zum Hauptinhalt
Talentschmiede. In den modernen Judo-Trainingsräumen der MBS-Arena hat der UJKC Potsdam als stützpunkttragender Verein des Landesleistungszentrums zahlreiche Top-Nachwuchsathleten geformt. Die Zukunft des Standorts ist nun jedoch unsicher.
©  Tobias Gutsche

Judosport in Brandenburg: Kampf um den Erhalt der Stützpunkte

Der Potsdamer Daniel Keller ist neuer Präsident des Brandenburgischen Judo-Verbands. Auf ihn wartet nun viel Arbeit, denn die deutsche Leistungssportreform setzt den Verband unter Druck. Erfolgreiche Judo-Strukturen in der Mark sollen nämlich wegfallen.

Beim Judo wird auf der Matte gekämpft. Aber auch abseits davon herrscht derzeit ein intensiver Fight für den Brandenburgischen Judo-Verband (BJV). Es geht um die Zukunft der leistungssportlichen Förderung dieser Disziplin in der Mark. Die dafür notwendigen Anstrengungen unternimmt der BJV mit einem neuen Präsidenten an der Spitze: Der Potsdamer Daniel Keller, der auch Vorsitzender des SV Motor Babelsberg ist, wurde am vergangenen Wochenende auf der Mitgliederversammlung ins Amt gewählt und wird dementsprechend für die kommenden vier Jahre die Geschicke des knapp 5400 Mitglieder starken Sportverbandes leiten. „Ich freue mich über die neue Aufgabe und bin dankbar für das entgegengebrachte Vertrauen der brandenburgischen Judovereine“, wird Keller in einer Verbandsmitteilung zitiert. Mit seinem Alter von gerade einmal 30 Jahren ist er der jüngste Vorsitzende in der BJV-Geschichte. Der vorherige Präsident Volkmar Schöneburg hat sich nicht erneut der Wahl gestellt.

Auf Daniel Keller wartet nun eine Menge Arbeit, denn der BJV steht durch die vom Bundesinnenministerium und Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) forcierte Leistungssportreform unter großem Druck. Nach den bisherigen Strukturplanungen soll künftig der traditionsreiche Judo-Bundesstützpunkt in Frankfurt (Oder) gestrichen werden, was als Kettenreaktion auch die Aussicht für den Potsdamer Landesstützpunkt ungewiss werden ließe.

Brandenburger Nachwuchs ist Spitze in Deutschland

Diese brenzlige Situation hat bereits zu einer ersten negativen Konsequenz für den Brandenburgischen Judo-Verband geführt. So entschied sich Landestrainerin und Olympiasiegerin Yvonne Bönisch, das Potsdamer Leistungszentrum aus Mangel an Perspektive und wegen fehlender Planungssicherheit zu verlassen. Stattdessen arbeitet sie nun seit Anfang des Jahres als Frauen-Nationaltrainerin für Israel. „Sie ist in Brandenburg großgeworden, lernte hier Judo und gewann als erste deutsche Frau im Judo olympisches Gold“, erklärt Keller, der zu seinem 18. Geburtstag eine Reise nach Athen geschenkt bekam und als Zuschauer in der Halle saß, als Bönisch 2004 der historische Triumph gelang. „Yvonne wird uns fehlen und ich hoffe, sie in der Zukunft wieder als Trainerin für Brandenburg gewinnen zu können.“

