Potsdam: „Idiotie in der Zeppelinstraße“
Autofahrer und Lokalpolitiker kritisieren die Verengung der Bundesstraße. Heute beginnt sie offiziell
Potsdam-West - Die probeweise Verengung der Zeppelinstraße stößt auf vielfachen Protest – dabei wird der Versuch erst am heutigen Samstag offiziell gestartet. Die Einspurigkeit der B1 führt aber wegen der vorbereitenden Arbeiten schon jetzt verstärkt zu Stau und sorgt für Unmut bei Autofahrern und Lokalpolitikern. Im Rathaus, so ist zu hören , gingen mit großer Intensität wütende Schreiben und Anrufe ein.
Und die Kritik ist konkret: „Ein Luft- und Lärmverbesserung tritt nicht ein, da wir jetzt alle gemeinsam im Stau stehen, die Busse kommen auch nicht durch“, schrieb der Berufspendler Stefan Stieg auf Facebook. „Mir persönlich wäre es gar nicht möglich, mit Bus und Bahn zur Arbeit zu kommen, die Anbindung ist einfach zu bescheiden.“ Auch andere machten ihrem Ärger im Internet Luft: „Nicht nur, dass die Einspurigkeit Zeit und Nerven kostet, nun wurden auch Schilder aufgestellt, dass vor den Geschäften in den Haltebuchten nicht mehr geparkt werden darf“, beschwerte sich der Fotograf Manuel Tennert aus Wustermark bei Facebook. Das erschwere es ihm, Kunden aufzusuchen. Auch Facebook-Nutzer „Neo Smith“ schimpfte auf die „Idiotie in der Zeppelinstraße“, sieht das Problem jedoch eher darin, dass die Stadt zu groß geworden sei, um den anwachsenden Verkehr zu stemmen: „Wäre es rein theoretisch möglich, weiteren Zuzug zu verhindern?“ fragte er. Und Taxifahrer haben sich bereits Protest-Aufkleber aufs Heck geklebt: „Zeppelinstraße einspurig? Stoppt den Wahnsinn!“ steht dort.
Auf der Plattform „Open Petition“ wurde am Mittwoch zudem eine Online-Petition mit dem Titel „Stoppt Verengung der Zeppelinstraße in Potsdam“ gestartet. „Stehende Autos pusten mehr Feinstaubbelastung in die Luft als fahrende Autos. Anwohner und die Wirtschaft werden geschädigt, weil Touristen nicht im Dauerstau stehen und miese Luft einatmen wollen“, heißt es. Bislang haben aber nur rund 30 Personen die Petition unterzeichnet.
Auch Politiker, die für den Bundestag kandidieren, haben die Zeppelinstraße als Wahlkampfthema entdeckt: „Es ist unwahrscheinlich, dass der mit einer Verengung der Zeppelinstraße gewollte Druck auf die Autofahrer tatsächlich zu einem Umsteigen auf den ÖPNV führt, gerade wenn Alternativen fehlen“, kritisierte der Bundestagsabgeordnete Norbert Müller (Linkspartei). Zudem müsse auf die Nachbargemeinden zugegangen werden: „Warum kann die Stadt Potsdam nicht ein großes Parkhaus bei Werder bauen und finanzieren, um die Pendler schon dort in Bus und Bahn zu bekommen?“
Der Vorsitzende des CDU-Stadtbezirksverbands Potsdam-West, Wieland Niekisch, meldete sich am Freitag zu Wort. Durch die Verengung hätten sich neue Schleichwege gebildet: „Die Geschwister-Scholl-Straße ist eine Verkehrstangente von Potsdam nach Geltow geworden.“ Auf die neuen Verkehrsmassen sei die Straße nicht vorbereitet.
Auch die Bundestagskandidatinnen Manja Schüle (SPD) und Saskia Ludwig (CDU) hatten sich in Wahlkampfreden gegen die Verengung ausgesprochen. Zuvor hatte bereits Potsdam-Mittelmarks Landrat Wolfgang Blasig (SPD) kritisiert, dass der Versuch nicht mit den Gemeinden abgesprochen worden sei und vor allem Schwielowsee, Werder und Geltow unter den Staus zu leiden hätten. Unterstützung kam hingegen von Anita Tack, Landtagsabgeordnete und verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke: „Ich erwarte, dass die Testphase positive Ergebnisse bringen und weniger Autoverkehr die Folge sein wird.“
Wie berichtet plant die Stadt mit dem Feldversuch, der vorerst bis zum 14. November laufen soll, jedes fünfte Auto aus der Stadt herauszuhalten und so die überhöhten Schadstoffwerte in der Zeppelinstraße zu reduzieren. Diese waren auch in der vergangenen Woche wieder sehr hoch und überschritten laut dem Landesamt für Umwelt an zwei Tagen den gesetzlich vorgesehenen Mittelwert von 40 Mikrogram Stickstoffdioxid pro Tag. Ausgewertet werden neben der Schadstoffbelastung auch die Zahl der Unfälle, Verspätungen im Busverkehr, die Fahrgastzahlen im Nah- und Radverkehr sowie die Auslastung des Park-and-ride-Platzes am Bahnhof Pirschheide.
Die Stadt Potsdam will trotz aller Kritik weiter an der Durchführung des Feldversuches festhalten: „Der Modellversuch wird nicht abgebrochen“, sagte Stadtsprecherin Friederike Herold auf Anfrage der PNN. „Vielmehr werden die vorgebrachten Argumente in der Evaluierung berücksichtigt.“ Zudem erfolge nach drei Monaten eine erste Auswertung, in deren Folge es zu Nachbesserungen etwa bei den Ampelschaltungen kommen könne. Dass es in den letzten Wochen verstärkt zu Staus gekommen sei, habe vor allem an den Bau- und Markierungsarbeiten für den Modellversuch gelegen, so Herold. Wann die von verschiedenen Seiten geforderte Busspur nach Geltow gebaut werde, konnte Herold noch nicht sagen: „Derzeit wird das Genehmigungsverfahren vorbereitet.“
Nicht jeder sieht die Verengung der Zeppelinstraße negativ: „Den Radweg zwischen Nansenstraße und Geschwister-Scholl-Straße finde ich super, endlich haben die Radfahrer Platz“, sagt beispielsweise die Studentin Sara Krieg, die seit sieben Jahren direkt an der Zeppelinstraße wohnt. Vorher mussten Radfahrer für diesen Abschnitt auf dem schmalen Bürgersteig fahren: „Da kam es häufig zu stressigen und gefährlichen Situationen“, so Krieg.
Ähnlich sieht man es beim „Haircenter Hannibal“, das sich ebenfalls in diesem Teil der Zeppelinstraße befindet: „Vorsicht Radfahrer!“ steht extra an der Innentür des Geschäftes. „Hier wird einem manchmal fast die Nase abgefahren, wenn man aus der Tür geht“, sagt eine Mitarbeiterin. Mit dem neuen Radweg habe sich das gebessert. Gleichzeitig sehe sie, dass die Staus zu Stoßzeiten massiver geworden seien. Auch Sara Krieg kann verstehen, dass die Situation für die Autofahrer stressig sei, findet aber: „Der Verkehr auf der Zeppelinstraße war auch schon vorher eine Katastrophe.“
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