Neues Stadtviertel in Potsdam: Krampnitz soll klimaneutral, aber dennoch günstig werden
Die Stadtwerke planen die Energieversorgung für das neue Stadtviertel Krampnitz - es soll ein Vorzeigeprojekt mit bundesweiter Ausstrahlung werden.
Herausfordernd, im schönen Sinn: So beschreibt Sophia Eltrop, wie es sich anfühlt, die klimaneutrale Energieversorgung eines komplett neuen Stadtteils zu planen. Die 52-jährige Chefin der Stadtwerke plant mit deren Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP), wie die bis zu 10 000 Einwohner von Krampnitz später einmal Strom und Wärme erhalten können, ohne das Klima dabei zu belasten. „Das soll ein Leuchtturm-Projekt werden, das deutschlandweit wahrgenommen wird.“
Ambitionierte Ziele
Die Ziele klingen ambitioniert: Der neue Stadtteil in Potsdams Norden soll seine Bewohner von Anfang an flächendeckend kohlendioxidneutral und ab frühestens 2040 auch fossilfrei mit Energie versorgen - bei „verbraucherfreundlichen Preisen“, wie die EWP in einer aktuellen Präsentation verspricht. Das hatten auch die Stadtverordneten gefordert.
Das wichtigste Prinzip sei dabei, dass die vorrangig regenerative Energie vor Ort erzeugt und genutzt werde. „Die Wärmeversorgung in Krampnitz funktioniert autark, sprich unabhängig vom übrigen Potsdamer Fernwärmenetz“, so die EWP. Zentrales Element sei ein besonderes Niedertemperaturwärmenetz im Boden, mit dem sich Energieverluste im Gegensatz zu konventionellen Netzen minimieren lassen. Weiterhin sollen drei kleinere Blockheizkraftwerke den Großteil des benötigten Stroms erzeugen. Betrieben werden diese mit Biomethan aus dem Umland - dazu soll Bioabfall zu Methan vergoren werden. Insgesamt werde bei dieser Art der Wärmeerzeugung kein Brennstoff eingesetzt, es gäbe also nur geringe Betriebskosten oder umweltschädliche Emissionen.
Für die Deckung des Spitzenbedarfs sollen die Kraftwerke durch weitere Technologien ergänzt werden. So wird geprüft, wie oberflächennahe Geothermie eingesetzt werden kann. Später könnten sogar noch Wärmepumpen zum Einsatz kommen, die Grundwasser in rund 2000 Meter Tiefe nutzen. Auch ein Wärmespeicher mit der Funktionsweise einer Thermoskanne sei für die Bedarfsspitzen vorgesehen, heißt es. Selbst die Restwärme des Abwassers soll genutzt werden. Für zusätzliche Wärme und Strom aus der Sonne solle eine circa 1000 Quadratmeter große Freiflächensolaranlage sorgen.
Koordiniert und gesteuert werden soll die Energieversorgung über eine zentrale Leitstelle - in einem ehemaligen Heizhaus, das für 1,25 Millionen Euro umgebaut werden soll. Für die hohen Investitionen von mindestens 43 Millionen Euro für die Energieversorgung wolle man Landes- und Bundesfördermittel an Land ziehen. Entsprechende Anträge sind bereits gestellt, sagt Eltrop: „Wir sind in engen Gesprächen und recht hoffnungsfroh.“ Gerade das besagte Niedertemperaturnetz als wichtige Klimaschutzanlage soll gefördert werden.
Auch kritische Stimmen
Zudem wird eine enge Zusammenarbeit mit der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, die den Aufbau des Entwicklungsgebiets Krampnitz organisiert, und der Deutschen Wohnen AG als größtem Investor vor Ort angestrebt - und eine gemeinsame Gesellschaft gegründet. Die Krampnitz Contracting GmbH soll demnach unter anderem den Energievertrieb übernehmen. Das diene der Absicherung angemessener Preise und allgemein der Ausgestaltung einer innovativen Quartiersentwicklung. „Die klassische Trennung zwischen Immobilienwirtschaft und Energielieferant verschwindet“, sagt Eltrop. Ein Beispiel: So sollen weitere Photovoltaikanlagen auf vielen Dächern errichtet werden - mit der Möglichkeit, dass sich Mieter daran beteiligen können. Das könne man mit der gebündelten Kompetenz aller Partner viel besser anbieten.
Allerdings gibt es auch erste Kritik an dem Konzept - vom Potsdamer Energieforum, einem gemeinnützigen Verein, dessen Mitglieder für Potsdam eine nachhaltige Klima- und Energiepolitik bewirken wollen. Vor allem sei fraglich, ob die besagte Versorgung mit Biomethan wirklich für Preisstabilität sorgen könne und ob die Stadtwerke überhaupt soviel selbst vergären können oder dann nicht teuer zukaufen müssten, so der Verein. Als Alternative schlägt er vor, dass die Stadtwerke auch gehäckseltes Holz aus der benachbarten Döberitzer Heide verwenden sollen. Eltrop hält dagegen: So ein Holzheizwerk sei ein Preistreiber und habe einen geringeren Wirkungsgrad als eine Methan-Anlage - daher habe man sich zunächst gegen diese Variante entschieden. Und Methan? Ja, ein Teil müsse eben von anderswo bezogen werden, so Eltrop. Dennoch glaubt sie, so sozialverträgliche Preise hinzubekommen. Während des gesamten Prozesses haben die Stadtwerke für solche Details einen externen Planer beauftragt und anhand verschiedener Szenarien wie ein Puzzle die Bausteine zusammengesetzt: „Wir bewegen uns da in einem magischen Dreieck zwischen Klimaschutz, der langfristigen Wirtschaftlichkeit für uns und ordentlichen Preisen für Endverbraucher.“ Zugleich setze man eben auch auf andere Formen der Energiegewinnung - daher seien nicht nur die Kosten für Methan für den Energiepreis entscheidend. Und derzeit sei nur mit dem Methan-Modell die geforderte Klimaneutralität erreichen, so Eltrop. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt, so argumentiert die EWP-Chefin, würden Bewohner insgesamt eher weniger für die Wärmeversorgung zahlen, da die Neubauten einen deutlich niedrigeren Verbrauch hätten.
