Interview mit Sabine Kunst: „Ich mache mir keine Sorgen“
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst über die Novelle des Hochschulgesetzes, den Streit um die Lausitz-Uni, steigende Hochschulmittel und ihre Zukunftspläne
Frau Kunst, am heutigen Mittwoch wird der Entwurf des Landeshochschulgesetzes aus Ihrem Hause im Parlament debattiert. Machen Sie sich Sorgen?
Nein, wieso sollte ich?
Es gab reichlich Kritik an dem Entwurf, auch daran, dass er rechtlich nicht ordentlich vorbereitet sei.
Aus meiner Sicht ist das Gesetz exzellent vorbereitet. Es wurde intensiv diskutiert. Wir haben die Vorlage viele Monate öffentlich debattiert. Ich denke, nun sollte alles geklärt sein. Die Hochschulen hatten andere Vorstellungen als die Exekutive der Landesregierung, das ist ganz normal. Im Vergleich zu anderen Bundesländern verlief die Auseinandersetzung in Brandenburg recht einvernehmlich. Jetzt sind nur noch Kleinigkeiten zu klären.
Das Fusionsgesetz für die Lausitz-Hochschule hat verfassungsrechtliche Bedenken hervorgerufen, weil dort nun Uni- und FH-Professoren unter einem Dach zusammenkommen.
Das Ministerium hat hier bereits Nachbesserungen eingearbeitet. Praktisch als Vorsichtsmaßnahme, weil das Verhältnis zwischen Fachhochschulen und Universitäten durch das Bundesverfassungsgericht noch nicht austariert ist. Grundsätzlich ist das Verhältnis über die vorläufige Grundordnung der BTU Cottbus-Senftenberg – kurz BTU CS – geregelt. Um das präziser zu machen, wurde das in den Gesetzestext eingebracht.
Ist es grundsätzlich nicht ein Wagnis, eine Universität und eine Fachhochschule unter ein Dach zu bringen?
Nein, ich würde eher sagen, dass das innovativ ist. Gerade für ein Profil, wie wir es in der Lausitz haben, mit einem Schwerpunkt in den Ingenieurwissenschaften, die per se ihre Forschungsfragen aus der Praxis beziehen. In dieser Hochschule ergeben sich die Forschungsfragen immer auch aus der Anwendung. Für eine so profilierte Universität halte ich eine Zusammenfügung für einen modernen Entwicklungsschritt. Zu dem Modell stehe ich.
Die Buttler-Kommission hatte eine engere Kooperation ohne Fusion vorgeschlagen. Warum hatten Sie es dann doch so eilig mit der Fusion?
Es geht hier um eine recht kleine Universität mit nun insgesamt 10 000 Studierenden. Wenn man hier jeweils neun Fakultäten hat und zahlreiche Parallelangebote, in der Architektur, dem Bauingenieurwesen und anderen Bereichen, dann ist das sehr fragwürdig. Im Verhältnis zur Größe wurde die Struktur einfach zu komplex.
Es ging also um Profilschärfung?
Zum einen darum, zum anderen aber auch um Überlebenssicherung. Doppelstrukturen, die gerade mal zur Hälfte ausgelastet sind, das hätte am Ende die komplette Aufgabe eines der beiden Standorte bedeutet.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG hat nun die Aufnahme der BTU erst einmal aufgeschoben.
Zurzeit gibt es keinen Aufnahmeantrag der BTU Cottbus-Senftenberg. Es gab nur eine Voranfrage der alten BTU, das hat aber nichts mit der neuen Struktur zu tun.
Die DFG hat im November 2013 geschrieben, dass wegen der neuen Strukturen vor einem Aufnahmeantrag mindestens drei Jahre vergehen sollten, um die Entwicklung der neuen Hochschulen einschätzen zu können.
Es geht darum, welcher wesentliche Beitrag an Forschung aus einer Hochschule hervorgeht. Dafür ist die institutionelle Verfasstheit für die DFG nachrangig. In der Zwischenzeit hat die DFG der neuen BTU immerhin ein internationales Graduiertenkolleg bewilligt.
Welchen Hintergrund hatte nun die endgültige Absage von Jochen Zimmermann als Gründungspräsident der neuen BTU am Montag, ging es gar nicht um Dienstwagen und Dienstzimmer?
Darum ging es bis zur vergangenen Woche. Am Montag hat Herr Zimmermann Punkte zur inhaltlichen Ausgestaltung der BTU CS diskutieren wollen, zu denen seit Monaten Übereinstimmung besteht, ohne die ich Herrn Zimmermann dem Gründungssenat übrigens nicht als Präsidenten vorgeschlagen hätte. Dass wir die Diskussion von vorne beginnen oder etwa den Standort Senftenberg zur Disposition stellen, ist mit mir nicht zu machen.
