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Potsdam: Keine Schuhe, kein Brot

16 000 Zwangsarbeiter in Potsdam von 1939 und 1945

Innenstadt – Sie arbeiteten als Schuster und Friseure, für Stadtverwaltung und Kirchen, bei der UFA, in der Landwirtschaft, in Privathaushalten, bauten Bunker und Lokomotiven oder schufteten in den Arado-Flugzeugwerken: Insgesamt 16 000 Zwangsarbeiter habe es zwischen 1939 und 1945 in Potsdam gegeben, sagt die Historikerin Almuth Püschel. Sie berichtete am Mittwochabend bei einem Vortrag an der Fachhochschule am Alten Markt, zu dem das linksalternative Bündnis „Madstop“ eingeladen hatte, von ihrer Forschungsarbeit zu dem Thema, mit dem sie sich seit 1991 beschäftigt. Zwangsarbeit in Potsdam ist für Almuth Püschel „das Verbrechen, das sich vor aller Augen vollzogen hat“.

Ohne den Einsatz der Zwangsarbeiter wäre das öffentliche Leben in Potsdam während des Krieges wohl zum Erliegen gekommen. Das geht etwa aus einem Lagebericht des Potsdamer Oberbürgermeisters vom Sommer 1942 hervor: Besonders im Handwerk konstatierte er „spürbare Lücken“, weil versprochene „Fachkräfte“ aus dem Ausland nicht eingetroffen seien. So würden Schuhreparaturen nicht vor Vierwochenfrist erledigt, die Bäcker beschwerten sich über das „ruppige Verhalten“ der Potsdamer, weil sie die Versorgung nicht mehr gewährleisten konnten. Schon bald befürchtete das Stadtoberhaupt „Beeinträchtigungen der gesamten Arbeitsprozesse und Gesundheit der Bevölkerung“.

Gelöst wurde das Problem über den sogenannten „Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz“, eine eigens für die Organisation der Zwangsarbeit eingerichtete Behörde unter Leitung von Fritz Sauckel. Nach Potsdam kamen unter anderem Menschen aus den Niederlanden, aus Polen, Frankreich und der Sowjetunion, recherchierte Almuth Püschel. Untergebracht waren sie in Lagern verschiedener Größe – aus überlieferten Dokumenten von zwei Lagerzählungen kommt die Historikerin auf 70 Lager im Stadtgebiet. Genutzt wurden Gaststättenräume, aber auch neu errichtete Baracken, etwa in der Großbeerenstraße oder in der Neuen Königsstraße 47, heute Berliner Straße. Die zahlreichen Unterlagen der Bauverwaltung über geplante Baracken widerlegten die These, dass die Firmen zum Einsatz der Zwangsarbeiter gezwungen waren, sagt Püschel.

Die Lebensbedingungen der Arbeiter waren teilweise drastisch: So sind etwa aus den Arado-Werken Beschwerde-Briefe über den rüden Umgang der Vorarbeiter und die desolaten hygienischen Bedingungen im Lager überliefert. Nach gehäuften Klagen sei es dort zu einer Inspektion gekommen – und zur Entlassung zweier Führungskräfte. Ein noch im April 1945 anberaumter Prozess gegen die Betroffenen sei abgesagt worden.

Das Schicksal der meisten Zwangsarbeiter ist unbekannt. Friedhofsakten belegen laut Püschel rund 300 Todesfälle in Potsdam – die Dunkelziffer dürfte höher sein, zumal „Fremdarbeiter“ seit 1943 nicht mehr medizinisch behandelt, sondern abgeschoben wurden. In diesem Zusammenhang berichtet Püschel von einem dramatischen Fall kurz vor Kriegsende: Am 28. März 1945 machte ein Lastkahn mit etwa 200 abgeschobenen Kranken am Havelufer Halt. Die Stadtverwaltung weigerte sich, den Hungerleidenden zu helfen. Sie fielen dem Bombenangriff in der Nacht vom 14. auf den 15. April zum Opfer. Jana Haase

Almuth Püschels Buch „Zwangsarbeit in Potsdam“ erschien im Märkischen Verlag Wilhelmshorst und kostet 13 Euro.

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