Streik und Schule: Klimaschützer campieren im Lustgarten
Fridays for Future: Schüler organisieren im Lustgarten in Potsdam sechs Tage lang ein Aktionscamp zum Klimawandel. Den Abschluss bildet eine große Klimademo
Potsdam - Große Zelte stehen auf einem Platz nebeneinander, Schüler bauen Tische und Bänke auf. Jeder von ihnen hat offensichtlich eine feste Aufgabe. An einem Stand kann zum Beispiel – ganz im Sinne der Nachhaltigkeit – auch Kleidung getauscht werden. „Damit man sich die Sachen nicht neu kaufen muss“, sagt die 19-jährige Clara Wiemer. Aus einem Lautsprecher kommt Musik. Zu hören sind Liedzeilen wie „Where is the revolution“. Genau diese wollen die Teilnehmer des Aktionscamps, das am Montag im Lustgarten begonnen hat, anzetteln – und zwar in Sachen Klimaschutz.
Mit der Aktionswoche wollen die Anhänger der Potsdamer Fridays for Future-Bewegung kurz vor den Landtagswahlen am Sonntag noch einmal auf die drohende Klimakrise aufmerksam machen und dass diese bei der neuen Regierung ganz oben auf der Tagesordnung stehen sollte. „Wir wollen ein Zeichen setzen“, sagt Schüler und Mitorganisator Jaro Abraham. Unweit des Landtags werden bis Samstag etwa 50 bis 100 Schüler verschiedener Potsdamer Schulen übernachten und von dort aus morgens zur Schule fahren. Täglich ab 17.30 Uhr finden Workshops zu verschiedenen Schwerpunktthemen rund um den Klimawandel statt, die für alle offen stehen. Aber auch tagsüber gibt es ein Programm, das sich ganz speziell an Schulen richtet und eine vorherige Anmeldung erfordert. Insgesamt 650 Schüler aus etwa 15 verschiedenen Schulen – oft seien es ganze Klassen – haben sich laut Jaro dafür angemeldet. Gemeinsam soll zum Beispiel ein nachhaltiges und ökologisches Mittagessen gekocht werden. „Die Klasse lernt so gleich, wie man anders leben kann.“
Etwa 30 Workshops finden während der bis Samstag angesetzten Aktionswoche statt, berichtet der 16-Jährige, der die Montessori-Schule Potsdam besucht. Geleitet würden die Workshops von externen Experten. Darunter seien unter anderen Vertreter der Koordinierungsstelle Klimaschutz der Stadt Potsdam, Wissenschaftler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sowie Vertreter vom Stadtjugendring. Täglich bis etwa 20 Uhr finden Mitmach- und Diskussionsworkshops zu Themen wie nachhaltigem Konsum und CO2-Reduzierung statt. Auch wie der menschengemachte Klimawandel voranschreitet und wieviel Zeit noch bleibt, um die damit verbundenen Prozesse aufzuhalten, sind Inhalte der Workshops. Teil des Programms sei auch eine Filmvorführung am Mittwoch: Im Filmmuseum schauen sich die die Teilnehmer des Aktionscamps einen Film über den Hambacher Forst an. Klima- und Umweltschützer hatten im vergangenen Jahr massiv gegen die Abholzung des in Nordrhein-Westfalen gelegenen Waldes, der dem Abbau von Braunkohle dienen sollte, protestiert.
Bislang seien 50 Schüler angemeldet, die während der Woche im Lustgarten campen, erzählt Jaro. Aber auch spontan könnten noch weitere Teilnehmer dazustoßen und dort übernachten. Etwa 12 große Gruppenzelte, in denen die Teilnehmer übernachten können, haben die Klimaschützer auf dem Gelände aufgebaut. Aber auch eigene Zelte können mitgebracht werden. Die Stadtentsorgung Potsdam unterstützt das Klima-Camp mit 800 Euro mit der kostenlosen Bereitstellung von 35 Abfallbehältern für die richtige und saubere Mülltrennung, teilte das kommunale Unternehmen am Montag mit.
Die Idee für das Aktionscamp sei den Schülern vor etwa drei Monaten gekommen, erzählt Mitorganisatorin Lea Kampe von der Voltaire-Schule. Bei einem Treffen sei der Vorschlag aufgekommen, kurz vor den Landtagswahlen eine größere Aktion zu starten. Vor zwei Monaten hätten sie dann mit der Planung begonnen, sagt die 15-Jährige. Ein bis zu 15-köpfiges Team aus etwa sechs verschiedenen Schulen kümmerte sich schließlich um die Organisation der Woche. Neben der Voltaire- und der Montessori-Schule seien auch viele Schüler vom Evangelischen Gymnasium Hermannswerder an der Aktion beteiligt, berichtet Lea.
Mit der Aktionswoche wollen die Schüler nicht nur die Politik und die künftige Landesregierung erreichen, sondern auch die Stadtgesellschaft. Man wolle den Menschen nahelegen, wie ernst die Klimakrise sei, sagt Jaro. „Nur mit der Gesellschaft können wir diesen Wandel schaffen“, betont Jaro Abraham.
Aber auch die Politik ist gefragt. Zwar fühlten sich die Aktivisten von der Landesregierung und den Politikern gehört, regelmäßig würden sie zu Gesprächen eingeladen, aber zu wenig sei bisher umgesetzt worden, meint der Schüler. „Um das 1,5 Grad-Ziel von Paris einzuhalten, muss die nächste Landesregierung effektive Maßnahmen für den Klimaschutz einleiten“, lautet die Forderung der Fridays for Future-Aktivisten. In Brandenburg müsse jetzt gehandelt werden, fordert Jaro Abraham. Vor allem auch, weil die Braunkohle hier ein wichtiges Thema sei. „Wir wollen nicht, dass unsere Zukunft damit verfeuert wird.“
Die jungen Klimaschützer betonen ferner, dass die Aktionswoche nicht als Dauerstreik gedacht sei und die Schüler daher bis Freitag regulär die Schule besuchen werden, abgesehen vom Tagesprogramm für die Schulen. Ein Höhepunkt des Aktionscamps ist eine für Freitag geplante Klimademo, die so auch zeitgleich in etwa 15 anderen Orten in Brandenburg stattfinden soll. Die Schüler und andere Teilnehmer starten ihre Aktion um „3 vor 12“ im Lustgarten zwischen dem Camp und dem Landtag. Der Demonstrationszug soll anschließend bis zum Luisenplatz und zurück führen. Während der Veranstaltung soll es mehrere musikalische Beiträge geben, wie zum Beispiel von Brass Riot und Dota Kehr. Aktionswoche und Demonstration seien als ein deutliches Signal in Hinblick auf die neue Landesregierung zu sehen. „Sie stehen in der Verantwortung, den Erhalt von Umwelt und Natur als eine der höchsten Prioritäten ihrer beginnenden Legislaturperiode zu setzen“, fordern die jungen Klimaschützer.
Das Tagesprogramm wird jeden Tag im Aktionscamp ausgehängt. Interessierte können sich vor Ort auch bei den Organisatoren über die anstehenden Workshops informieren.
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