Potsdamer Einzelhändler: Kreativ in der Krise
Seit Mitte Dezember ist das Stoffgeschäft von Rita Ehnert in Babelsberg wegen der Pandemie geschlossen. Jetzt muss sie wie andere Einzelhändler darum kämpfen, ihre Kunden nicht an große Online-Versandhändler zu verlieren - dabei geht es um Existenzen.
Potsdam/Neuruppin - Rita Ehnert vom Stoffgeschäft Enny's Salon im Potsdamer Stadtteil Babelsberg kommt in letzter Zeit nur noch selten in den Laden. Das Geschäft, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Tom Ehnert erst im Januar 2020 übernommen hat, ist wegen der Corona-Pandemie seit Mitte Dezember geschlossen. Normalerweise finden in dem Laden in der Karl-Liebknecht-Straße neben dem Stoffverkauf Nähkurse statt, auch gibt es ein Nähcafé. Jetzt aber bleiben die knapp 1000 verschiedenen Stoffe in unterschiedlichen Farben und Mustern in den Regalen.
Wie viele andere Einzelhändler in Brandenburg haben sich auch Ehnerts etwas ausgedacht, wie sie für ihre Kundinnen und Kunden erreichbar bleiben. Im Fenster hängen Zettel, auf denen E-Mail-Adresse, Webseite und Telefonnummer geschrieben stehen, darüber können Bestellungen aufgegeben werden. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr wurden vor allem die von Rita Ehnert zusammengestellten Nähsets für Stoffmasken mit Zuschnitt und Anleitung bestellt. Doch seit der erneuten Schließung im Dezember ging keine Bestellung mehr ein. „Wir müssen im April schließen“, sagt Tom Ehnert, das Geld reiche nicht mehr aus, um das Familienunternehmen zu retten.
Angebot wird nur minimal genutzt
Bestellung per Anruf und online, das bietet auch Linum Wohntextilien in der Dortustraße in der Potsdamer Innenstadt an. Das Geschäft hat bei Facebook und auf der Internetseite auf den Service aufmerksam gemacht. Ware wird sogar kostenlos innerhalb Potsdams verschickt. Dennoch werde das Angebot nur minimal genutzt, sagt Mitinhaber Christof Schulz-Brüder. „Zumindest im Dezember bringt das nicht mal fünf Prozent unseres sonstiges Umsatzes ein. Ich denke, die meisten machen es sich dann doch einfacher und bestellen bei Amazon.“
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Vor allem komme es aber auch auf das angebotene Sortiment an, meint Schulz-Brüder. „Wir verkaufen Wohntextilien, bevor man eine Wolldecke kauft, will man diese anfassen und anschauen.“ Was den Laden über Wasser hält ist die kleine Nähwerkstatt, die weiterhin geöffnet seit darf. „Wir arbeiten gerade Altaufträge aus dem letzten Jahr ab“, so Schulz-Brüder.
Nach Angaben des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg bieten einige Läden „Click&Collect“, also die Abholung nach der Bestellung im Internet oder auch telefonisch an. „Die, die es anbieten machen sechs bis höchstens zehn Prozent Umsatz damit“, sagt Hauptgeschäftsführer Nils Busch-Petersen.
Werbung über soziale Medien
Tanja Peckermann ist froh, dass sie für ihr Spielwarengeschäft Carl Schmutzler, das sie bereits in fünfter Generation führt, bereits seit einiger Zeit einen Online-Shop anbietet. Über soziale Medien und vor Ort in Neuruppin hätte sie die Kundschaft auf das Online-Angebot aufmerksam gemacht. Viele nutzten den Shop für Bestellungen. „Nach der Bestellung suchen wir die Ware für den Kunden raus und er kann sie dann kontaktlos an der Tür abholen“, sagt Peckermann. Es laufe gut.
Die Abholung auf Bestellung ist in Brandenburg auch während des Lockdowns erlaubt. Abhol- und Lieferdienste sind beim Einzelhandel in der Eindämmungsverordnung des Landes zugelassen. Wichtig sei, dass sich keine Menschenansammlungen bilden, so Gabriel Hesse, Sprecher im Gesundheitsministerium.
Nach Angaben der Verbraucherzentrale Brandenburg gilt auch bei der Abholung nach Bestellung über das Internet ein 14-tägiges Widerrufsrecht, soweit der Kauf auch tatsächlich beim „Click“ erfolgt ist und nicht nur reserviert wurde. Das erkenne man am Button mit dem Hinweis „Jetzt kaufen“ oder „Jetzt kostenpflichtig bestellen“, erklärt Stefanie Kahnert, Juristin bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Wo die Ware bezahlt wird, ob online oder bei Abholung an der Ladentür, sei dabei unerheblich.
Fast 7000 Anträge auf Dezemberhilfe
Nach Angaben der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) wurden bislang (Stand: Donnerstag) 2119 von insgesamt 6982 Anträgen auf die Dezemberhilfe abschließend bearbeitet. Bei der Novemberhilfe seien bereits zwei Drittel von insgesamt 8859 Anträgen ausgezahlt worden. Erst ab dem 10. Januar hätten die Förderbanken die Anträge, die über das Bundesportal eingingen, bearbeiten können, sagte Sprecherin Ingrid Mattern. Viele Unternehmer warten derzeit noch auf den Zuschuss.
Mit der November- und Dezemberhilfe sollen Firmen, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen entschädigt werden, die von Schließungen betroffen sind. Der Zuschuss beträgt 75 Prozent des jeweiligen durchschnittlichen Umsatzes im November beziehungsweise Dezember 2019 - anteilig für die jeweilige Dauer der Schließungen. Mit den Überbrückungshilfen werden betriebliche Fixkosten wie Mieten und Pachten erstattet.
Anträge auf die November- und Dezemberhilfe können noch bis Ende April und auf die Überbrückungshilfe II bis Ende März gestellt werden. Die ILB hat eine Hotline eingerichtet, über die sich Antragsberechtigte erkundigen können, ob und, wenn ja, welche Hilfsanträge sie stellen können. (dpa)
Anna Kristina Bückmann