Potsdamer Extavium: Mehr Gehalt und neue Ideen
Wegen finanzieller Probleme wird das Mitmachmuseum Extavium nun von der Stadt gefördert. Endlich können jetzt die Mitarbeiter besser bezahlt und neue Exponate entwickelt werden. Doch die Zukunft ist weiter ungewiss.
Innenstadt - Peter Lannatewitz weiß, wie man die Aufmerksamkeit einer Gruppe Zehnjähriger bekommt. So fest er kann, kurbelt der 59-Jährige an einem schwarz-weißen Kreisel, bis er mit einem Mal „Jetzt!“ ruft. Was dann passieren muss, hat er den Jungen und Mädchen vorher eingebläut: Sobald er ruft, sollen sie ihrem Nachbarn in die Augen schauen – die sich nun ebenfalls zu drehen scheinen. Tatsächlich: Auf Peter Lannatewitz’ Kommando fassen sich die Viertklässler gegenseitig an die Schultern und starren sich wie gebannt in die Augen. Ein paar Sekundenbruchteile ist es ganz ruhig, dann geht das große Hallo los. Dass sich die Augen des Gegenübers nicht wirklich drehen, sondern dass das Gehirn den Kindern hier einen Streich spielt und sie einer optischen Täuschung auf den Leim gegangen sind, erklärt Peter Lannatewitz ihnen hinterher.
Der ergraute, stämmige Mann ist bei den Kindern beliebt. Er ist laut, lustig, nahbar und verteilt auch mal Schokoküsse zur Belohnung. Schon seit sieben Jahren ist Lannatewitz Mitarbeiter im Extavium, steht als Ansprechpartner in der Mitmachausstellung zur Verfügung. Die ist zwar so konzipiert, dass die Kinder sie größtenteils auch ohne Erwachsene erkunden können. Doch Mitarbeiter stehen immer bereit, um Fragen zu beantworten – oder eben Scheiben anzukurbeln.
Die niedrigen Gehälter waren das größte Problem
Angefangen hat Peter Lannatewitz als Ein-Euro-Jobber, dann ging es als 450Euro-Kraft weiter, später wurde er regulär angestellt. Seit diesem Sommer bekommt er endlich mehr Gehalt, genauso wie alle anderen Extavium-Mitarbeiter. Denn seit das Museum wie berichtet erstmals Fördergelder von der Stadt Potsdam bekommt, konnte das größte Problem der Einrichtung gelöst werden: die zu niedrigen Gehälter.
Vor allem in den vergangenen Jahren habe das Haus massive finanzielle und personelle Probleme gehabt, sagt Anna Leetz, wissenschaftliche Leiterin des Hauses in der Straße Am Kanal. Finanziell, weil es im Gegensatz zu den Anfangsjahren immer schwerer wurde, öffentliche Mittel oder Spenden zu bekommen. „Es werden generell eher neue Ideen gefördert“, erklärt Leetz. Für fertige Konzepte wie das Mitmachmuseum, das den weiteren Betrieb finanzieren muss, gab es kaum Möglichkeiten. Den Eintritt wollte man nicht erhöhen, um möglichst allen einen Besuch des Extaviums zu ermöglichen. Tatsächlich steigen die Besucherzahlen im Extavium an: Im Schuljahr 2018/2019 kamen 30 000 Besucher, 2000 mehr als im Jahr davor.
Doch aus den finanziellen Problemen ergaben sich die personellen: „Wir mussten hier viele zu Mindestlohn beschäftigen“, sagt Leetz. Teilweise sei Arbeit sogar auch ehrenamtlich geleistet worden, also ganz ohne Bezahlung. Vielen habe das auf Dauer nicht zum Leben gereicht, zum Teil handelte es sich um promovierte Physiker oder andere Naturwissenschaftler mit Universitätsabschluss. Die vierfache Mutter und studierte Biologin ist selbst seit den Anfängen des Museums 2006 mit dabei. „Wir haben sehr viele sehr gute Leute verloren und mussten immer wieder neue einarbeiten“, sagt Leetz. „Irgendwann haben wir gespürt, dass wir es nicht mehr lange halten können.“
Erzieher kommen jetzt umsonst ins Museum
Nach unzähligen Gesprächen mit Politikern und Verwaltungsmitarbeitern, nach vielen geschriebenen Konzepten und offengelegten Zahlen kam im Mai dieses Jahres endlich der entscheidende Beschluss im Hauptausschuss: 200 000 Euro bekommt das Extavium für 2019 – und in den kommenden Jahren wohl dieselbe Summe.
