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Kontroverse um Lob für die Rote Hilfe: Linke-Landtagskandidatinnen in der Kritik

Zwei Landtagskandidatinnen der Linken in Potsdam sympathisieren mit der als linksextrem eingestuften Roten Hilfe. Das sorgt für Kritik und Unverständnis. 

Potsdam - Die Nähe zweier Linke-Landtagskandidatinnen zur als linksextrem eingestuften Roten Hilfe sorgt im Wahlkampf für eine Kontroverse. Anlass sind öffentlich gestellte Fragen des Potsdamer CDU-Vorstandsbeisitzers Wolfgang Geist, der bei der Union den Arbeitskreis für Ordnung und Sicherheit leitet. Geist hat über das Portal abgeordnetenwatch.de verschiedene vornehmlich jüngere Kandidaten gefragt, wie sie es mit der Roten Hilfe halten – darunter Isabelle Vandre und Tina Lange. Beide bewerben sich für die Linke um Direktmandate in Potsdams Mitte und im Norden.

Bei Vandre fiel die Antwort wie erwartet aus, sie stand schon mehrfach wegen ihrer Mitgliedschaft bei der Roten Hilfe in der Kritik. Sie schrieb: „Als Demokratin bin ich der Auffassung, dass zu einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren auch eine angemessene juristische Unterstützung der Beschuldigten gehört. Dafür steht die Rote Hilfe ein.“

Der Verfassungsschutz kritisiert die Rote Hilfe schon lange

Der Brandenburgische Verfassungsschutz sieht das in seinem aktuellen Bericht jedoch ganz anders: Zwar trete die Rote Hilfe selbst nicht gewalttätig auf, der Verein wende sich aber „an gewaltbereite Autonome, indem er Straftäter mit juristischem und finanziellem Beistand unterstützt“. Es handele sich bei dem Verein „um eine Gewalt rechtfertigende Förderin“ der Szene. In Potsdam habe die Rote Hilfe rund 150 Mitglieder, schätzt die Behörde – Tendenz zuletzt steigend. Als perfide bezeichnet der Verfassungsschutz die Regeln der Roten Hilfe: So seien nur jene linke Straftäter einer Unterstützung würdig, „die von ihren Straftaten – gleich welcher Schwere – überzeugt sind und keine Reue zeigen“. Sobald ein Aktivist eine Überreaktion einräume oder sich gar für eine Beleidigung oder Körperverletzung entschuldige, „kann er nicht mehr mit der Solidarität der Roten Hilfe rechnen“, so die Sicherheitsbehörde.

Ferner biete die Organisation auch Aktions- und Blockadetrainings für die Szene an, aber auch Tipps zum Verhalten bei Ermittlungsverfahren. Dies alles trage laut Verfassungsschutz zur Professionalisierung der gewaltbereiten autonomen Szene bei, zumal die Rote Hilfe in den vergangenen Jahren eben kontinuierlich gewachsen sei.

Autonome, hier in Berlin. Die Rote Hilfe, so der Vorwurf von Sicherheitsbehörden, professionalisiert und fördert die linksextreme Szene. 
Autonome, hier in Berlin. Die Rote Hilfe, so der Vorwurf von Sicherheitsbehörden, professionalisiert und fördert die linksextreme Szene. 
© picture alliance / Michael Kappe

Für die Linke-Landtagskandidatin Lange ist der Verein anders zu bewerten. „Wer sich gegen Nazis, repressive Flüchtlingspolitik, Überwachung oder Militarisierung engagiert und deswegen staatliche Repression erleidet, findet bei der Roten Hilfe Unterstützung – und das kommt leider zu häufig vor. Damit rechtfertigt sie keine Gewalt, sondern schützt unsere Demokratie.“ Die Mathe- und Physiklehrerin erklärt auch, zum Beispiel unter Verweis auf die NSU-Morde, dass der „sogenannte Verfassungsschutz die Verfassung und unsere Demokratie keinesfalls schützt“ – dafür sei eine lebendige Zivilgesellschaft nötig. „Und die wiederum braucht eben manchmal die Rote Hilfe, weil sie sich für ebendiese eingesetzt hat.“ Lange ist die Frau des Potsdamer Bundestagsabgeordneten Norbert Müller (Linke), der ebenfalls Mitglied bei der Roten Hilfe ist.

Isabelle Vandre
Isabelle Vandre
© promo

Die Antworten von Lange publizierte CDU-Mann Geist bei Facebook. Dort kommentierte der Ex-CDU-Fraktionschef im Stadtparlament Matthias Finken: „Ich dachte, dass Landtagsabgeordnete als Mitglieder eines Verfassungsorgans die Mittel des Staats stärken sollen.“ Wenn der Schwerpunkt aber im außerparlamentarischen Bereich liege, frage man sich, was man dann im Parlament zu suchen habe. Auch der national-konservativ ausgerichtete Blog „Tichys Einblick“ widmete den Antworten der Linken einen Beitrag: „Wie der Linksextremismus eine Stadt unterwandert“. Autor ist der Potsdamer Polizeibeamte und Sachbuchautor Steffen Meltzer.

Tina Lange
Tina Lange
© Promo

Andere Kandidaten, andere Antworten

Differenzierter antworteten die Landtagskandidaten von Bündnis 90/Grüne auf die Fragen von CDU-Mitglied Geist. So schreibt Marie Schäffer, das Kooperationsverbot der Roten Hilfe halte sie für „hochproblematisch, denn es sendet das Signal aus, dass man nur ‚dazu gehört‘, wenn man jede Zusammenarbeit mit dem Rechtsstaat verweigert“. Diesen Ansatz hält auch Grünen-Kandidat Robert Funke für „grundlegend falsch“. Schäffer schreibt aber auch, für sie stelle sich die Frage, ob die Rote Hilfe tatsächlich „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet" sei, wie vom Verfassungsschutz postuliert. Funke findet, dass die Übernahme von Anwalts- und Verfahrenskosten für linke Aktivisten „nur fair“ sei – „reiche Steuerhinterziehende“ würden „durch gleiche Kosten vor geringere Herausforderungen gestellt“. Zudem sei die Organisation in von ihm unterstützten Bereichen wie Antifaschismus und Antidiskriminierung aktiv, so Funke.

CDU-Mann Geist hat übrigens auch seinen Parteifreund Clemens Viehrig offiziell befragt. Dessen Antwort: „Danke für Ihre Frage, meine Partei und ich ganz persönlich setzen sich gegen jede Art von Extremismus ein. Jede Form von Extremismus hat und darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben. Dazu zählt auch jede Art von Unterstützung und Relativierung.“ Ähnlich äußert sich SPD-Kandidatin Klara Geywitz: „Ich lehne Extremismus in jeder Form ab.“ Weitere Politiker wurden nicht befragt, wie Geist bestätigte. Er habe sich wegen der räumlichen Nähe nur für die Kandidaten aus der Innenstadt und dem Norden Potsdams interessiert. Und er habe nur diejenigen befragt, „wo mir eine Antwort wichtig war“.

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