Wie lässt sich nun eine weitere Verzögerung in der Entwicklung der neuen BTU vermeiden?
Der Gründungsbeauftragte Birger Hendriks, der Gründungssenat, mein Haus und ich werden alles daran setzen, schnellstmöglich einen geeigneten Kandidaten zu finden.
Hat der Streit um den Posten dem Ansehen der BTU geschadet?
Ich denke nein. Gleichwohl ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die BTU CS jetzt nicht ohne Leitung ist. Dort hat der Gründungsbeauftragte gemeinsam mit dem Gründungssenat bereits Beachtliches auf den Weg gebracht. Der Studienbetrieb, Ausschreibungen und Berufungen laufen und werden auch weiterhin laufen.
Hat Ihnen dieses Verfahren geschadet?
Ich kann nicht Zugeständnisse machen, die geltendem Recht widersprechen. Und ich kann auch nicht die Auseinandersetzung um die Zukunft der Lausitzer Hochschullandschaft ständig von vorne beginnen. Wer will mir das vorwerfen?
Das neue Landeshochschulgesetz soll den Hochschulzugang sehr weit öffnen, sodass in Zukunft auch Handwerksmeister studieren können. Wozu diese Öffnung?
Der Hochschulzugang wird in Brandenburg künftig weiter sein als in allen anderen Bundesländern. Für die Hochschulseite ist das wichtig, um mehr akademisch qualifizierten Nachwuchs hervorzubringen. Gleichzeitig wollen wir die Hochschulen dem Weiterbildungs- und Aufstiegsinteresse einer Klientel öffnen, die über die berufliche Bildung kommt. Aus dieser Gruppe sind in den vergangenen Jahren viele abgewandert. Das soll verhindert werden, die weitere Qualifizierung kann in Brandenburg stattfinden. Auch soll damit die Quote der Studierenden erhöht werden, wichtig ist das insbesondere vor dem Hintergrund sinkender Bewerberzahlen.
Die Landesrektorenkonferenz befürchtet, dass für eine solche Öffnung nicht genug Mittel vorhanden sind, etwa um die Studierfähigkeit der neuen Bewerber abzusichern.
Hier ist die Uni Cottbus-Senftenberg ein gutes Vorbild, sie erhält 2,5 Millionen Euro jährlich mehr für ihre Brückenfunktion. Dafür muss sie auch ein extra Programm anbieten, um sich der neuen, berufstätigen Gruppe zu öffnen, mit Wochenend- oder Ferienkursen beispielsweise. Andere Hochschulen, die sich mit beruflich Qualifizierten befassen, erhalten ebenfalls Sondermittel. Wer sich für diesen Bereich interessiert, braucht zusätzliche Mittel.
Brandenburg ist bei der Hochschulfinanzierung im Bundesvergleich immer noch weit hinten. Wann kommt die Trendwende?
Die Trendwende ist bereits eingeleitet. Allein über die Hochschulverträge werden in diesem Jahr 35 Millionen Euro mehr in die Hochschulen gehen als im Vorjahr. Ferner ist in der Landesregierung bekannt, dass in den kommenden Jahren eine Steigerung der Hochschulfinanzierung nötig ist. Der Wille dazu ist da. Hinzu kommt, dass das Land keine Studiengebühren erhebt. Und dass viele Studierende nur formal eingeschrieben sind, aber nicht aktiv studieren. Es sind eben weniger als die 50 000 Immatrikulierten an unseren Hochschulen.
Der Präsident der Uni Potsdam klagt darüber, dass die Aufwüchse durch steigende Kosten wieder aufgefressen würden. Sie haben selbst einmal dieses Haus geführt. Haben Sie Verständnis für die Klagen?
Nein, zurzeit nicht. Die Steigerung der Landesmittel an der Uni Potsdam auf 125 Millionen Euro pro Jahr halte ich für angemessen.
Es gibt keine Studiengebühren in Brandenburg. Aber die Rückmeldegebühr soll im Gesetz bleiben.
Studiengebühren sind für mich grundsätzlich keine Option. Aber diese 51-Euro-Rückmeldegebühr ist keine Studiengebühr, sondern eine Kostenerstattung für eine Dienstleistung der Verwaltung. Und das halte ich für angemessen.
Berlin ist eine solche Gebühr auf die Füße gefallen, das Land musste Millionen zurückzahlen. Auch gegen die Brandenburger Gebühr wird geklagt.
Für die Zeit bis 2008 müssen wir abwarten, wie die Gerichte entscheiden. Hier könnten tatsächlich auch auf Brandenburg Rückzahlungen zukommen. Danach gab es eine Änderung am Gesetzestext, die nach Einschätzung des Landes rechtssicher ist.