Dass mit den Mitteln, die seit Juli in Raten ausgezahlt werden, als erstes die Gehälter erhöht werden sollen, war klar. „Tarifähnlich“ und je nach Qualifikation werden die 15 Mitarbeiter nun bezahlt, die bis auf den Kurator Axel Werner alle in Teilzeit arbeiten, so Leetz. Auch ist seitdem der Eintritt für begleitende Erzieher endlich frei, Lehrer kamen schon zuvor kostenlos in das Museum. Außerdem wurden seitdem neue Exponate entwickelt und teilweise auch schon gebaut. „Wir im Leitungsteam haben gemerkt, dass wir endlich wieder durchatmen konnten und Zeit hatten, uns neue Themen auszudenken“, so Leetz. Schon fertig ist etwa ein Schacht in einem Durchgang, der aussieht, als wäre er mehrere Meter oder sogar unendlich tief. Tatsächlich handelt es sich aber auch hier um eine optische Täuschung, erzeugt mit Licht und Spiegeln – in Wahrheit ist der Schacht nur ein paar Zentimeter tief. Demnächst soll es unter anderem auch ein Ton-Teleskop geben, bei dem Töne durch Licht hörbar gemacht werden. Ein kleines Marketing-Budget leistet sich das Haus nun auch: Im Oktober sollen zum ersten Mal überhaupt Plakate geklebt werden. Und neue Experimentierkurse sollen ebenfalls entwickelt werden – sie sind bei Besuchen von Schul- und Kitaklassen Standard und können bei Einzelbesuchern optional dazugebucht werden. Auch eine Art Themenjahr hat sich das Extavium-Team für nächstes Jahr ausgedacht, so soll ein Schwerpunkt auf die Sinne gelegt werden.
Für nächstes Jahr gibt es noch keine konkrete Zusage
Apropos nächstes Jahr: dass die Förderung auch 2020 weitergeht, hat das Extavium noch gar nicht schwarz auf weiß. Man sei ja aufgefordert gewesen, erneut ein Betriebskonzept vorzulegen, sagt Leetz. Das habe man getan, sogar vorfristig, doch vom zuständigen Jugendamt sei noch nicht einmal der Eingang bestätigt worden, so Leetz. „Wir haben noch keine Zusage, ob wir im Januar Geld bekommen.“ Trotzdem plant die 40-jährige schon weiter, sie will zum Beispiel die Kooperationen mit den Potsdamer Grundschülern ausbauen oder das Extavium an der Neuausrichtung der Biosphäre beteiligen.
Peter Lannatewitz ist mit der Schülergruppe mittlerweile beim Mäuselabyrinth angekommen. Zuerst durften die Kinder hier aus Duplosteinen ein Labyrinth bauen, jetzt soll sich die Mausedame „Marie Curie“ ihren Weg zum Korn bahnen. Wie schon zuvor hängen die Kinder an Peter Lannatewitz’ Lippen. Mit Naturwissenschaft hatte er vor seiner Arbeit am Extavium nichts am Hut. „Ich war kein Physik-Ass oder so“, sagt er in schönstem Brandenburgisch. 30 Jahre lang habe er in der Warenannahme beim Konsument-Warenhaus in der Brandenburger Straße – später Karstadt – gearbeitet. Dann wurde er entlassen und war arbeitslos. „Mir war sehr langweilig, und da kam ich auf die Idee, hier mal nachzufragen.“ Dass er Spaß hat an der Arbeit mit den Kindern, war ihm schnell klar. „Das liegt mir einfach.“ Sonst würde es auch nicht gehen, sagt Peter Lannatewitz – auch trotz der Gehaltserhöhung: „Wegen des Geldes arbeitet man hier nicht.“
ÖFFNUNGSZEITEN UND PREISE
Das Extavium, das 2015 in neue Räume in der Straße Am Kanal 57 gezogen ist, richtet sich vor allem an Vorschul- und Grundschulkinder. Sie können hier entweder mit der Klasse oder auch am Wochenende mit Eltern oder Freunden die Experimente ausprobieren oder an Kursen teilnehmen. Auch kleinere Kinder sind willkommen, für sie wurde mitten in der Halle die sogenannte Wichtelwelt abgezäunt, wo sie spielen, klettern, krabbeln oder Bücher ansehen können. Für ältere Schüler ab der Klasse sieben gibt es spezielle ein- bis zweistündige MINT-Experimentierkurse, die gebucht werden können. Reguläre Öffnungszeiten, in denen das Museum ohne Anmeldung oder Gruppenbuchung besucht werden kann, sind donnerstags und freitags von 9 bis 18 Uhr und am Wochenende von 10 bis 17 Uhr. Montags bis mittwochs wird das Museum nach Absprache für eine oder mehrere Klassen oder Kitagruppen geöffnet. Der Eintritt beträgt für
Kinder bis drei Jahre drei Euro, für Kinder und Jugendliche von 4 bis 17 Jahren fünf Euro und für Erwachsene sieben Euro. Die Experimentierkurse kosten fünf Euro pro Person. Lehrer und seit neuestem auch Erzieher zahlen keinen Eintritt.
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