PNN-Olympiaserie "Rio ruft" - die Potsdamer Teilnehmer: Kopfüber am Sportgerät
Stabhochspringerin Annika Roloff drohte in ihren Leistungen zu stagnieren. Im vergangenen Winter entschied sie sich daher von Hannover in die starke Trainingsgruppe nach Potsdam zu wechseln. Danach ging es rasant aufwärts. Und nun fliegt die 25-Jährige sogar nach Rio.
Annika Roloff hat im Training die olympischen Ringe immer vor Augen. Eine Fahne mit dem markanten Symbol hängt zwischen den Stangen der Stabhochsprunganlage in der Leichtathletikhalle am Luftschiffhafen. Bei jedem Trainingssprung kommt sie den fünf Ringen nahe, in genau einer Woche wird sie ankommen: Im Olympischen Dorf in Rio.
Die 25-Jährige schaffte als erste deutsche Stabhochspringerin die Olympianorm. 4,50 Meter überquerte sie bei einem Wettkampf Anfang Mai im türkischen Belek und war plötzlich heiße Kandidatin für ein Rio-Ticket. „Damit hätte ich nie gerechnet“, sagt sie, eher wären die Spiele 2020 in Tokio ein Thema gewesen. Doch nach ihrem Wechsel im vergangenen Winter aus Hannover nach Potsdam in die Trainingsgruppe von Stefan Ritter katapultierte sie sich förmlich in die Höhe. Von 4,46 auf 4,60 Meter schraubte sie in wenigen Monaten ihre Bestleistung. Ein Ende ist derzeit nicht absehbar. „Es wird immer besser“, sagt sie.
Von klein auf in der Leichtathletik zuhause
Der Höhenflug kommt nicht von ungefähr. In Hannover trainierte sie allein. Zweimal kam ihr Vater und zugleich Trainer zum Techniktraining, ansonsten war sie Solistin. Das Talent – Roloff wurde mehrfach deutsche Alterklassen-Meisterin und 2011 Dritte der U 23-Europameisterschaft – drohte zu vereinsamen und zu stagnieren. „Am Ende war es sehr belastend, auch für die familiäre Beziehung“, gesteht Annika Roloff, die weiterhin für den MTV 49 Holzminden startet. Der Wechsel an den Bundesstützpunkt nach Potsdam war wie eine Befreiung. Neue Trainingsreize, die Dynamik einer Trainingsgruppe, die andere Ansprache eines anderen Trainers – es ging wieder aufwärts. Auch der Vater-Tochter-Beziehung hat es gut getan. „Wir kommen super miteinander klar“, freut sich Roloff. Als sicher war, dass sie nach Rio reist, habe ihr Vater sofort selbst ein Ticket gekauft.
Er wird dabei sein, wenn die Tochter am 16. August versuchen wird, sich für den olympischen Endkampf zu qualifizieren. „Durch meinen Vater bin ich mit dem Sport aufgewachsen. Schon mein Babybett stand auf der Stadionwiese“, erzählt die in Holzminden geborene Studentin. Ihr erster Trainer war indes ihr Großvater Heinz Roloff, nach dem in Holzminden ein Internationales Stabhochsprung-Meeting benannt wurde, das jährlich 200 Teilnehmer zählt. Zunächst trainierte Roloff als Mehrkämpferin. Noch heute startet sie über 100 Meter oder noch lieber in der Halle über 60 Meter Hürden.
„Keine andere Sportart ist so aufregend und so komplex“
Aber dem Stabhochsprung gehört ihre Leidenschaft. „Keine andere Sportart ist so aufregend und so komplex“, sagt sie. Die Kombination aus Technik, Athletik, Schnelligkeit, Kraft und Turnen sei einzigartig. „Und es sieht gut aus“, sagt sie. Auch Mut gehöre dazu, „schließlich hängt man kopfüber am Sportgerät“. Momentan aber falle ihr all das leicht. 4,60 Meter sind das aktuelle Maß für Wolke sieben, die Aussicht, in einer Woche im Olympischen Dorf zu sein, beflügelt Annika Roloff regelrecht. „Ich bin sehr gespannt, was mich erwartet und wie es ist, wenn alle Sportler unter einem Dach sind.“ Noch sei sie recht gelassen, zumal sie am kommenden Samstag beim 1. Kölner Flutlichtspringen noch einen letzten Wettkampf vor den Spielen bestreitet. „Aber wenn ich daran denke, dass ich für Rio packen muss und überlege, was ich alles brauche, spüre ich schon die Vorfreude.“
Vor etwa einem Monat hat Annika Roloff begonnen, ihre Trainingszeit in die frühen Morgenstunden zu legen. Da das Qualifikationsspringen in Rio bereits um 9.45 Uhr Ortszeit beginnt, simuliert sie die frühe Wettkampfzeit im Training. „Anfangs ging das gar nicht“, erzählt sie, „aber inzwischen geht es richtig gut.“ Es ist eine der Stellschrauben, an denen die 25-Jährige dreht, um sich zu verbessern. Sie lebt ihren Sport professionell, achtet auf ihre Ernährung, verzichtet auf Süßes, trinkt keinen Alkohol. „Und wenn sich jetzt jemand mit einer Erkältung neben mich setzen würde, müsste ich unhöflich sein und weggehen“, sagt sie. Um unter den wirklichen olympischen Ringen in Rio zu springen, lässt sich Annika Roloff kein Hindernis mehr in den Weg stellen.
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