Eltern kritisieren Rathaus: Kita-Reform: Potsdam droht Gebührenchaos
Nach Novelle des Kitagesetzes droht in Potsdam ein Flickenteppich bei den Gebühren. Elternvertreter sind empört.
Potsdam - Der Streit um die Kitagebühren in Potsdam verschärft sich. Denn in einer am Donnerstag versendeten Erklärung übte der Kita-Elternbeirat heftige Kritik am bisherigen Vorgehen der Stadtverwaltung – und stellte den bisherigen Konsens infrage, dass in Potsdam eine einheitliche Kitabeitragsordnung gelten soll. Widerspruch kam aus dem Rathaus.
In seinem Brandbrief bezog sich der von Elternvertretern in den Kitas gewählte Beirat unter anderem auf das am Mittwoch im Landtag beschlossene neue Kitagesetz, das es der Stadt gar nicht erlaube – wie eigentlich geplant – eine neue Satzung zu den Kitagebühren zu erlassen. Demnach müsse jeder Träger eine eigene Beitragsordnung erstellen, die die in seinen Kitas tatsächlich entstandenen Kosten als Grundlage annehme, so der Beirat. Tatsächlich sehe das neue Kitagesetz solche Beitragssatzungen nur für Städte vor, die anders als Potsdam auch über kommunale Kitas verfügten, bestätigte die Vorsitzende des Jugendausschusses im Landtag, Gerrit Große (Linke) den PNN. Weitergehende Regeln für kreisfreie Städte, auf die Potsdams Sozialdezernent Mike Schubert (SPD) seine geplante Satzung hatte stützen wollen, seien am Widerstand der Landkreise in der Mark anders als zunächst geplant doch nicht in das neue Gesetz aufgenommen worden, hieß es. „Uns bringt dieses Gesetz zum Verzweifeln“, sagte Schubert am Donnerstag im Jugendhilfeausschuss.
Die Stadt versucht dennoch eine einheitliche Lösung für Potsdam zu finden. Schubert erklärte, der von ihm vorgelegte Satzungentwurf werde nun den Stadtverordneten als Empfehlung für eine Beitragsordnung an die Kitaträger vorgelegt, die danach ihre Beiträge ausrichten könnten. Solche Empfehlungen oder Eckpunkte könnten Städte weiterhin erarbeiten, bestätigte auch ein Sprecher des Jugendministeriums den PNN auf Anfrage.
Zugleich warnte Schubert im Ausschuss vor einem Flickenteppich bei den Elternbeiträgen in Potsdam. „Ob die Träger die Empfehlungen aus der Elternbeitragsordnung annehmen, entscheiden sie selbst.“ Deshalb setze er weiterhin darauf, eine Lösung im Konsens bist zum Start des neuen Kitajahres am 1. August zu schaffen. Die Rückendeckung der Träger hat er dabei anscheinend. Gerald Siegert von der Kinderwelt GmbH erklärte, 22 Potsdamer Kitaträger stünden hinter der mit Schubert ausgearbeiteten Lösung. Das gelte sowohl für die neue Beitragsordnung als auch für den Umgang mit möglichen Rückzahlungen aus früheren Jahren. Ähnlich hieß es vom im Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk (EJF): „Wir vertreten die Ansicht, dass eine einheitliche Elternbeitragsregelung für alle Kitas in Potsdam gelten sollte.“ Wie berichtet hatte sich die Potsdams bisherige Beitragssatzung als rechtswidrig herausgestellt. Die Beiträge waren über Jahre überhöht.
Die Elternvertreter argumentieren hingegen in dem Schreiben, da die Stadt sich bislang weigere, die Grundstücks- und Gebäudekosten für die Kitas zu übernehmen, würden sich für die einzelnen Einrichtungen „gravierende Kostenunterschiede“ ergeben. Tatsächlich hatte die Stadt in einer Aufstellung enorme Differenzen für die Platzkosten mitgeteilt – von etwa 179 Euro für sechs Stunden Krippenbetreuung in der 1982 gebauten Kita Löwenzahn der Potsdamer Betreuungshilfe e.V. bis hin zu 593 Euro in der frisch sanierten Kita „Wasserläufer“ des Landessportbunds – für die gleiche Betreuungsleistung. Aus all diesen Werten hatte die Stadt für ihre geplante Kita-Beitragsordnung einen Durchschnitt gebildet.
Damit würden aber Eltern in einer baulich schlechteren Kita mehr bezahlen müssen als eigentlich nötig, sagte Elternbeirätin Wiebke Kahl den PNN. „Neu errichtete Kitas sind deutlich teurer als Bestandsgebäude“, hieß es auch in der Stellungnahme des Beirats. Die Systematik des Kitagesetzes sehe genau aus diesem Grund vor, dass diese Kosten nicht in die Elternbeiträge eingerechnet werden dürfen. Die Übernahme dieser Kosten lehnt die Stadt bisher aus finanziellen Gründen ab, zumal auch in anderen Kommunen in Brandenburg so verfahren würde (PNN berichteten). Dagegen hieß es etwa aus der Potsdamer Arbeiterwohlfahrt (Awo), man teile klar die Kritik der Eltern daran, dass die Stadt nicht auch die Immobilien bezahle. Gleichwohl sei man dennoch für einheitliche Gebühren.
Die neue Elternbeitragsordnung wurde am Donnerstag auch im Jugendhilfeausschuss von der Diskussion über die Rückzahlung zu viel gezahlter Beiträge in den Vorjahren dominiert. In der emotionalen Debatte meldete sich auch Lutz Boede zu Wort. Der Oberbürgermeisterkandidat der Wählergruppe Die Andere nahm an der Sitzung als Vertreter des Migrantenbeirats teil. Das Vorgehen der Stadt bezeichnete er als Betrug an den Eltern. „Warum wird nicht einfach die Differenz aus den gezahlten Beiträgen und den eigentlich richtigen ausgerechnet und erstattet?“, fragte Boede. Dann würde auch Vertrauen für eine neue Beitragsordnung entstehen. Kahl schloss sich dem Vorwurf an. Schubert wies die Betrugsvorwürfe energisch zurück. Es seien allerdings Fehler gemacht worden, räumte er ein.
Zu einer Entscheidung kam das Gremium am Donnerstag nach mehrstündiger Debatte nicht. Die könnte in einer Sondersitzung am 22. Juni fallen. Dann will sich der Jugendhilfeausschuss auf eine Empfehlung an die Stadtverordnetenversammlung verständigen. Vorher will Schubert noch offene Fragen ausräumen. Die eigentliche Entscheidung steht am 27. Juni in der Stadtverordnetenversammlung an, für den Tag ist eine Sondersitzung anberaumt. Die Debatte läuft, seit die Elternvertreter um Wiebke Kahl im vergangenen Herbst bei einer Akteneinsicht herausgefunden hatte, dass die Stadt über Jahre zu hohe Beiträge angesetzt hatte.
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