Potsdamer Stadtpolitik: Mehrheit für Schulcampus an der Waldstadt
Am Dienstagabend hat der Bildungsausschuss eine Kompromissvariante für die umstrittenen Planungen beschlossen - zum Ärger der Anwohner, zur Freude von Sportvereinen.
Waldstadt - Für die seit Jahren umstrittenen Planungen zum Schulcampus am Rand der Waldstadt steht ein neuer Kompromiss. Dieser hält am ursprünglichen Kernvorhaben fest, nahe des Bahnhofs Rehbrücke eine Gesamtschule, eine Förderschule, eine Kita und wettkampftaugliche Sportanlagen zu errichten, dafür aber einen Teil des dort vorhandenen Kiefernwaldes abzuholzen. Dafür soll aber beim Bauvorhaben an sich ökologisch nachgebessert werden. Dieses Gesamtvorhaben ist am Dienstagabend, trotz anhaltender Kritik einer Anwohnerinitiative, im Bildungsausschuss mit klarer Mehrheit angenommen worden. Dafür stimmten SPD, Grüne, Linke und CDU. Die Andere stimmte dagegen, die AfD enthielt sich. Damit scheint auch eine Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung am 6. November als sicher.
Rot-grün-rote Zusammenarbeit
Den Kompromiss entwickelt haben nach PNN-Informationen die Spitzen des rot-grün-roten Rathausbündnisses. Demnach soll das Gros der Bebauung im vorderen Teil des Waldes errichtet werden – so wie es in den ursprünglichen Plänen schon einmal vorgesehen war. Das benachbarte Landschaftsschutzgebiet würde somit von den Hochbauten nicht tangiert. In dem Schutzgebiet ist nach dem Willen der Stadt eine Sportanlage geplant. Deren Lage ist laut dem Kompromiss auch in Abhängigkeit von der „Qualität der in Anspruch zu nehmenden Waldflächen“ zu klären, Biotope dürften nicht überbaut werden. „Zur Gewährleistung der natürlichen Funktion des Bodens sind die Wettkampfstätten in wasser- und luftdurchlässiger Bauweise auszuführen“ - wenn es wirtschaftlich vertretbar ist, heißt es im beschlossenen Kompromiss. Ersatzbäume sollen möglichst standortnah gepflanzt werden.
Möglichst ökologische Bauweise
Solche Vorgaben sind auch eine Reaktion auf die heftige Kritik der dortigen Anwohnerinitiative, die mit dem Vorhaben verbundene Rodung von Waldflächen widerspreche dem ausgerufenen Klimanotstand in Potsdam. Daher wird nun für den Schulcampus als Vorgabe eine „treibhausgasneutrale Energieversorgung“ und eine „ökologische Bauweise“ verlangt, was gerade die Grünen verlangt hatten. Ferner sollen die Dachflächen begrünt und die Gestaltung der Schulhöfe „den Waldstadtcharakter fortführen“, Bäume dort also erhalten bleiben. Auch ein Grün- und Freiflächenkonzept zur „Qualifizierung“ des verbleibenden Erholungswaldes ist vorgesehen. Und sollte ein neues Regenwasserversickerungsbecken vor Ort notwendig sein, „ist es, wenn technisch möglich, platzsparend unter dem Schulhof der Gesamtschule anzulegen“.
