zum Hauptinhalt

Potsdam: Kritik von allen Seiten

Auch mit dem neuen Gesetz bleiben die Sonntagsöffnungszeiten in Potsdam umstritten. Verdi will klagen

Die Landeshauptstadt Potsdam muss in diesem Jahr mit Klagen gegen ihre sechs verkaufsoffenen Sonntage rechnen. Das kündigte der Potsdamer Handelsfachmann der Gewerkschaft Verdi, Markus Hoffmann-Achenbach, am Freitag auf PNN-Anfrage an. Die von der Stadt für die sechs Sonntage genannten Begründungen reichten allesamt nicht aus, sagte der Gewerkschafter. „Wir bereiten daher die juristischen Auseinandersetzungen vor dem Verwaltungsgericht vor.“ Ob bereits gegen die für den 28. Mai geplante Sonntagsöffnung zur Antikmeile vorgegangen wird, ließ Hoffmann-Achenbach aus Zeitgründen offen. Allerdings könne ein Markt mit antiken Gegenständen in der Jägerstraße nicht rechtfertigen, dass im gesamten Stadtgebiet die Sonntagsruhe gestört werden solle.

Schon mehrfach hatte Verdi insbesondere die verkaufsoffenen Sonntage zur Antikmeile und zur Schlössernacht mit ähnlichen Argumenten gegeißelt – auf eine Klage aber verzichtet. Nur 2015 hatte Verdi per Gerichtsbeschluss kurzfristig einen verkaufsoffenen Sonntag gekippt. Rathaussprecher Markus Klier wollte die Klagedrohung nicht weiter kommentieren: „Die Argumente sind für uns nicht neu. Wir lassen das auf uns zukommen.“

Für verkaufsoffene Sonntage muss die Stadt ein besonderes Ereignis nennen – dieses liegt vor, wenn laut Gesetz nicht nur die Einwohner einer Stadt, sondern auch auswärtige Besucher angezogen werden. Nur dann soll dem Handel die Möglichkeit gegeben werden, den Zustrom der Besucher geschäftlich zu nutzen – ob das zum Beispiel bei der Antikmeile oder zum Weihnachtsmarkt der Fall ist, müssen also vermutlich bald die Gericht klären.

Juristische Auseinandersetzungen werden auch zur erst in dieser Woche im Landtag verabschiedeten „Lex Potsdam“ erwartet, das flexiblere Ladenöffnungszeiten an Sonntagen ermöglichen soll (siehe Kasten). Auch hier hatte die Gewerkschaft bereits mit Gerichtsklagen gedroht. Es würden nur die Interessen der umsatzstarken Metropolen befördert, hieß es von Verdi schon im Gesetzgebungsverfahren. Auch die Kirchen hatten sich gegen Ausnahmen vom verfassungsgemäß verankerten Schutz der Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen gewandt.

Doch auch auf der Seite der Handels- und Kommunalvertreter, die eigentlich für mehr Sonntagsöffnungen sind, ist man mit dem neuen Gesetz nicht rundweg zufrieden. Die Gesetzesnovelle sei zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, sagte Stadtsprecher Klier. „Sie bedeutet aber de facto, dass weniger Geschäftsstellen geöffnet haben können als vorher, da der jeweilige ,sechste’ Sonntag auf fünf Stadtteile begrenzt ist.“ Potsdam hatte sich in der Vergangenheit stets für mehr verkaufsoffene Sonntag eingesetzt – und war mehrfach damit gescheitert.

Ähnlich wie das Rathaus sieht es die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer Potsdam, Beate Fernengel: „Das ist nur ein Etappensieg – wir sollten nicht zu euphorisch sein, denn nach wie vor brauchen wir Chancengleichheit im Wettbewerb mit Berlin.“ Dort sind zehn verkaufsoffene Sonntage möglich. Wolfgang Cornelius von der Händlergemeinschaft AG Innenstadt sagte den PNN, es handele sich nur um eine kleine Verbesserung. „Aber endlich können Läden rund um örtlich begrenzte Veranstaltungen öffnen, ohne das ein ganzer Sonntag für das gesamte Stadtgebiet verbraucht wird.“ Dennoch sei die Regelung für einen Tourismusort wie Potsdam zu wenig, zumal im Wettbewerb mit Berlin. „Wir hoffen mittelfristig auf weitere Verbesserungen.“

Cornelius beklagte, gerade Innenstadthändler seien einem unfairen Wettbewerb ausgesetzt, speziell wegen des Internethandels. „Dort wird auch an Sonntagen gearbeitet.“ Mit dieser Konkurrenz hätten Einzelhändler schwer zu kämpfen, machte Cornelius deutlich – und warnte vor „toten Innenstädten“, die nur schwer wieder zu beleben seien. Die Gewerkschaft solle sich fragen, ob sie Arbeitsplätze im Einzelhandel riskieren wolle – zugunsten von Internethändlern mit aus der Sicht von Cornelius schlechteren Arbeitsbedingungen. Verdi hält dieser Position entgegen, man müsse den Händlern helfen, die Digitalisierung insgesamt besser für sich zu nutzen.

Doch schon während der Gesetzesänderung hatte der Handelsverband Berlin- Brandenburg auf eine Studie des Instituts für Handelsforschung verwiesen, wonach im Land Brandenburg auch aufgrund des Onlinehandels mit Umsatzrückgängen beim Einzelhandel zu rechnen sei. Das könne große Auswirkungen auf die die Innenstädte haben: Die Kaufleute müssten daher jedes Ereignis vor Ort nutzen, das ihnen die Möglichkeit einräume , die Innenstädte zu präsentieren, Kunden wiederzugewinnen oder an sich zu binden.

Kritik gibt es auch für ein weiteres wichtiges Detail des neuen Gesetzes. Wie berichtet soll ein Erlass von Sozialministerin Diana Golze (Linke) dafür sorgen, dass neben der Begründung für das „besondere Ereignis“ auch „straßengenau“ dargelegt wird, warum in welchem genauen Gebiet die Läden öffnen können. Das werde für zusätzlichen bürokratischen Aufwand in den Kommunen sorgen, kritisierte Karl-Ludwig Böttcher, der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds Brandenburg. „Da wird überzogen.“ Bei der IHK hofft man trotz den Bedenken darauf, dass der Aufwand überschaubar bleibe. Außerdem handele es sich bei den meisten Veranstaltungen, die eine Sonntagsöffnung rechtfertigen, um wiederkehrende Ereignisse, so eine Verbandssprecherin.

Zur Startseite