25 Jahre Atelierhaus: Kunst und Geschichte der Panzerhalle
Das Atelierhaus Panzerhalle feiert Jubiläum. Das Kunsthaus Potsdam wirft in einer Ausstellung einen Blick zurück.
Gross Glienicke/Jägervorstadt - Das Kanonenrohr eines rosaroten Panzers zielt im Kunsthaus Potsdam direkt auf den Besucher. Eine kleine Wasserpistole liegt im Rohr, damit könnte auf den Besucher geschossen werden, mutmaßt Rahel Schrohe, die Kuratorin der Ausstellung über die Geschichte des Ausstellungshauses Panzerhalle. Entstanden ist die aus Zeitungen, Hasendraht und Armiereisen von Birgit Cauer gefertigte Kanonenattrappe im Jahre 2005, also fast schon am Ende der Periode des Atelierhauses, die der Kunstverein Kunsthaus im Ulanenweg ab Sonntag anlässlich des 25. Geburtstages der Panzerhalle dokumentiert.
Begonnen hatte es 1995: Damals waren Künstler und Künstlerinnen, nach langen Vorbereitungen, in die ehemalige Panzerreparaturwerkstatt der Nationalen Volksarmee der DDR in Groß Glienicke eingezogen. Bis 2007 haben sie dort gearbeitet und häufig Werke erstellt, die sich unmittelbar auf den Ort und das umgebenden Kasernenareal bezogen. „Waldsiedlung“ war der Tarnname zu DDR-Zeiten und heißt das Gelände auch heute, nachdem die Halle abgerissen und ein Villenrefugium entstanden ist.
Abgeschiedenheit und Kreativität
Das 1000 Quadratmeter große Gebäude der Panzerhalle mit dem weitläufigen, von hohen Säulen unterbrochenen Innenraum bot den einziehenden Künstlerinnen und Künstlern seinerzeit ideale Arbeitsmöglichkeiten: viel Platz, ein Raum, der schon aufgrund seiner Geschichte und des durch diese geformten Erscheinungsbildes ohnehin unmittelbar kreative Assoziationsprozesse in Gang setzte und ein eine Abgeschiedenheit, die ein entspanntes Arbeiten ermöglichte. Viele der dort entstandenen Arbeiten spiegeln die besondere lokale Situation des Atelierhauses wieder.
„Als ich den Raum sah, wollte ich nicht mehr auf Leinwand arbeiten. Die Wände und das ganze Ambiente riefen nach einer unmittelbaren künstlerischen Reaktion“, erinnert sich die Künstlerin Bettina Schilling. Fortan entstanden Reliefs von Figuren, die sie aus Papier-, Teppich- und sonstigen Restmaterialien ausschnitt und mit denen sie Ensembles an Wänden oder im freien Raum schuf
Ein Wolf im Wald
Im Kunsthaus verbinden ihre aus grünem Teppichbelag gefertigten, ornamentalen Zeichen und Figuren den Innenraum mit der vor und beim Ausstellungsraum befindlichen Botanik. Auf der Empore schleicht ein aus Papier geschnittener Wolf, schließlich befand sich das Atelierhaus im finsteren Wald. Von den Deckenbalken des Ausstellungsraumes hängen die auf Transparentpapier gemalten Kohle- und Ölzeichnungen von Eva Kohler herab. Sie unterstreichen so noch einmal die Höhe der ehemaligen Halle und beziehen sich mit den darauf befindlichen, „Lenné“ betitelten, Zeichnungen auf den großen Gartenbaumeister. Die elf „Himmelsbohrer“ von Michael M. Heyers ragen ebenfalls in die Höhe und sind aus Robinien gefertigt, die Heyers auf dem Gelände gefällt hat, als feststand, dass die Künstler der neu entstehenden Siedlung würden weichen müssen. Dahinter rotieren schwarze Kreise, vielleicht sind es Sonnen, vielleicht auch nur ornamentale Muster.
„Cavia“ wiederum ist der Titel des großen Ölbildes von Anita Staudt. 1994 ist es entstanden, also zu einer Zeit, als die Künstlerin zusammen mit Eva Kohler und Bettina Schilling sich darum bemühte, das Gelände als Ausstellungs- und Produktionsraum nutzen zu können.
In den Folgejahren formte sich in der einstigen Reparaturwerkstatt ein ganz eigenes Klima unter den mehr als 20 Künstlern. Der morbide Charme der ehemaligen Werkstatt, der nahe Wald, die weitläufigen Wiesenflächen prägten die künstlerischen Arbeiten. Es entstand ein Zusammenhang, der sich auch Besuchern erschloss, die Einblick in die gelegentlich geöffneten Ateliers erhielten. Als die gewinnbringende Verwertung der ländlichen Immobilie feststand, trug der in den Jahren entstandene Zusammenhalt weiter. Den Künstlern gelang es, eine neue Bleibe im Gebäude einer ehemaligen Soldatenunterkunft auf dem Kasernengelände zu finden. Das „Neue Atelier Panzerhalle“ bietet jetzt funktionale Arbeitsmöglichkeiten, der frühere besondere Charme fehlt allerdings.
Dem künstlerischen Gedanken verpflichtet
Auch in den alten Hallen entstanden bereits Werke, die allein dem künstlerischen Gedanken und nicht auch der Umgebung verpflichtet waren. Beispielsweise die Skulptur „Semele, Mutter des Bacchus“ von Frauke Danzer. Draht, Textil und Wolle gibt die Künstlerin als Materialien für das voluminöse Objekt an, bei dem rundliche Körper, Brüsten gleich, an einen Torso aus Watte und Draht appliziert sind und so mammale Assoziationen evozieren. Die Arbeiten der Konzeptkünstlerin Silvia Klara Breitwieser sind aus einem künstlerischen Prozess entstanden, bei dem Breitwieser sich in einem Werkzyklus mit der Heilandskirche in Sacrow auseinandergesetzt hat. Den Säulengang und die vielfach eingeritzten Kacheln der Wände hat die Künstlerin zu Fotofriesen verarbeitet.
Der Performance-Künstler Carsten Hensel wiederum ist mit Zeichnung, Fotografie und einem Schlitten vertreten, den er als Monument auf eine Säule montiert, in die er verschiedene Materialien und Fundstücke appliziert, die sich in der Halle befunden haben.
Auftakt einer mehrteiligen Reihe
Die Ausstellung im Kunstverein Kunsthaus ist der Auftakt einer mehrteiligen Reihe, mit der die Geschichte des Atelierhauses dokumentiert wird. In der Galerie M folgt eine weitere Ausstellung über die Zeit des Neuen Atelierhauses Panzerhalle nach 2007 und in der Kommunalen Galerie Charlottenburg Wilmersdorf wird ein umfassender Blick auf das gesamte Projekt geworfen.
„Ein Atelierhaus-Jubiläum in vier Teilen“, 26. Juli bis 6. September im Kunstverein Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9
Richard Rabensaat
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