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Nachbarschaftskrimi. 170 Jahre ist das denkmalgeschützte Fachwerkhaus alt, zu DDR-Zeiten war es hochfrequentiert.
© Ottmar Winter

Teurer Nachbarschaftsstreit: Krimi um "Parkrestaurant Nedlitz"

Als Carlos Zwick das heruntergekommene alte "Parkrestaurant Nedlitz" kauft und anfängt zu sanieren, herrscht eitel Sonnenschein - bis am 6. Juli 2018 eine ominöse Drohne über das Gelände fliegt.

Potsdam - Es geht um altes Holz und alte Steine, um alte Bäume und sehr viel Geld. Vor allem geht es in der massiven Auseinandersetzung zwischen den Neu Fahrländern Carlos Zwick, seiner Lebensgefährtin Claudia Kensy und den Behörden um die Frage, wann ein historisches Fachwerkgebäude noch ein Altbau ist oder durch die Sanierung zum Neubau wird – und der Denkmalschutz entfällt. Die Antwort entscheidet über Abschreibungsmöglichkeiten in Höhe von Hunderttausenden Euro.

Als der Architekt Zwick, 69, und seine Lebensgefährtin, die Journalistin Kensy, 55, im Jahr 2014 in Neu Fahrland ein rund 4000 Quadratmeter großes Grundstück am Jungfernsee kaufen, kennen sie das Problem: fünf Jahre lang ist das Areal trotz des Schnäppchenpreises von rund zwei Millionen Euro unverkäuflich gewesen – wegen eines 170 Jahre alten, denkmalgeschützten Fachwerkhauses auf dem Gelände, dem zu DDR-Zeiten hochfrequentierten "Parkrestaurant Nedlitz". Es befindet sich in einem maroden Zustand und muss aufwändig restauriert werden. Seit der Wende stand es leer, 30 Jahre rottete es vor sich hin.

Das Parkrestaurant Nedlitz am Jungfernsee. Seit der Wende stand es leer, 30 Jahre rottete es vor sich hin. Gestritten wird nun darüber, ob es noch als Denkmal gelten darf, seitdem der Ballsaal abgetragen wurde. 
Das Parkrestaurant Nedlitz am Jungfernsee. Seit der Wende stand es leer, 30 Jahre rottete es vor sich hin. Gestritten wird nun darüber, ob es noch als Denkmal gelten darf, seitdem der Ballsaal abgetragen wurde. 
© RBB

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Der Architekt und Neu-Neu Fahrländer Zwick ist Experte für historische Bauten, in Potsdam hat er etwa die um 1889 erbaute Ruinenberg-Kaserne restauriert. Zwicks Anamnese des Patienten Parkrestaurant ist denkbar negativ: Hausschwamm, Nassfäule und Pilzbefall haben das Fachwerk zu 60 Prozent zerstört, eine Sanierung ist unmöglich. Doch Zwick traut sich das zu und investiert rückblickend „bestimmt 500.000 Euro“. 

Baubeginn ist am 27. Juni 2015. Er lässt das Gebäude abtragen, die brauchbaren Teile sanieren und wiederaufbauen – immer in Absprache mit der dem Bauamt zugeordneten Unteren Denkmalschutzbehörde. Das Landesamt für Denkmalschutz ist hernach voll des Lobes, Lars Schmäh, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, sieht das ähnlich. Vor einer Kamera des RBB zeigt er sich „froh darüber, dass dieses alte Ensemble wieder entstanden“ sei und „sich jemand gefunden hat, der sich der herausfordernden Aufgabe gestellt hat und diesen Gebäuden wieder Leben einhaucht“.

Da schien die Welt zwischen den Bauherren und den Behörden noch in Ordnung zu sein. Zwick plant mit seiner Partnerin damals ein kleines Hotel mit 15 Zimmern im Obergeschoss des Restaurants, eine Kunstakademie und ein Restaurant im alten Ballsaal sowie im Keller eine Musikkneipe.

Anzeige von den Nachbarn

Dann knallt es zwischen der Stadt und Zwick. Am 6. Juli 2018 stellt die Bauaufsicht bei einer scheinbar überraschenden Ortsbesichtigung fest, dass der denkmalgeschützte Tanzsaal „entgegen der Baugenehmigung“ vollständig abgetragen worden sei. Was Zwick nicht weiß: Nachbarn, mit denen er im Streit ist, haben ihn angezeigt. Vier Tage später, am 10. Juli 2018, ordnet die Stadt einen Baustopp an. Die Landesdenkmalschutzbehörde entzieht den Denkmalstatus. Schlimmer noch: Nach seinen Angaben hat Zwick mit der Bauaufsicht abgestimmt, für alle Gebäude des Areals zunächst keine Nutzungsanträge zu stellen: „Deswegen sind wir seit zwei Jahren völlig blockiert“, sagt Zwick.

