Verschollenes Kunstwerk: Madonna kehrt nach Sanssouci zurück
Ein 1945 im Auftrag Stalins aus Sanssouci geraubtes Renaissancegemälde ist jetzt auf abenteuerliche Weise zurückgekehrt. Auf Umwegen war es aus Russland in die Niederlande gelangt.
Potsdam/Maastricht - Entführt, eingetauscht, weggesperrt – 70 Jahre dauerte die abenteuerliche Irrfahrt der „Madonna“ aus Potsdam. Erst wurde sie 1945 im Auftrag von Josef Stalin von einer Spezialeinheit aus dem Schloss Sanssouci entwendet, dann als Bezahlung für einen Auftrag von Gazprom nach Maastricht verfrachtet, zum Schluss landete sie bis zur Geldübergabe in einem Transporter an einer Tankstelle.
Am 21. Januar soll die Heimkehr des Gemäldes „Madonna mit Johanneskind“ ins Schloss Sanssouci, wahrscheinlich ein Werk des italienischen Renaissance-Künstlers Benedetto Caliari (1538 –1598), offiziell von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) bekannt gegeben werden. Zudem sollen vier weitere Gemälde nach Potsdam zurückkehren.
Kunstdetektiv gilt als James Bond der Niederlande
Aufgespürt hat die Madonna nach eigenen Angaben der niederländische Kunstdetektiv Ben Zuidema. Der knapp 80-Jährige hat bereits mehrere Bücher über seine Arbeit veröffentlicht und gilt Medienberichten zufolge als „007 der Niederlande“. „Ein deutschstämmiger Fabrikant aus Maastricht mit Namen Walter Schlotter hatte 2009 im Fernsehen einen Bericht über mich gesehen und wollte, dass ich für ihn die Madonna und 14 weitere aus Sanssouci gestohlene Gemälde an die Stiftung verkaufe“, sagte Zuidema am Dienstag den PNN. „Zuerst habe ich ihm nicht geglaubt und verlangt, dass er mir zumindest eines der Bilder zeigt. Und das war dann die Madonna mit dem Johanneskind. Daraufhin habe ich umgehend Kontakt zu der Stiftung aufgenommen und wir haben ein Treffen vereinbart“, berichtete Zuidema weiter.
Die Stiftung selbst hielt sich am Dienstag zu den Hintergründen der Heimkehr des Gemäldes mit Verweis auf den Termin in zwei Wochen bedeckt. Auch zur Herkunft der vier weiteren Kunstwerke äußerte sich die Stiftung nicht näher. Klar ist aber, mit den insgesamt 15 Gemälden aus Maastricht haben sie nichts zu tun. Das zumindest versicherte Zuidemas Detektei am Dienstag.
Kunstwerk war in Stalins Besitz
Dem niederländischen Kunstjäger zufolge soll „Madonna mit Johanneskind“ für längere Zeit im Privatbesitz Stalins gewesen sein. Das zumindest habe ihm Schlotter erzählt, sagte der Detektiv am Dienstag. Schlotter, der laut Zuidema 2013 verstarb, wollte die Madonna und die 14 weiteren Gemälde als Teilbezahlung für einen langjährigen Auftrag vom russischen Gasriesen Gazprom erhalten haben. „Schlotter hat Gasmessgeräte für Gasleitungen hergestellt.“ Der Fabrikant habe ihm erzählt, dass er von Gazprom immer nur Vorschusszahlungen für seine Leistungen erhalten habe. Als er schließlich die Endrechnung gestellt hatte, habe er für einen Teil der Summe anstatt Geld die Bilder erhalten.