Zum Problem der prekären Arbeitsverhältnisse von Akademikern wurde an der Gesetzesvorlage noch etwas geändert.
Hier gab es Verbesserungen. Das war einer von vielen Punkten, die aufgrund der öffentlichen Beteiligung geändert wurden. Die sehr weit gehenden Regelungen aus Hamburg wurden nun teilweise übernommen, damit soll die Beschäftigungsdauer für wissenschaftliche Mitarbeiter mindestens zwei Jahre betragen. Dazu kommen Verbesserungen bei Promotionsverträgen.
Den Grünen geht das nicht weit genug, sie fordern Dauerstellen für Daueraufgaben.
Dafür gibt es doch ein Kontingent. Das ermöglichen die Hochschulverträge, die eine Lockerung der Stellenplanbindung vorsehen. Das sehe ich als einen Anfang für solche Dauerstellen, ohne dass man sie von einem Stellenplan abhängig machen muss. Das war nicht einfach durchzusetzen, aber es ist hier ein Wechsel gelungen. Vom Grundsatz her kann man so nun Dauerstellen einrichten, natürlich vorausgesetzt, die Mittel sind vorhanden.
Die studentische Mitbestimmung sehen Sie durch das Gesetz gestärkt. Das reicht den Studierendenvertretern aber nicht aus, die wollen Viertelparität.
Eine unbegrenzte Viertelparität würde nach wie vor gegen Verfassungsrecht verstoßen. Wir haben die weitestmögliche Annäherung im Gesetzentwurf umgesetzt, mit einer Beteiligung der Studierenden von 30 Prozent bei Fragen zu Studium und Lehre. Für die Bestimmung des Lehrkörpers bleibt es bei der konstitutionellen Mehrheit der Professoren, ebenso verhält es sich mit der Abstimmung des Wirtschaftsplans.
Verschiedene Seiten hatten sich eine Zivilklausel gewünscht, die militärische Forschung an Hochschulen verhindert. Warum haben Sie Ethikkommissionen vorgezogen?
Die verschiedenen Forschungsprojekte laufen über den Tisch der Hochschulleitungen. Das wird jeweils geprüft. Wenn man diese Überprüfung nun parallel an eine Kommission gibt, die mit Forschung befasst ist, dann lassen sich die Vorhaben noch einmal unabhängig beurteilen. Es wurde auch der Landeshochschulrat als Clearingstelle mit einbezogen, als übergeordnete Instanz bei strittigen Fragen.
Die Studierenden fordern auch einen freien Zugang zum Masterstudium.
Es gibt jetzt neben den Noten eine ganze Reihe von Möglichkeiten, zum Masterstudium zugelassen zu werden – von Motivationsschreiben bis hin zu erneuten Anerkennungsverfahren. Das war aus den Vorschlägen der studentischen Vertreter hervorgegangen. Mehr ist in einem grundsätzlich zweistufigem Studiensystem nicht möglich. Es muss ein abgeschlossener Bachelor vorliegen und die Fähigkeit zum Studium sichergestellt sein, etwa durch Grundkenntnisse in dem jeweiligen Fach.
Im Herbst wird in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Welche Pläne haben Sie dann?
Sollten es die politischen Verhältnisse hergeben, stehe ich gerne weiterhin als Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur zur Verfügung.
Das Gespräch führte Jan Kixmüller
HINTERGRUND
Am Montag war der designierte Gründungspräsident Jochen Zimmermann nach einem Gespräch mit Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos) endgültig zurückgetreten. Davor hatte es ein tagelanges Hin und Her gegeben. Zimmermann widersprach Berichten, wonach der Vertrag an Petitessen wie der privaten Nutzung eines Dienstwagens gescheitert sei.
Gestritten worden sei inhaltlich: über die Zukunft der BTU und die Freiheit der Uni bei Strukturveränderungen. Die Hochschule müsse über den Ausbau von Disziplinen und die Zahl von Professorenstellen entscheiden können, forderte der Bremer Ökonom. Zimmermann hätte sein Amt an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU CS) im Juni antreten sollen. Er sprach in einem offenen Brief am Montag von Unaufrichtigkeit, die ihm aus Potsdam entgegengeschlagen sei. Der Gründungsbeauftragte der Universität, Birger Hendriks, sagte nach Bekanntwerden der Absage Zimmermanns: „Jetzt muss dringend ein neuer Kandidat gefunden werden.“ Er versicherte zugleich: „Doch davon unabhängig: Unsere Universität arbeitet exzellent und hat eine gut funktionierende und verankerte Leitung.“ Schon bei der Zusammenlegung der BTU Cottbus und der Hochschule Lausitz im Sommer 2013 hatte es viel Unmut gegeben. Der neue Gründungspräsident hätte auch die Aufgabe gehabt, die beiden Einrichtungen zu einen. (Kix/dpa)
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