ihren Geldbeutel gut wäre, fast ein Viertel der Einwohner muss sogar mehr als 40 Prozent des Einkommens für die Wohnung aufwenden.
Es sind Zahlen, die auch in der Stadtverwaltung Besorgnis auslösen. Besonders gefährdet seien Singlehaushalte und Alleinerziehende, sagte Gregor Jekel, Bereichsleiter Wohnen im Rathaus, am Dienstag den PNN. Diese müssten die steigenden Mieten und Betriebskosten allein stemmen und seien daher besonders hohen finanziellen Belastungen ausgesetzt. Die Auswirkungen seien nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die städtische Wirtschaft negativ. Schließlich bänden die hohen Mieten vor allem bei den einkommensschwächeren Bewohnern einen guten Teil der Kaufkraft – Geld, das sonst beispielsweise dem Handel zugutekäme, sagte Jekel.
Sozialer Wohnungsbau - in deutlich höheren Größenordnungen als bislang
Hauptgrund für die Negativentwicklung ist die Wohnungsknappheit, die durch den anhaltenden Zuzug immer weiter verschärft wird. Wirklich gegensteuern lasse sich nur durch sozialen Wohnungsbau in deutlich höheren Größenordnungen als bislang, so Jekel. Dafür sei es aber nötig, dass der Bund und das Land solche Projekte weiterhin fördern.
Bereits jetzt fließt vom auf vier Jahre angelegten und vom Bund mitfinanzierten 400-Millionen-Euro-Programm des Landes für den sozialen Wohnungsbau der Löwenanteil in die Landeshauptstadt. Wie es nach dem Auslaufen dieses Programms 2019 weitergeht, ist offen. „Wir wünschen uns, dass das weitergeht“, sagte Jekel. So sieht es auch der Potsdamer Mieterverein. Die Mieterverbände würden beim Bund darauf drängen, dass auch künftig Fördermittel für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden, sagte der Mietervereinsvorsitzende Rainer Radloff den PNN. Auch das Land und die Stadt müssten jedoch ihren Beitrag leisten, etwa durch die Bereitstellung preisgünstigen Baulandes. Nur so könnten langfristig bezahlbare Mieten gesichert werden, erklärte Radloff. Zudem müssten auch private Investoren verstärkt zum Bau von Sozialwohnungen verpflichtet werden, forderte er.
Laut TAG-Studie wird sich der Wohnungsmangel in Potsdam in den nächsten Jahren weiter verschärfen
Trotz bereits jetzt reger Bautätigkeit – laut TAG-Studie sind in den letzten Jahren 4,9 Wohnungen pro 1000 Einwohner entstanden, so viel wie in keiner anderen untersuchten Stadt in Berlin-Brandenburg – werde sich der Wohnungsmangel in den nächsten Jahren wohl eher noch verschärfen, glaubt Jekel. Grund zur Panik bestehe trotzdem nicht, denn das werde sich nicht eins zu eins auf die Mieten auswirken. Neben der stadteigenen Pro Potsdam gehöre ein Großteil der Wohnungen in der Landeshauptstadt Genossenschaften, die ebenfalls dafür sorgten, dass die Mieten stabil blieben, sagte Jekel. Er appellierte zudem an einkommensschwächere Haushalte, Wohngeld zu beantragen. Seit zwei Jahren seien die Regelungen dafür gelockert worden, sodass womöglich mehr Menschen Anspruch auf einen solchen Zuschuss hätten, als tatsächlich Anträge gestellt werden.
Die TAG hat übrigens erst vor sechs Jahren rund 13 500 Wohnungen, die sich vorher im Besitz der Treuhandgesellschaft TLG befanden, vom Bund übernommen. „Diese Wohnungen“, so Radloff, „hätte man lieber den Kommunen geben sollen.“ Dann wären die Mieten womöglich nicht so schnell erhöht worden.
Hintergrund: Antrag im Potsdamer Rathaus
Mit einem neuen Antrag für die Stadtverordnetenversammlung will die Linke der Wohnungsknappheit und den steigenden Mieten entgegenwirken. Die Partei fordert, dass die kommunale Pro Potsdam, die die Flächen im besonders schnell wachsenden Bornstedter Feld vermarktet, bei künftigen Grundstücksverkäufen Investoren dazu verpflichtet, mindestens 50 Prozent der Wohnungen als geförderte Sozialwohnungen zu errichten. Der Verkauf schreite zügig voran, bei Investoren bestehe großes Interesse an einem Baulanderwerb, weil die Verwertungschancen „ausgezeichnet“ seien, schreibt die Linke zur Begründung. Damit ein ausgewogener Bevölkerungsmix entstehe, müsse daher ein hoher Anteil an Sozialwohnungen gesichert werden, hieß es.
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Kommentar: Die Wohnungsknappheit in Potsdam stellt die Stadt vor eine riesige Herausforderung. Die einzige Lösung gegen steigende Mietpreise ist der Bau von mehr Sozialwohnungen, meint PNN-Redakteur Peer Straube in seinem Kommentar.
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