Weiter hadert der Neu-Präsident, wie der Deutsche Judo Bund (DJB) mit den hiesigen Standorten umgeht. Es sei schwer zu verstehen, warum der DJB „gerade in Brandenburg erfolgreiche Strukturen zur Disposition stellt“. Insbesondere die starke Nachwuchsarbeit wirft er als Argument pro Brandenburg in die Waagschale. Im nationalen Vergleich zähle der BJV zu den führenden Landesverbänden. Vergangenes Jahr dominierte er die Jugendmannschaftsmeisterschaften, schnitt in den Altersklassen U14, U16 und U18 jeweils am besten ab. Das Medaillenranking im Einzelwettbewerb – hier steigt ab der Altersklasse U18 eine deutsche Meisterschaft – führte der BJV 2016 mit fünf Titeln und sieben weiteren Podestplätzen ebenfalls an. „Im Bereich der Männer und Frauen müssen wir in der Zukunft noch deutlich zulegen“, räumt Daniel Keller allerdings ein. „Hier benötigen wir neben Mareen Kräh, die als Brandenburger Judosportlerin bei Olympia 2016 startete, weitere Erfolgsgeschichten.“ Um dies zu schaffen, verabschiedete der BJV auf seiner Mitgliederversammlung eine veränderte Vorstandsstruktur. Demnach wird es ab sofort einen Vizepräsidenten Leistungssport – in Person von Reinhard Arndt – geben, der unter anderem für die Brandenburger Judotalente verbesserte Gegebenheiten beim sensiblen Übergang vom Nachwuchs- in den Erwachsenenbereich entwickeln soll.

Nachdenken über Neujustierungen innerhalb des Landes 

Über die Ausgestaltung des neuen Stützpunktkonzeptes – und damit, in welche Richtung es schließlich für die beiden märkischen Hotspots geht – soll noch in diesem Sommer entschieden werden. Auf dem Spiel steht für Judo-Brandenburg einiges. Ohne Standort von Bundesrelevanz wäre die Unterstützung dieser Sportart in der bisherigen umfangreichen Form kaum zu erreichen, denn ergo müssten dann wohl auch Landes- und Sportschullehrertrainerstellen gestrichen werden. „Ich möchte mich gemeinsam mit dem Landessportbund Brandenburg und dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport für den Erhalt der Stützpunkte einsetzen“, so Keller. „Daher will ich schnellstmöglich versuchen, mit den Entscheidungsträgern vom DJB und DOSB an einen Tisch zu kommen, und hoffe, dass die letzten Messen noch nicht gesungen sind.“

Rückendeckung bekommt der BJV auch durch den Olympiastützpunkt Brandenburg. Dessen Leiter Wilfried Lausch macht sich ebenfalls vehement für die Weiterführung der Judo-Bundesförderung in der Mark stark. „Wir“, sagt er im Gespräch mit den PNN, „werden alles probieren.“ Dazu gehöre auch, über Neujustierungen innerhalb des Landes nachzudenken. Lausch könne sich vorstellen, die Rollen zu tauschen. Soll heißen: Den enorm aufstrebenden Judo-Standort Potsdam als Bundesstützpunkt ins Gespräch bringen und Frankfurt (Oder) als starken Landesstützpunkt installieren. „Wenn wir so weiterhin im nationalen Geschäft bleiben, wäre es für alle eine gute Lösung“, findet er.

Spitzensportperspektive auch wichtig für den Breitensport

In Verbindung mit der Perspektive des Spitzensports steht auch der Breitensport in den über 60 Vereinen des Brandenburger Fachverbands. Es finden beispielsweise im Land an über 40 Kindertagesstätten Judoangebote statt, auch zahlreiche Schularbeitsgemeinschaften werden durch die Clubs organisiert und durchgeführt. Der UJKC Potsdam ist in dieser Hinsicht besonders engagiert und wurde 2016 deshalb mit dem Grünen Band für vorbildliche Talentförderung ausgezeichnet. Jene nationale Ehrung erhielt der Verein nunmehr bereits zum dritten Mal. Von großer Bedeutung für die Realisierung seiner Jugendprojekte ist für den UJKC dabei eines: die Stellung als gut unterstütztes Trainingszentrum, wodurch finanzielle und personelle Ressourcen erschlossen werden. Daher gilt es nun für den neuen Verbandschef Daniel Keller und seine Mitstreiter, fernab der Matte einen Ippon – so heißt die höchste siegbringende Wertung im Judo – zu landen. Sprich, den Fortbetrieb der umfänglichen Förderung zu erwirken.

Zur Startseite