Erstmals bekam die Stiftung laut Zuidema die Madonna im März 2009 zu Gesicht. Franziska Windt, Kustodin der Stiftung, sei zusammen mit einem Kollegen extra nach Maastricht gekommen. „Wir trafen uns in einem Hotel und fuhren dann in einem Taxi zu Schlotters Firma, wo man uns das Bild zeigte. Frau Windt hat das Bild sofort untersucht und dessen Echtheit festgestellt. Wir hatten zuvor verabredet, dass sie gegenüber Schlotter nichts vom Ergebnis ihrer Untersuchung verrät, sondern mir nur ein Zeichen gibt. Sie sollte die Brille erst ab- und dann wieder aufsetzen“, sagte der Kunstdetektiv weiter. Schlotter habe allerdings 300 000 Euro haben wollen, sagt Zuidema. „Mir war klar, dass das zu viel ist. Aber Frau Windt sagte, sie müsse zuerst mit der Direktion sprechen. Daraufhin hat Walter Schlotter das Bild sofort wegtragen lassen, und die Potsdamer guckten in die Röhre.“
Übergabe an der Tanke
Vier Jahre blieb es laut Zuidema still um die Madonna. Dann, nachdem Schlotter gestorben sei, habe sich plötzlich ein ehemaliger Angestellter seiner Firma bei ihm gemeldet und gesagt, er habe zumindest eines der 15 Gemälde, und zwar die „Madonna“. „Als ich ihn fragte, wie er dazu gekommen sei, sagte er mir, Schlotter habe sich kurz vor seinem Tod bei ihm 15 000 Euro geliehen und ihm das Gemälde als Pfand übergeben. Schlotters Erben hätten ihm gesagt, sie seien an dem Bild zweifelhafter Herkunft nicht interessiert, und er solle sich doch an mich wenden.“ Daraufhin habe er sofort Frau Windt informiert, und die Stiftung habe ihm den Auftrag gegeben, das Gemälde gegen 15 000 Euro auszulösen, berichtete der Kunstdetektiv weiter. „Für meine Arbeit habe ich 4000 Euro bekommen. Von den 14 anderen Bildern fehlt jede Spur.“
Als Ort für die Übergabe wählte Zuidema nach eigenen Angaben eine Tankstelle. Dort habe er sich mit dem Angestellten getroffen, der das Gemälde in einen Transporter gepackt hatte. „Ich sagte: Du gibst mir den Schlüssel für den Lkw, und ich gebe dir das Geld. In einer Stunde hast du den Wagen wieder.“
Nach PNN-Informationen hat die Stiftung das Gemälde bereits im September nach Potsdam geholt. Beinahe hätte Kustodin Windt sogar noch einen ganz Großen mitgebracht. „Unter den 15 Gemälden hat sich auch ein Carravagio im Wert von rund 20 Millionen Euro befunden. Schlotter hatte uns in der Fabrik zumindest ein Foto von dem Gemälde gezeigt. Frau Windt hatte es gleich als eines aus der Sanssouci-Sammlung wiedererkannt“, bestätigte Ben Zuidema. Dessen Verbleib und dem der anderen 13 Bilder aus dem Besitz von Schlotter sei man weiter auf der Spur, hieß es aus Detektei in Maastricht.
3000 Bilder sind noch vermisst
Insgesamt vermisst die Stiftung nach eigenen Angaben 3000 Gemälde. Sie sind in einem sogenannten Verlust-Katalog aufgeführt. Ebenfalls auf spektakuläre Weise waren bereits vor sechs Jahren zehn bis dato als verschollen geltende kostbare Werke aus der Bildergalerie Sanssouci wieder aufgetaucht, unter anderem eine „Maria“ von Peter Paul Rubens. Wie sich damals herausgestellt hatte, waren die Bilder 1942 in das Schloss Rheinsberg ausgelagert worden. Dort hatte sie dann die Ehefrau des ehemaligen Kastellans des Schlosses 1945 bei ihrer Vertreibung durch die Rote Armee aus dem Schloss mitgenommen. Danach lagerten die Bilder zunächst in Zechlin und Ostberlin, später in Mühlenbeck bei Oranienburg – hinter einem Sofa und im Wäscheschrank. In Unkenntnis ihres Werts hatten die Nachfahren der Frau die Bilder 2010 zunächst einem Berliner Auktionshaus vorgestellt, dann aber freiwillig und ohne finanzielle Forderungen an die Stiftung herausgegeben, nachdem sie von deren Herkunft erfahren hatten.
Über den genauen Verbleib der „Madonna“ ist dagegen bislang weit weniger bekannt. Wie lange das Gemälde im Besitz Stalins war, ist unklar. Schlotter habe sich in diesem Punkt unklar ausgedrückt, sagte Ben Zuidema am Dienstag. Das Bild sei wohl im Besitz „von Stalins Clique“ gewesen, er habe es aber möglicherweise später in seinem Umfeld verschenkt, habe Schlotter erzählt.
Die Angabe, dass es sich bei dem Maler der Madonna um Benedetto Caliari handelt, stammt von Zuidema und anderen niederländischen Medienberichten. Auch hierzu wollte sich die Stiftung nicht äußern. Der italienische Maler, Zeichner und Freskant ist der zweitjüngste Bruder des weitaus bekannteren Malers Paolo Veronese (1528-1588). Er gilt als bedeutender Meister der Spätrenaissance. Gemälde von Benedetto Caliari sind heutzutage unter anderem im Palazzo Pitti in Florenz, in der St. Petersburger Eremitage und im Palazzo Montecitorio in Rom zu sehen – und spätestens in zwei Wochen auch wieder in Potsdam. (mit alm)
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