Das Engagement ist für die Stadtwerke wichtig
Das Engagement in Krampnitz ist für die EWP, die als finanzielles Zugpferd der Stadtwerke gilt, auch aus prinzipiellen Gründen wichtig. Denn zuletzt hatte das schwarze Zahlen schreibende Unternehmen - ein Plus von 15 Millionen Euro - im liberalisierten Energiemarkt mit zum Teil deutlichen Verlusten bei der Zahl der Strom- und Gaskunden in Potsdam zu kämpfen, wie es im jüngst veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2017 heißt. Für 2018 sei zudem der Verlust eines Großkunden in der Stromsparte zu verzeichnen, was zu weiteren Umsatzrückgängen führe, heißt es in dem Bericht. Vor diesem Hintergrund sieht die EWP, neben einer verbesserten Vertriebsstrategie, das Viertel Krampnitz als wichtige Chance: „Daraus erwachsen steigende Absatzpotentiale infolge des Ausbaus der Ver- und Entsorgungsinfrastruktur“. Vor allem der Ausbau der Kramp-
nitzer Fernwärmeversorgung sichere laut Bericht „sowohl die wirtschaftliche Grundlage als auch die Erfüllung der anvisierten Klimaschutzziele“. Einen Anschlusszwang für Fernwärme, wie auch anderswo in Potsdam, steht gerade in der Stadtverordnetenversammlung zur Debatte, eine Zustimmung gilt als sicher. Denn für Krampnitz gilt laut Eltrop auch: Je mehr Häuser sich anschließen, desto preiswerter werde es für alle: „Klimaschutz braucht ein kollektives Handeln.“
Großer Zeitdruck
Der klimaneutrale Stadtteil soll nicht nur bei der Energieversorgung, sondern auch bei der Mobilität verwirktlicht werden. Dafür brauche es Schnellradwege in die Stadt, die geplante Tram, neue Sharing-Modelle für gemeinsam genutzte Autos sowie Büroflächen und weitere Infrastruktur vor Ort, damit manche Wege gar nicht erst entstehen. Und: Mit dem Strom sollen auch dezentrale Ladestationen für den öffentlichen Nahverkehr und Elektroautos betrieben werden. „Wir wollen heute schon an morgen denken“, sagt Eltrop. Viel sei noch zu tun, da schon Ende 2021 die ersten Bewohner in Krampnitz einziehen sollen: „Der Zeitdruck ist brutal.“
Wie in Krampnitz ein komplett neuer Stadtteil entstehen soll
Auf dem ehemaligen Kasernengelände Krampnitz zieht wieder Leben ein: Im Norden Potsdam soll sukzessive auf 143 Hektar ein Quartier für bis zu 10 000 Menschen entstehen. Die ersten Erschließungsarbeiten für das jahrelang brachliegende Gelände haben bereits begonnen. Zwischen 2027 und 2029 rechnet die Stadt bereits mit 7000 Bewohnern. Unter anderem ist in dem Viertel ein zentraler Park mit einer Größe von 150 mal 500 Metern vorgesehen, um den sich drei- bis fünfgeschossige Wohngebäude gruppieren.
Ebenso sollen ein Stadtteilzentrum mit Bürgerhaus, eine Stadtteilbibliothek, ein Jugendclub und Schulen entstehen, ebenso vier Kitas sowie Flächen für Einzelhandel, Gewerbe und Dienstleistungen. Ausdrücklich wollen die Planer dabei Fehler wie im Bornstedter Feld vermeiden, wo noch heute kein Jugendklub gebaut ist, also Infrastruktur fehlt. Nach dem Willen der Stadt soll Krampnitz auch ein grünes Viertel sein, dessen Bild nicht von parkenden Autos bestimmt wird - hier gibt es politischen Streit, weil etwa Kritiker aus CDU und Linke die Vorgabe eines halben Parkplatzes pro Wohnung als zu gering empfinden.
Die Tram kommt frühestens 2025
Die Stadt will dagegen mit öffentlichem Nahverkehr, neuen Schnellradwegen in Richtung Innenstadt sowie viel Infrastruktur für Elektromobilität punkten. Ein Hauptproblem ist allerdings, dass die Straßenbahn nach Krampnitz und in das benachbarte Fahrland wohl frühestens 2025 fertig sein kann - wenn schon mehr als 10 000 Menschen in beiden Vierteln wohnen. Als größten Investor vor Ort hat die Stadt bisher schon die Deutsche Wohnen AG aus Berlin gewinnen können, der auch einen jahrelangen Rechtsstreit um das Areal befrieden und im Frühjahr 2017 den Durchbruch verkünden konnte. Der Entwickler hat auch die denkmalgeschützten Kasernengebäude im Osten des Gebiets und will sie zu Wohnhäusern umbauen.
Weitere Investoren für das Entwicklungsgebiet werden gesucht. Mit der Deutschen Wohnen setzen die Stadtwerke auch im Bereich Energie auf eine enge Zusammenarbeit - und mit der kommunalen Bauholding Pro Potsdam, die den Aufbau des Entwicklungsgebiets organisiert. So soll eine gemeinsame Gesellschaft gegründet werden: Die Krampnitz Contracting GmbH soll demnach etwa den Energievertrieb organisieren.