Potsdam: Majestätisch in Königsblau
Besser als jeder Werbefilm: Die Queen besuchte gestern zum zweiten Mal die Landeshauptstadt
Besser als jeder Werbefilm: Die Queen besuchte gestern zum zweiten Mal die Landeshauptstadt Menschen drängeln sich hinter einer roten Kordel, dahinter stehen Polizisten. Niemand darf durch, die S-Bahn ist gesperrt, erklären sie, ein Staatsbesuch, die Queen. „Mein Zug. Ich komme zu spät“, sagt ein Mädchen. Sie ist verärgert, hat von nichts gewusst. Jetzt muss sie auf die Königin warten, eigentlich würde sie lieber zur Uni fahren. Weiter vorne stehen Schaulustige mit britischen Fahnen aus Papier in der Hand. Sie sind extra gekommen, um Elizabeth II. sehen. Kurz vor 12 Uhr ist es so weit. Kinder, Fotoapparate und Handys werden hoch gehalten. Queen Elizabeth II., die Königin von Großbritannien, ist mit dem Panoramazug aus Berlin am Hauptbahnhof angekommen. Zum vierten Mal besucht sie Deutschland, zum zweiten Mal ist sie in Potsdam.Von weiter hinten sieht man nur ein Stück des königsblauen Hutes gen Nordausgang verschwinden. „Ein besonderer Tag“, freut sich ein älteres Paar. „So viel Aufhebens um eine Person“, regt sich ein Mann auf, „Königshäuser passen nicht mehr in die Zeit.“ Entfernt hört man das Polizeiorchester spielen, die Menschenschlange bewegt sich im Zeitlupentempo hinter der Queen her. Nur die ersten in der Menge sehen noch, wie Elizabeth in ihrem königsblauen Mantel und Rock die Rolltreppe nach unten gleitet, in ihren bordeauxfarbenen Bentley steigt und in einer Karavane von schwarzen Limousinen gen Schloss Cecilienhof davonfährt. * * * Dort ist man auf die Ankunft Ihrer Majestät bestens vorbereitet. Oben kreist ein Hubschrauber, Ministerpräsident Matthias Platzeck, seine Lebensgefährtin Jeanette Jesorka und Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, stehen auf dem roten Teppich zur Begrüßung bereit. Der Schlösserchef ist der erste, dem die Queen ihre Hand entgegen streckt – er beugt sich elegant zum Diener. „Die Queen ist in bester Stimmung“, sagt Platzeck ein paar Minuten später, als Elizabeth II. vor dem Mittagessen mit 50 ausgewählten Gästen eine kleine Pause in der Hohenzollern-Suite macht. „Very Tudor!“ habe die Queen beim Anblick des Schlosses ausgerufen und sich wegen des englischen Baustils sogleich wie zu Hause gefühlt, weiß der Ministerpräsident außerdem zu berichten. Sie sei jedoch verwundert gewesen, dass einst so dicht am Schloss die Mauer gestanden habe. Mit seiner Meinung, Ihre Majestät sei eine „sehr angenehme Frau“, steht Platzeck, der sie mit drei Rosenstöcken der Sorte „Stadt Potsdam“ beschenkt, nicht allein. „Ich habe sie ganz natürlich empfunden“, meint auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs, der zusammen mit dem gesamten Kabinett und Persönlichkeiten wie Ex-Schlösserchef Hans-Joachim Giersberg, Ruderin Katrin Boron, Studio Babelsberg Motion Pictures-Chef Henning Molfenter, der Brandenburgerin des Jahres Brita Marx und der 17-jährigen Schülersprecherin des Helmholtz-Gymnasiums, Maria Rugenstein, zum feierlichen Mittagessen im Schlossrestaurant geladen war. Vor allem die Tischrede der Queen hat Filmproduzent Molfenter beeindruckt: „Sehr schön, sehr klar.