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Lebenswert: Der Wahlkreis 21 umfasst neben dem Zentrum solche Stadtviertel wie Potsdam-West, die nördlichen Vorstädte oder Babelsberg. Zu den Problemen zählen die Verkehrsbelastung und steigende Mieten. Der Wahlkampf verläuft bisher schleppend, SPD-Politikerin Klara Geywitz ist die Favoritin.
© Lutz Hannemann

Potsdam: Klar verteilte Rollen

Klara Geywitz ist die Favoritin im Wahlkreis 21. Spannender ist das Duell um Platz drei zwischen Grünen und CDU. Auffällig ist der praktisch geräuschlose Wahlkampf der Direktkandidaten

Es ist die Neuauflage eines SPD-Linke-Duells unter veränderten Vorzeichen: Im Potsdamer Wahlkreis 21 treffen am kommenden Sonntag Klara Geywitz und Anita Tack erneut aufeinander. Die Sozialdemokratin ist dabei aus mehreren Gründen Favoritin. Etwas spannender ist da der Wettstreit unter den anderen Direktkandidaten im Wahlkreis – und zwar in vielerlei, auch humoriger Hinsicht.

Die Rollenverteilung im Zweikampf zwischen Geywitz und Tack ist klar verteilt: Die SPD-Generalsekretärin dürfte ihren Wahlkreis gegen die Linke-Landesgesundheitsministerin – wenn nicht eine Überraschung passiert – wieder gewinnen. 2009 lautete das Ergebnis 31,6 zu 27,6 Prozent. Seitdem stieg Geywitz in der SPD stetig auf: Die 38-Jährige ist seit einem Dreivierteljahr Generalsekretärin und gilt als eine der Hoffnungsträgerinnen der Sozialdemokraten in Brandenburg.

Die 25 Jahre ältere Tack hatte dagegen als Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz häufig mit Gegenwind zu kämpfen, ihr Stand in der Regierung war nicht leicht, ihr Umweltressort blutete finanziell aus. Auf der Haben-Seite konnte die erfahrene Politikerin gleichwohl durchsetzen, dass die Krankenhäuser im Land erhalten bleiben. Doch ob das gegen Geywitz reicht? Bei der Kommunalwahl holte die SPD-Politikerin nach Oberbürgermeister Jann Jakobs mit 3427 Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei, Tack dagegen erreichte in ihrem Innenstadt-Wahlkreis lediglich 2750 Voten – rund 2000 weniger als noch sechs Jahre zuvor.

Die beiden Politikerinnen – denen Parteifreunde ein neutral gemeintes Nicht-Verhältnis bescheinigen – treten in einem Wahlkreis an, der einige der lebenswertesten Stadtviertel von Potsdam umfasst: Die Jäger-, Nauener und die noble Berliner Vorstadt, die Innenstadt, die Brandenburger Vorstadt und Potsdam-West sowie Babelsberg. Die Arbeitslosigkeit liegt fast durchweg unter dem Potsdamer Durchschnitt, die Wahlbeteiligung darüber. Dennoch gibt es viele Probleme: der Verkehrslärm und die Luftschadstoffe an der Zeppelinstraße, die häufigen Staus auf der Strecke zwischen Babelsberg und Potsdam-West, der fehlende preiswerte Wohnraum und die Verdrängung wenig Betuchter aus ihren angestammten Kiezen. Zugleich wird im Wahlkreis 21 leidenschaftlich über die Entwicklung der Potsdamer Mitte gestritten, seit Jahren über die Zukunft von Gebäuden diskutiert – von „Mercure“ über Staudenhof bis zur geplanten Garnisonkirche. Ungewiss ist für Geywitz und Tack gleichermaßen, wie sich die immensen Zu- und Wegzüge der vergangenen Jahre am Wahlsonntag auswirken werden.

Das ist auch die spannende Frage im Kampf um Platz drei – und damit für Marie Luise von Halem. Die Grünen-Landtagsabgeordnete lag bei den Landtagswahlen 2009 nur einige Hundert Stimmen hinter ihrem CDU-Widerpart Wieland Niekisch. Diesmal könnte sie an ihm vorbeiziehen. Denn um den einstigen CDU-Kreischef und früheren Landtagsabgeordneten ist es ruhiger geworden, in seinem Wahlkampf hat sich der 57-Jährige bisher kaum öffentlich zu Wort gemeldet. „Ich bin aber viel an Infoständen unterwegs und kämpfe um meine kleine Chance“, gibt sich der einstige Potsdamer CDU-Chef kämpferisch.

Die Grüne von Halem kann dagegen auf das Ergebnis der Grünen zur Kommunalwahl bauen, als ihre Partei die CDU in Babelsberg, in der Innenstadt und im westlichen Potsdam überflügelte, in der Nauener Vorstadt sogar stärkste Kraft wurde. Noch gibt sie sich zurückhaltend: „Das wäre natürlich ein schönes Ergebnis.“ Und Niekisch hat noch ein Problem – auch der Spitzenkandidat der Alternative für Deutschland in Brandenburg, Alexander Gauland, tritt im Wahlkreis 21 an und buhlt um konservative Wähler.

Zudem bietet der Wahlkreis für Potsdam noch eine Besonderheit: Hier tritt die einzige Potsdamer Kandidatin der satirischen Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiativen (Die Partei) an. Es handelt sich um die 46 Jahre alte Potsdamerin Bettina Franke. Die Angestellte ist zum Beispiel für einen Abbruch des BER-Flughafenbaus, stellt sich stattdessen „ein begehbares Denkmal epischen Ausmaßes für Kompetenz, politischer Netzwerkstruktur und der Unfehlbarkeit von Hierarchien“ vor. Auf ihren schrillen Wahlplakaten – sie trägt eine orangefarbene Perücke und eine viel zu große Sonnenbrille – steht im Kleingedruckten: „Mag Bananen und Gulasch.“

Ob das auch bei den Wählern verfängt, ist freilich die Frage. Allerdings ist die Kandidatur von Franke auch der einzige inhaltliche Ausreißer in dem Wahlkreis. Denn ansonsten verlief der Wahlkampf bisher – siehe Niekisch – praktisch geräuschlos, gegenseitige Vorwürfe gab es keine, die Kandidaten ignorierten sich. Im Gegensatz zu den anderen Potsdamer Wahlkreisen fand auch nur eine Podiumsdiskussion mit allen Kandidaten in der Akademie Zweite Lebenshälfte statt. Das war vor den Sommerferien.

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