Boxen in Potsdam: In Potsdam auf den Thron geboxt
Die MBS-Arena am Luftschiffhafen wird dem Berliner Tyron Zeuge für immer in bester Erinnerung bleiben. Denn dort sicherte er sich am Samstag in einem packenden Kampf seinen ersten Weltmeistertitel. Nun gilt er als Hoffnungsträger des deutschen Boxsports.
Der neue Box-Weltmeister Tyron Zeuge animierte den Senior-Manager Wilfried Sauerland zu Höchstleistungen. Der 76-Jährige sprang fast in Tim-Wiese-Manier in den Ring der Potsdamer MBS-Arena. Der wilde Jubel mit seinen Söhnen blieb nach dem K.o.-Sieg ihres Schützlings über den Italiener Giovanni De Carolis indes nicht folgenlos. Filius Kalle Sauerland, der Chef vom Ganzen, holte sich eine blutige Lippe. Zeuges Freundin Mandy stand bei der spontanen Party im Ring etwas abseits und weinte Freudentränen.
Zeuge ist nach Raubein Graciano „Rocky“ Rocchigiani vor 28 Jahren der zweitjüngste Weltmeister der deutschen Box-Geschichte. Und er taugt in der angeschlagenen Branche, die zuletzt nur mit den in die Jahre gekommenen Altmeistern Jürgen Brähmer (38) und Arthur Abraham (36) Schlagzeilen zu machen versuchte, vielleicht sogar zum Hoffnungsträger. So wie der 24 Jahre alte Boxer aus Berlin-Neukölln – eher ein Mann der vielen Schläge als der vielen Worte – den erfahrenen WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht in der letzten der zwölf begeisternden Runden auseinandernahm: Das verspricht viel für die Zukunft.
Zeuge begeisterte die 2300 Zuschauer in der ausverkauften Arena
„Er ist ein Aushängeschild des Boxens in Deutschland – Hut ab vor dieser Leistung“, sagte sein Manager Kalle Sauerland nach packenden zwölf Runden. „Das war ein sehr guter Kampf. Tyron war stark und hat verdient gewonnen“, lobte ihn sogar sein Vorgänger und Stall-Kollege Abraham, der bald wieder um den Titel boxen will – vielleicht sogar gegen Zeuge. „Wie sich Tyron da durchgequält hat – das verdient großen Respekt. Ein toller Kampf“, schwelgte Sauerland senior, der am Vortag die millionenschwere Vertragsverlängerung mit dem TV-Partner Sat.1 auf den Weg gebracht hatte. „Die letzten 48 Stunden waren für das deutsche Boxen sehr wichtig. Das wird eine lange Reise. Der Kampf war wie aus einem Drehbuch für einen Rocky-Film“, sagte dessen Sohn, der so stolz war, dass sein enger Nadelstreifenanzug fast aus den Nähten platzte.
Der erfahrene Ringrichter Roberto Ramirez aus Puerto Rico hatte den Kampf 19 Sekunden vor dem letzten Gong abgebrochen. Nach dem zweiten Niederschlag kauerte der zerstörte Italiener, im Gesicht schwer gezeichnet, am Boden. Der schnellere Zeuge hatte vor allem mit seiner Führhand gepunktet und schlug variabler. Er boxte schlau – und erst in der Schlussphase zügellos und so kraftvoll, dass jeder Widerstand brach. Er wollte es im zweiten WM-Anlauf unbedingt schaffen. Das spürte jeder der 2300 Zuschauer in der ausverkauften Halle am Luftschiffhafen.
Zeuge: „Ein Kindheitstraum ist wahr geworden. Einfach nur geil“
Aber auch der acht Jahre ältere De Carolis, der den Titel nach einem Unentschieden im Juli gegen Zeuge noch behalten durfte, hatte harte Treffer gelandet. Der Modellathlet aus Rom war ein fairer Verlierer: „Zeuge hat zu Recht gewonnen, er war heute der Stärkere“. Bis zur elften Runde hatte sich der kompromisslose Herausforderer hauchdünne Vorteile erarbeitet. Die neunte und zwölfte waren seine stärksten.
„Du bist ein Tier“, hatte ihm Co-Trainer Brähmer beim Gang in die letzte Runde mit auf den Weg gegeben, erzählte Zeuge hinterher und wirkte dabei fast so lieb wie ein Lämmchen. „Vorbild? Keine Ahnung“, sagte der neue Titelträger auf gezielte Nachfragen. „Ein Kindheitstraum ist wahr geworden. Einfach nur geil“, hatte er unmittelbar nach dem Kampfende gesagt. Wie es weitergeht? „Ich werde mit einem Muskelkater aufwachen und sehr glücklich sein. Wenn irgendetwas wehtut, bleibe ich im Bett liegen“, sagte er in der Nacht und wurde von Brähmer in die Kabine komplimentiert. Die Journalisten waren dem schroffen Ex-Weltmeister offensichtlich zu neugierig. „Tyron hat sich jetzt erstmal einen Urlaub verdient. Danach sehen wir weiter. Vielleicht boxt er im März wieder“, gab Kalle Sauerland abschließend zu Protokoll. dpa
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