Interview | Ausschluss von Vätern im Kreißsaal: "Mein Mann ist eine Stütze, die ich brauche"
Romy Marquardt wird bald ihr zweites Kind zur Welt bringen. Ihr Mann darf sie dabei in Potsdam nicht begleiten. Ein Gespräch über Sorgen und Hoffnungen.
Frau Marquardt, Sie haben sich in einem offenen Brief an die Stadt Potsdam sowie die Potsdamer Kliniken gewandt, in dem Sie darum bitten, das Begleitverbot von Partnern während einer Entbindung aufzuheben. Was hat Sie dazu bewegt?
Ich habe durch meine Hebamme von diesem Beschluss erfahren und war entsetzt. Die Entbindung meines zweiten Kindes steht in vier Wochen an und die Vorstellung, ohne Support in die Klinik zu gehen, empfinde ich als sehr unangenehm. Gerade, weil ich weiß, was es bedeutet, ein Kind auf die Welt zu bringen und was dabei alles auf einen zukommt.
Kennen Sie die Petition „Gebärende brauchen ihre Partner*innen im Kreißsaal!“?
Noch nicht, aber es ist gut, dass etwas passiert und ich nicht alleine mit meinem Anliegen bin. Wir haben einfach nicht die Zeit, noch einige Wochen zu warten und müssen selbst aktiv werden.
Darauf möchten Sie aufmerksam machen?
Ich möchte auf jeden Fall versuchen, eine Änderung zu erreichen. Mich wundert, warum Schwangere in Brandenburg an der Havel oder auch in Berlin vom Partner begleitet werden dürfen, in Potsdam aber nicht. Die Uneinigkeit erschließt sich mir nicht und ich denke, vielen Schwangeren geht es derzeit genauso. Ich verstehe natürlich die schwierige Situation gerade.
Überall wird versucht, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen.
Ja klar, das ist die Crux. Dass eine Entscheidung nicht einfach ist, dafür habe ich Verständnis. Natürlich müssen die Ärzte größtmögliche Sicherheit für ihre Kliniken, für ihre Patienten gewährleisten. Allerdings denke ich, da ich mit meinem Mann in einem Haushalt lebe, geht von ihm keine zusätzliche Gefahr aus. Daher erschließt sich mir der Nutzen der Anordnung nicht ganz. Dies trifft sicher auf die meisten Paare zu.
Sind Sie denn informiert worden, wie das Prozedere in einem Verdachts- oder Infektionsfall wäre?
Nein, bisher nicht. Ich bin im Austausch mit meiner Hebamme, aber das sind ja Fragen, welche von den Kliniken beantwortet werden müssten. Wahrscheinlich gibt es auch noch nicht auf jede Frage eine Antwort. Allerdings hat sich das Bergmann-Klinikum am Freitagnachmittag zurückgemeldet und mitgeteilt, dass alles wie beschlossen bleibt. Es gibt pro Tag eine Stunde Besuchszeit für Partner am Wochenbett, aber in den Kreißsaal dürfen sie nicht. Das Motiv ist natürlich die Eindämmung des Virus und der Schutz der Mitarbeiter und Patienten.
Sie schreiben in Ihrem Brief, dass Sie sich nun sicherheitshalber in einer Berliner Klinik angemeldet haben.
Wenn dort mein Partner mitkommen darf, würde ich die längere Fahrzeit auf mich nehmen, weil mein Mann wirklich eine Stütze ist, die ich brauche. Als Frau möchte ich die Geburt meines Kindes so entspannt wie möglich erleben. In Ruhe und in einer so vertrauten Umgebung wie möglich und mit so viel Sicherheit wie möglich. Und ich weiß ja, wie es ist: Die Hebamme kann nicht die ganze Zeit bei mir sein, die Ärzte auch nicht. Die Vorstellung, dann alleine zu sein, ist alles andere als schön.
Eine längere Fahrzeit kann auch ein Risikofaktor sein. Geht es Ihnen denn so weit gut?
Körperlich geht es mir sehr gut, trotzdem ich ja auch schon etwas älter bin. (lacht) Aber ich merke die psychische Belastung. Die ist allgemein schon da und das Thema hilft nicht besonders. Also physisch ist alles gut, mental eher nicht so.
Was hilft Ihnen?
Raus gehen, die Sonne genießen, leckeres Essen kochen. Und ich muss gestehen, dass ich den Nachrichtenkonsum etwas reduziert habe. Ich schaue und lese sie immer noch, aber nicht mehr so geballt wie am Anfang. Weil ich merke, dass es mich sonst belastet.
Sie sind Yogalehrerin, können Sie gerade noch Übungen machen?
Ja, das geht auf jeden Fall und ist meine Geheimwaffe. Als geistige Hilfe zum Runterkommen. Ich kann das jedem nur empfehlen, tägliche kleine Einheiten helfen sehr.
Nun müssen Sie zu Hause auch noch ihr erstes Kind betreuen. Wie klappt das?
Meine Tochter ist schon 13 Jahre alt und kann sich gut alleine beschäftigen, die Schule schickt ja auch immer Aufgaben. Das klappt also sehr gut. Aber ich merke doch, dass sich eine gewisse Niedergeschlagenheit einstellt. Auch, weil alles ungewiss ist, so wenig konkret und man gar nicht weiß, was morgen ist.
Trotz allem klingen Sie noch sehr zuversichtlich und selbstsicher.
Das bin ich auch. Da kommt wahrscheinlich die Yogalehrerin in mir durch, aber ich versuche, mir nicht dauernd die totale Katastrophe vorzustellen, sondern mich auf das zu konzentrieren, was gerade ist. Was jetzt geht. Und ich glaube daran, dass das Baby und ich das schaffen werden, weil ich auch weiß, dass die Hebammen und Ärzte gute Arbeit machen.
Ist das auch Ihre Botschaft an andere werdende Mütter: Zuversichtlich zu bleiben?
Auf jeden Fall. Aber: Die Ängste sind da und es würde einfach eine große Sicherheit bringen, wenn die Stadt ihre Entscheidung noch einmal ändern würde.
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