Der Architekt Carlos Zwick, 69, erwarb 2014 in Neu Fahrland das 4000 Quadratmeter große Grundstück mit dem Parkrestaurant. 
Der Architekt Carlos Zwick, 69, erwarb 2014 in Neu Fahrland das 4000 Quadratmeter große Grundstück mit dem Parkrestaurant. 
© Ottmar Winter

Wie aber kommt es zu dem plötzlichen Verdacht der Bauaufsicht, dass etwas nicht stimmt am Jungfernsee? Der Krimi um den Grundstückskrieg wäre kaum zeitgemäß, wenn nicht ein ominöser Drohnenangriff eine Rolle spielen würde. An einem Tag im Juli 2018 fliegt ein Quadrokopter mit Bordkamera über das Gelände, wenig später, so Zwick, seien ihm im Bauamt Luftaufnahmen gezeigt worden. Klar zu erkennen ist, dass der Saal demontiert und der Keller vergrößert worden ist – ohne Genehmigung, wie die Behörden bis heute behaupten. Im Bauamt erfährt Zwick auch, dass ein Nachbar ihn angezeigt habe – und ein weiterer, der Nachbar S., „wöchentlich dort aufgetaucht ist und uns denunziert hat“. Wer aber verbirgt sich hinter dem Anonymus mit der Drohne? Wollte das Landesamt für Denkmalschutz einen Bausünder überführen? „Wir waren das sicher nicht“, sagt Haiko Türk, Referatsleiter Baudenkmalpflege, „eine Amtsdrohne hätten wir dafür nicht eingesetzt. Wir haben schließlich ein Betretungsrecht.“

Fotos mit der Drohne

Carlos Zwick glaubt, den Drohnen-Piloten und seine Hintermänner zu kennen. Der Paparazzo von der Tschudistraße gehört, davon ist Zwick überzeugt, zum familiären Umfeld seines früheren Nachbarn Sch., mit dem er wegen eines Streits um Honorare über Kreuz liegt. Die PNN befragten per E-Mail Stephan Sch., einen von dessen Söhnen. Der wollte die Kontaktdaten seines Vaters nicht herausgeben, versicherte aber, dessen Vertrauen zu haben. Am Sonntag schrieb Sch. junior: „Ja, es gab meines Wissens nach mehrere Personen, die die Umstände auf der Baustelle Tschudistraße 5 festgehalten und teilweise auch an das Bauamt gemeldet haben.“ Dann gab Sch. preis, „Drohnenfotos aus dem Sommer 2018 gesichtet“ zu haben. Dabei sei es um die Anzeige gegen Zwick wegen einer „flächendeckenden Steganlage in einem Seerosengebiet“ gegangen. Hierfür sei eigentlich „keine Drohne nötig“ gewesen, „bot aber einen besseren Überblick über das Ausmaß“. Diese Fotos seien „uns ohne unsere Veranlassung zugegangen“.

Es gab ihn also, den Paparazzo von der Tschudistraße – und einen fiesen Nachbarschaftsstreit vor den Toren Potsdams, der mit modernster, wenn auch illegal angewendeter Überwachungstechnik ausgetragen wurde.

Die Stadt widerspricht

Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Zwick und den Behörden steht nach wie vor die Frage, ob er den Ballsaal, an dessen Stelle nun eine riesige Baulücke zu finden ist, hätte demontieren dürfen. Der Architekt behauptet, seine Vorgehensweise sei mit der Mitarbeiterin A. von der Unteren Denkmalschutzbehörde „vereinbart“ worden. Die Stadt bestreitet eine solche Vereinbarung. „Herr Zwick hat keine Genehmigung für den Abriss gehabt. Eine mündliche Zusage dafür hat es nicht gegeben”, sagt auch Haiko Türk, Referatsleiter im Landesamt: „Vor allem muss er als Architekt wissen, dass eine mündliche Absprache keine Genehmigung ersetzen kann. Die Untere Denkmalschutzbehörde als Teil des Potsdamer Bauamtes hätte dies mit uns absprechen müssen und es ohne Zweifel auch getan. Herr Zwick hat ja nicht nur ein paar Balken ausgewechselt oder ein paar Ziegel ausgetauscht.“ Der Denkmalpfleger hält das Problem für „nicht lösbar“. Es könne „keinen Rückweg zur Anerkennung des Saals als Denkmal geben“.

„Kein Neubau, sondern ein reparierter Altbau“

Und doch stehen Zwick und Kensy mit nicht allein. Schützenhilfe erhalten sie vom langjährigen Potsdamer Stadtkonservator Andreas Kalesse. Der ehemalige Stadtbedienstete kann die rigorose Haltung der Behörden nicht nachvollziehen: „Ein Fachwerkbau wie dieser besteht aus einer Balken- und einer Eisenkonstruktion, deren Einzelteile ineinandergesteckt und verspannt werden. Muss er, wie im Parkrestaurant, repariert werden, müssen die Teile auseinandergenommen und später wieder zusammengefügt werden. Dann stellt man alles dort auf, wo der Saal stand.“ Aber das sei dann, so Kalesse, „kein Neubau, sondern ein reparierter Altbau“. Der Entzug des Denkmalstatus „ist meiner Meinung nach völlig falsch. Gehen die Eigentümer vor Gericht, wird das für das Amt sicherlich blamabel enden.“ Deswegen müsse man den Denkmalschützern raten, „die Aberkennung der Denkmalschutzeigenschaft schleunigst zurückzunehmen und die Eigentümer in den vorherigen Stand zu setzen.“

Das Paar will sein Recht nun vor dem Verwaltungsgericht durchsetzen. „Wir ziehen das durch“, sagt Zwick, „wir wollen das zu Ende bringen und uns unseren Traum erfüllen.“

Carsten Holm

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