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Traumfabrik. Firmengründer Werner Schäfer vor dem Spezialdrucker „Infinitus“, auf dem zwölf Meter breite Bühnenbilder für den Film und für Opern entstehen.
© Manfred Thomas

Potsdam: Michelangelo in der Mangel

Die Babelsberger Firma „Big Image Systems“ liefert riesige Kulissen und Bühnenbilder für den Film und für Opernhäuser. Für den Spezialdrucker „Infinitus“ tüftelten Studenten der Technischen Universität Berlin lange – er gilt als weltweit einmalig

Gemessenen Schrittes ziehen die Kardinäle zum Konklave in die Sixtinische Kappelle, umrahmt von den Wandbildern der Renaissancemaler und Michelangelos „Jüngstem Gericht“. „Habemus Papam“ von Kultregisseur Nanni Moretti war eine wahre Kostüm- und Ausstattungsschlacht.

Das Problem: In der Sixtinischen Kapelle sind Filmaufnahmen strengstens verboten. So wurde der heilige Ort im Filmstudio eins zu eins nachgebaut: 40,9 Meter lang, 13,4 Meter breit und 20,7 Meter hoch. Mit insgesamt 1800 Quadratmetern bedrucktem Stoff und Vinyl von der Firma Big Image Systems in Potsdam-Babelsberg, nahe den Filmstudios.

Für solch großformatige Bühnenbilder hat Geschäftsführer Werner Schäfer in Zusammenarbeit mit Maschinenbau-, Informatik- und Elektrotechnikstudenten der Technischen Universität (TU) Berlin den größten Stoffdrucker der Welt gebaut. Bis zu zwölf Meter breite und 50 Meter lange Gazeballen kann der riesige Tintenstrahldrucker „Infinitus“ nahtlos bedrucken.

Für Bühnenbilder von Theatern ist Gaze der beste Stoff: Mit Beleuchtung von vorn sieht man das Bild, mit Licht von hinten verschwindet es und lässt die Schaupieler agieren. Wie die Gardine hinter einem Fenster, die bei Tageslicht das Rauminnere verbirgt, nachts mit der Innenbeleuchtung jedoch alle Blicke durchlässt. „Dafür dürfen die Bilder aber keine Nähte haben, denn die bleiben sichtbar“, erläutert Michael Düwel, Geschäftsführer des Art Departments im Studio Babelsberg. So ist „Infinitus“ auf die größten verfügbaren Ballen Nesselstoff eingestellt.

Für die jüngste Babelsberger Produktion „Die Schöne und das Biest“ hat der Drucker solch ein riesiges Bühnenbild „gemalt“. James-Bond-Szenenbildner Ken Adam orderte für das Nachkriegsdrama „Taking Sides – der Fall Furtwängler“ die Kulisse des zerbombten Berlins. Für Roman Polanskis Film „Der Pianist“ hat die Firma eine Ruinenlandschaft gesprengter Kasernen auf Folie produziert. Und der „Hexe Lilly“ zauberte Infinitus den Ausblick aus dem Palast.

Damit die Bilder auf dem flexiblen Stoff die richtige Perspektive halten, musste Entwicklungschef Klaus Müller gemeinsam mit den Studenten eine zweite Maschine bauen: eine Art Riesen-Mangel, die die Fäden des Stoffs vor dem Druck exakt geradezieht. „Sonst entehen schiefe Säulen und gebogene Fensterkreuze“, erläutert Müller. Zahlreiche Kameras und computergestuerte Führungsarme sorgen in der Mangel dafür, dass der Stoff mit exakt ausgerichteten Fäden auf die Druckrolle kommt. „Das konnten wir nur mit den Studenten realisieren“, sagt Müller. „Ingenieurbüros hätten wir dafür gar nicht bezahlen können.“ So entstanden auch einige Examensarbeiten.

Der Druck im Großformat ist nach Angaben des Bundesverbands Druck und Medien (bvdm) ein deutliches Wachstumssegment. „Das gilt für Messen, Museen, Theater und Geschäfte wie im Außenbereich für Fassaden, Bauzäune oder Einkaufszentren“, erläutert Technik-Referent Karl Michael Meinecke. Eine offizielle Statistik gebe es zwar nicht, aber der Verband geht inzwischen von mehreren Hundert professionellen Anbietern aus.

Viel Konkurrenz für Schäfers Firma, doch für den 74-Jährigen sind riesige Werbebanner nur ein Teil des Geschäfts. Seine Liebe, die er mit seinem ein Jahr älteren Entwicklungschef und früheren Werkstattleiter der Berliner Komischen Oper, Müller, teilt, gilt den Bühnenbildern für Theater und Film.

Schon als Halbwüchsiger habe er in Babelsberg vor dem Zaun zu den DEFA-Studios gestanden und von einer Zukunft beim Film geträumt. Der Schritt gelang ihm über einen Umweg: Nach einer Fototechnikerlehre ging Schäfer 1961, kurz vor dem Bau der Berliner Mauer, nach Schweden. Dort gründete er Anfang der 1980er-Jahre seine erste Firma, die sich auf Großdrucke spezialisierte. Die Mutterfirma im schwedischen Täby existiert bis heute, Schäfer pendelt zwischen beiden Ländern. Nach dem Fall der Mauer kam er mit Big Image Systems zurück nach Brandenburg – zunächst mit einer Druckerei in Stahnsdorf, wo der Raum nach und nach zu eng wurde. Im vergangenen Sommer zog Schäfer mit der Firma in die Babelsberger Medienstadt.

Die Nähe zum Film sei ideal fürs Geschäft. Ganze Landschaften in perfekter Illusion gestaltet der Firmengründer in Babelsberg mit seinem 23 Mitarbeiter starken Team. „Die Produktionsfirmen können eine Menge Geld sparen, wenn sie statt Außenaufnahmen in einem perfekt ausgestatteten Studio drehen“, erläutert der 74-Jährige sein Geschäftskonzept.

Und auch die Opern- und Theaterbühnen der Welt hat er im Blick: Man habe bereits mit den Salzburger Festspielen, der Wiener Staatsoper sowie Bühnen in Tokio, London, Australien, Neuseeland und den USA gearbeitet. Für Schäfer immer wieder eine neue Herausforderung – getreu seinem Motto: „Geht nicht, gibt’s nicht.“ Klaus Peters (mit jaha)

Klaus Peters (mit jaha)

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