Wohnen in Potsdam: Miete belastet Frauen stärker
Wie geschlechtergerecht ist Potsdams Wohnungsmarkt? Eine am Freitag vorgestellte Studie des Autonomen Frauenzentrums offenbart Defizite und nennt Auswege.
Potsdam - Frauen in Potsdam haben schlechteren Zugang zu bezahlbarem Wohnraum – dies ist eines der Ergebnisse der „Genderanalyse des Potsdamer Wohnungswesens“, die am Freitag im Autonomen Frauenzentrum vorgestellt wurde. „Für Potsdam wird deutlich, dass Frauen überdurchschnittlich stark durch Miete oder Kosten für Wohneigentum belastet sind“, sagte die Sozialwissenschaftlerin Christiane Droste, die die Studie im Auftrag des Frauenzentrums maßgeblich verfasst hat.
Die Mehrheit derer, die unter 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen, sind Männer, diejenigen, die mehr als 30 Prozent ihres Einkommens dafür zahlen müssen, sind mehrheitlich Frauen. Besonders ausgeprägt ist dies bei Haushalten, die 50 Prozent oder mehr des Einkommens auf die Miete verwenden müssen: Hier sind doppelt so viele Frauen betroffen wie Männer.
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69 Prozent der Anträge kamen von Frauen
Gendergerechtes Wohnen heißt also bezahlbares Wohnen, denn vor allem alleinerziehende und ältere, alleinstehende Frauen haben ein erhöhtes Armutsrisiko und brauchen günstige Wohnungen: Rund 63 Prozent der über 80-Jährigen in Potsdam sind Frauen, sie verfügen bereits mit dem Eintritt ins Rentenalter über durchschnittlich 270 Euro weniger Rente als Männer. Ein ähnliches Ungleichwicht zeigt sich bei den Alleinerziehenden, die zu 89 Prozent weiblich sind. Ein Blick auf die Anträge für Wohnberechtigungsscheine bestätigt das Bild: 2019 wurden 69 Prozent der Anträge für Zwei-Personen-Haushalte von Frauen gestellt.
Relativ gut aufgestellt sei Potsdam beim Thema Obdachlosigkeit, sagte Droste. Allerdings hätten Frauen aufgrund von häuslicher Gewalt ein erhöhtes Risiko, plötzlich wohnungslos zu werden. Ein Thema, dass sich durch Corona noch einmal verschärft habe, sagte Heiderose Gerber vom Vorstand des Frauenzentrums. Gregor Jekel, Leiter des Fachbereichs Wohnen der Landeshauptstadt, kündigte an, dass die Stadt in dieser Wintersaison für obdachlose Frauen einen gesonderten Schlafort einrichten wolle.
Augenmerk auf flexible Grundrisse
Jekel bestätigte die genderspezifischen Defizite des Potsdamer Wohnungsmarktes: „Es gibt ein Missverhältnis beim vorhandenen Bedarf und den verfügbaren Wohnungsgrößen.“ Man sei aber mit der kommunalen Wohnungsbauunternehmen Pro Potsdam bei der Planung von mehr kleineren und flexibleren Wohnungen, die sowohl für größere Familien als auch für alleinstehende Seniorinnen geeignet seien. Flexible Grundrisse, bei denen Einzelräume einfach zu- oder weggenommen werden können, ermöglichen Wohngemeinschaften und Wohnungszusammenlegungen für große Familien und seien damit ein wichtiger Bestandteil gendergerechten Bauens, so die Studie.
„Die Studie ist ein sehr gutes Instrument, das als Grundlage für die Stadtentwicklungsplanung dienen kann“, sagte Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth. Städte seien nun mal vor allem von Männern gebaut worden: „Die Planung orientierte sich oft an den Bedürfnissen von männlichen Vollzeitbeschäftigten mit Auto“, so Trauth.
Abschied von der autogerechten Stadt nehmen
Geschlechtergerechte Stadtplanung müsste laut der Studie Abschied von der autogerechten Stadt nehmen: Nach wie vor sieht die Rollenverteilung in vielen Familien so aus, dass Männer mit dem Auto zur Arbeit fahren, während Frauen sich mehr um Wohnung, Kinder oder Pflege von Angehörigen kümmern. Dabei legen sie viele kurze Wege zu Fuß zurück, weshalb Stadtplanung künftig mehr darauf ausgelegt sein sollte, dass Geschäfte, Ärzte, Schulen, Kitas, Spielplätze oder Parks für alle Altersgruppen leicht zu erreichen sind. Die „Stadt der kurzen Wege“ ist das Leitbild, das vor allem Betreuungspersonen unterstützen soll, bei denen es sich in der Regel um Frauen handele, so die Studie. Frauen- und Familienfreundliche Stadtplanung trage somit auch zum Klimaschutz bei.
Die Studie gibt zahlreiche Handlungsempfehlungen, um die Situation in Potsdam zu verbessern: So sollten zum Beispiel beim künftigen Wohnungsneubau in Krampnitz verstärkt Genderkriterien mitberücksichtigt werden, im Schlaatz sollten geschlechtsspezifische Stadtteilspaziergänge durchgeführt werden.
Frauen stärker in Verwaltung einbinden
Christiane Droste empfiehlt bei der Planung von Neubauten auch mehr Gemeinschaftsräume, damit sich vor allem Alleinerziehende besser treffen und vernetzen können. Um das Bewusstsein für geschlechterspezifische Bedürfnisse zu schaffen, sollten Frauen auch stärker in der Verwaltung repräsentiert sein: Auf der Leitungsebene wichtiger Geschäfts- und Fachbereiche betrage der Frauenanteil nur 21 Prozent, auch in den Potsdamer Wohnungsunternehmen seien Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert.
Am 2. November um 14.30 Uhr wird die Studie unter dem Titel „Eine Stadt für Alle?“ im Bildungsforum öffentlich vorgestellt und diskutiert. Martina Trauth, Christiane Droste, Gregor Jekel und Anja Heigl vom Autonomen Frauenzentrum werden an der Veranstaltung teilnehmen.