Die Debatte verlief kontrovers
Im Ausschuss sorgte der Vorschlag freilich für eine mehr als einstündige Debatte. Schon zu Beginn verwies Sabine Blossey von der Initiative darauf, die Pläne seien wegen der Waldrodung nicht akzeptabel. Dagegen sagte SPD-Fraktionschef Daniel Keller, ihm komme das Agieren vor wie: „Ja nicht vor meiner Haustür“. Man habe auch eine Verantwortung für Schüler, Sport und gesamtstädtische Ziele. Die Argumente seien ausgetauscht. Wiebke Bartelt von den Grünen sagte, mit dem Kompromiss würden auch wertvolle Baumbestände erhalten. Dagegen sagte Lutz Boede (Die Andere), für ihn sei der Eingriff in den Wald zu groß, das Landschaftsschutzgebiet müsse zumindest ausgeklammert werden. Die Sportplätze könnten an anderer Stelle entstehen. Auch wolle man weiter den Verzicht auf eine neue Förderschule, aus Inklusionsgründen (PNN berichteten). Die Gesamtschule sei aber unstrittig, sagte Boede. Von den Grünen hieß es, man wolle den Schulcampus auch möglichst barrierefrei halten.
Die Linke ist uneins
Bemerkenswert ist ferner, dass innerhalb der Linken die Position nicht einheitlich ist. So fiel nach PNN-Informationen eine erste Version des Kompromisses in der Fraktionssitzung am Montagabend knapp durch, mehrere Linke stimmten dagegen oder enthielten sich. So hatten Linke-Vertreter wie Hans-Jürgen Scharfenberg gegenüber den Anwohnern eigentlich mehr Zugeständnisse versprochen. Linke-Fraktionschef Stefan Wollenberg sagte hingegen im Ausschuss, auch beim Bau der Waldstadt sei Wald gerodet worden. Für ihn sei der Kompromiss eine Chance zur Aufwertung des Stadtteils.
Mehrheit sicher
Insofern scheint eine Mehrheit im Stadtparlament sicher, weil neben SPD und Grünen sich auch die CDU bisher stets für die Planungen ausgesprochen hat. Und, weil die CDU von der Bürgerinitiative vorgeschlagene Ersatzstandorte als zusätzliche Möglichkeiten für Sportplätze ansieht, wie es Unionsfraktionschef Clemens Viehrig formulierte: „Uns sind die Vereine wichtig.“ Die Bürgerinitiative hatte etwa das eigentlich seit Jahren für Gewerbe vorgesehene Sago-Gelände an der Michendorfer Chaussee und die sogenannte Kulturbodendeponie am nördlichen Ende der Erich-Weinert-Straße ins Gespräch gebracht: Letzteres prüft die Stadt bereits.
Mehrere Sportvereine wie die Potsdamer Kickers stellten sich hinter die Position Viehrigs, dass mehr Plätze benötigt würden – angesichts steigender Mitgliederzahlen. Doch schon jetzt gebe es zu wenig Sportplätze, hieß es. „Leider gibt es in Potsdam viele Initiativen, die so etwas immer wieder verzögern“, sagte Kickers-Chef Wolfgang Schaffernicht. Von Babelsberg 03 hieß es, im Sommer habe man wegen Platzmangels drei Jugendmannschaften abmelden müssen. Rolf Kutzmutz von Turbine Potsdam sagte, man müsse bei solchen Standortfragen auch persönlichen Egoismus überwinden – und die Haltung „nur nicht bei mir“. Laut Sportdezernat fehlen aktuell 50 000 Quadratmeter Sportfreiflächen. Vom Stadtsportbund sagte Geschäftsführerin Anne Pichler, es sei traurig, wie beim diesem Thema die verschiedenen Interessen gegeneinander ausgespielt würden.
Rathaus will zügige Entscheidung
Wie berichtet drängt das Rathaus auf eine endgültige Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung am 6. November, um 2020 das nötige Bebauungsplanverfahren samt erneuter Bürgerbeteiligung über die Bühne zu bringen. Ziel ist, dass die Gesamtschule samt Turnhalle und Tiefgarage im Sommer 2024 eröffnen kann – und keine provisorische Einrichtung in Unterrichtscontainern nötig ist, wie an anderen Standorten aktuell praktiziert. Zugleich muss die Stadt ein Teil der Fläche auch noch vom Land abkaufen, was dies bislang aus haushaltsrechtlichen Gründen eine preisgünstige Übertragung ablehnt.
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