“ Es sei ihr eine große Freude, wieder einmal in Potsdam zu sein, hatte Elizabeth II. gesagt und die Rolle Großbritanniens bei der „Förderung des Wohlstandes in Brandenburg“ hervorgehoben. Große britische Firmen hätten sich hier angesiedelt, angelockt „vom Können der Brandenburger und ihrer Bereitschaft, sich neuen Technologien zu öffnen“. Regelrecht „familiär“ sei die Stimmung gewesen, finden außerdem fast alle, die mit der Queen zu Mittag essen durften. „Ich wusste gar nicht, ob man sich unterhalten darf, aber es wurde viel gesprochen – das hatte ich nicht erwartet“, sagt Katrin Boron. Tatsächlich familiär ist die Begegnung mit der Monarchin aber nur für Georg Friedrich Prinz von Preußen. Elizabeth II. ist eine Tante zweiten Grades für den jungen Chef des Hauses Hohenzollern. „Es war sehr beeindruckend, sie zu treffen“, sagt er – auch wenn es zu einem Gespräch keine Gelegenheit gibt. Seine Chance nutzt dagegen Schlösserchef Dorgerloh: Bevor die Königin wieder aufbricht, führt er sie allein noch einmal durchs Schloss, in den weißen Salon und ganz unplanmäßig in die Schiffskabine. „Da wollte sie unbedingt hineinschauen“, so Dorgerloh. Überhaupt sei die 78-Jährige „sehr gut vorbereitet, sie lässt sich nicht nur vortragen“. Sie sei „überhaupt nicht hektisch und sie sieht genauso aus wie man sie kennt“. Für Potsdam ist Queen Elizabeth auf jeden Fall ein strahlender, weltbekannter Werbeträger: „Ihr zweiter Besuch hier ist großartig, so einen Imagefilm könnte man gar nicht drehen – denn das sind Bilder, die um die Welt gehen“, sagt Oberbürgermeister Jann Jakobs. * * * Gegen 13 Uhr. An der Toreinfahrt zum Krongut Bornstedt sitzen Polizisten. Sie schicken die Besucher durch eine Schranke. Wenn es piepst, muss die Tasche ausgeleert werden. „Ich finde das okay“, sagt eine ältere Dame, eine Queenverehrerin. Sie will lieber kontrolliert werden und sich sicher fühlen. Schon 1965, beim ersten deutschen Staatsbesuch von Elizabeth II., war sie dabei. „Damals trug Ihre Majestät ein gelbes Kleid.“ Mit einigem Abstand zu Herrenhaus und Brauerei haben die Polizisten die Sicherheitskordel gezogen. Dahinter stellen sich die Besucher auf. Es werden immer mehr. „Wir sind kleine Royalisten. Wäre toll, wenn wir in Deutschland auch eine Monarchie hätten, eine repräsentative Familie, zu der man aufschauen kann“, meint eine Frau im roten Plüschmantel. Sie ist aus Bernau angereist und stolz, bei diesem Ereignis dabei zu sein. Fotografen schieben sich Fässertische an die Absperrung und stellen sich oben drauf. Es ist fast still, als der Bentley vorfährt. Die königsblaue Majestät steigt aus, schüttelt Hände und geht, an den für sie aufgebauten Rolls-Royce-Düsentriebmotoren aus Dahlewitz vorbei, in das vor der Brauerei aufgebaute Zelt. Es dauert mehr als zehn Minuten, bis sie wieder herauskommt und endlich das macht, was sich alle Zaungäste wünschen. Sie geht auf das Publikum zu, vielleicht einen Meter von den Fans in der ersten Reihe entfernt wandert die Königin ein paar Schritte an der roten Kordel entlang. Sie lächelt, nimmt Blumen entgegen und einen Plastik-Tabaluga-Drachen, den ihr ein Kind überreicht. Die Zuschauer applaudieren und wedeln mit Union-Jack-Flaggen. Das Warten hat sich gelohnt. Sie knipsen das schöne Fotomotiv: Königin und Prinz winken vom Balkon des Herrenhauses herunter. Und bleiben und schauen, bis der Bentley im Konvoi gen Stahnsdorf vom Hof fährt.
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