Potsdam: Leere Teller – volle Kasse?
Beim Thema Schulessen spielen auch die Eltern eine wichtige Rolle: Ohne deren Engagement und Geld ist eine bessere Versorgung kaum machbar. Zwei Beispiele aus Groß Glienicke und Drewitz
Wenn Geralt Nijboer volle Teller sieht, geht bei ihm das Blaulicht an. Denn dann hat das Mittagessen den Kindern der Hanna-Pestalozza-Grundschule in Groß Glienicke nicht geschmeckt. Und der Koch muss dafür gerade stehen. „Für mich ist jedes Kind Gast“, sagt der gebürtige Holländer. Wie der Küchenchef eines Restaurants geht er durch den Speisesaal, um die Kinder nach ihrer Meinung zu den heute servierten Bratwürstchen mit Kartoffelbrei und dem Apfelstrudel mit Beerenkompott zu fragen. Ein guter Tag für Nijboer: Die meisten Teller sind leer, ein Junge will sogar Nachschlag.
Seit zwei Jahren kocht Nijboer mit seinem Team für rund 250 Kinder. Inzwischen essen sogar die meisten Lehrer mit. Als die Speisen noch vom Caterer kamen, ging dagegen kaum einer von ihnen in die Aula zum Essen. Die Schule hatte verschiedene Anbieter ausprobiert, mit keinem war man richtig zufrieden. Dann hatten Lehrer und Eltern sich entschieden, dass für die Kinder selbst gekocht werden soll. Die vorhandene Garküche wurde provisorisch umfunktioniert. Die Schule hat einen 180 Quadratmeter großen Anbau geplant – für eine Großküche mit moderner Ausstattung und ausreichend Lagerkapazität.
Die Hanna-Pestalozza-Grundschule ist neben der Förderschule am Nuthetal eine von zwei Schulen in Potsdam, wo vor Ort frisch zubereitet wird. Andere Schulen würden die Essensversorgung ihrer Schüler zwar gern selbst übernehmen. Doch der Weg dahin ist schwierig, wie so oft fehlt es an Geld. In Groß Glienicke sind es vor allem die Eltern, die sich für eine Umstellung der Essensversorgung eingesetzt haben. Ohne ihr Engagement wäre das nicht machbar, sagt Antje Zenker, die stellvertretende Schulleiterin. So sind es die Eltern, die ehrenamtlich die monatliche Essensabrechnung für die Schule machen. Und sie sind es auch, die versuchen, Gelder aufzutreiben. „Wir sind jeden Tag am Kämpfen“, sagt Sabine Schlüter-Albrecht vom Elternvorstand. „Es ist natürlich immer die Frage, welche Zuschüsse man bekommt.“ Für sie aber ist die Arbeit selbstverständlich, schließlich habe sie eine Vision, wie Schulleben gestaltet sein soll. Und dazu gehört ein gesundes Essen für die Kinder.
Mehrere 100 000 Euro kostete der Neubau und die Ausstattung der Profiküche in Groß Glienicke. Die Finanzierung läuft über Kredite der ILB und der GLS-Bank. Die Elterninitiative Spatzennest hat etwa 45 000 Euro beigesteuert.
„Bei uns können Eltern das nicht mitfinanzieren“, sagt dagegen Elvira Eichelbaum. Sie ist die Schulleiterin der Grundschule am Priesterweg in Drewitz. „Die meisten Eltern sind froh und glücklich, wenn die Kinder ein warmes Essen bekommen.“ Von 260 Kindern bekommen 200 ein Mittagessen zum ermäßigten Preis, 30 von ihnen essen kostenlos. Seit sozial benachteiligte Familien finanziell unterstützt werden, damit ihre Kinder mitessen könnten, erhöhte sich die Zahl der Esser rapide, erinnert sich Eichelbaum. Zuvor nahmen nur 17 Schüler am Essen teil. Beliefert wird die Schule derzeit von Sodexo.
Unlängst die böse Überraschung: 52 Schüler wurden von dem Darmvirus infiziert, der bei dem Großcaterer in tiefgefrorenen Erdbeeren aus China nachgewiesen wurden (PNN berichteten). Nun überlegt die Elternschaft mit der Schulleitung, den Anbieter zu wechseln. Das wäre dann bereits zum zweiten Mal.
Auch Eichelbaums Traum ist es, dass für die Schule vor Ort gekocht würde. „Das ist eine ganz andere Qualität“, sagt sie. Eine eigene Vollküche hatte sie auch bei den Planungen des Neubaus der Schule gefordert. Als Stadtteilschule soll sie schließlich zugleich Begegnungsstätte in Drewitz werden. „Eine Küche, in der selbst gekocht wird, war ein wesentlicher Bestandteil der Ursprungsidee einer Stadtteilschule“, sagt Eichelbaum. „Das wäre traumhaft: Alle sollen essen gehen, auch die Eltern, die Senioren, die Sportvereine am Abend.“
Doch daraus wird wohl nichts. Die Stadt hat nur eine Aufwärmküche geplant. Die kostet nur halb so viel wie eine Vollküche. Die Planungen seien schon weit fortgeschritten, sagt die Potsdamer Bildungsexpertin Manja Orlowski (SPD). Sie bezweifelt, dass jetzt noch Veränderungen möglich sind. Eichelbaum fragte bei der Stadt nach, ob künftig die Küche zu einer Vollküche umgebaut werden könnte. Bisher hat sie keine Antwort bekommen.
Einerseits habe die Stadt ihr Mitspracherecht versprochen, klagt Eichelbaum, andererseits die eigene Frischeküche nicht genehmigt. „Wie wichtig ist es den Leuten, die die Schule bauen, eigentlich, auf die Bedürfnisse der Kinder Rücksicht zu nehmen“, empört sich Eichelbaum. Caterer wie Sodexo könnten kein kindgerechtes Essen anbieten. Doch die Stadt spielt den Ball zurück: Die Schule habe kein Konzept vorgelegt, heißt es.
Als Alternative ist für die Stadtteilschule jetzt zumindest ein Kochstudio für eine Koch-AG geplant. In der Schule in Groß Glienicke hat man inzwischen andere Sorgen. Räumliche Probleme etwa. Es sei immer noch zu laut, sagt Antje Zenker. Und: Wie kann man die Mensa ansprechender gestalten, wie lassen sich Tischschmuck oder Serviettenständer finanzieren? Auch die Schüler im Priesterweg befassen sich in einer Projektwoche mit ihrer zukünftigen Mensa. Nur die Voraussetzungen sind ganz andere.
Grit Weirauch
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