Protest gegen Abrisspläne: Hunderte Potsdamer demonstrieren für Erhalt des Rechenzentrums
„RZ for ever“: Etwa 500 Teilnehmer ziehen für das Rechenzentrum durch die Potsdamer Innenstadt. Die Prüfung auf Denkmalschutz dauert noch an.
Potsdam - In der Potsdamer Innenstadt haben am Mittwoch rund 500 Menschen für den Erhalt des früheren Rechenzentrums in der Dortustraße demonstriert, das seit sechs Jahren als Kreativhaus genutzt wird. Los ging es um 17 Uhr am Rechenzentrum mit einer Kundgebung. Sänger Christian Näthe von der Potsdamer Band Hasenscheiße spielte ein paar Lieder. Anschließend setzten sich die Demonstranten im Dauerregen in Bewegung. Die Route führte über die Yorck- und die Friedrich-Ebert-Straße in die Breite Straße zurück zum Rechenzentrum. An den Vortagen waren im Rechenzentrum viele bunte Pappschilder gebastelt worden. Darauf standen Slogans wie „Potsdam nur mit Rechenzentrum“ oder „RZ for ever“.
Die Sprecherin der Nutzenden des Rechenzentrums Anja Engel sagte, das Gebäude habe sich zu einem einzigartigen Raum für Zusammenarbeit entwickelt – und nicht für den Konsum. Man wolle rechtzeitig darauf aufmerksam machen, was verloren gehen würde, wenn das Gebäude wie bisher vorgesehen nach 2023 abgerissen würde. Nora Fritz, die im Rechenzentrum eine Siebdruckwerkstatt betreibt, sagte, ohne diesen besonderen Ort hätte sie niemals eine Chance dazu gehabt.
Keine weiteren Abrisse von Nachkriegsgebäuden
Aufgerufen hatte ein Bündnis aus mehreren Gruppen, darunter der Sprecher:innenrat der Nutzenden des Rechenzentrums, der Verein Freundliche Übernahme Rechenzentrum, die Kulturlobby Potsdam sowie die Ortsgruppe der Klimaschützer von Architects for Future. Die Initiatoren hatten für eine möglichst breite Teilnahme geworben. „Wir wollen ein Zeichen setzen für ein Potsdam mit Rechenzentrum“, hieß es in einem am Montag verbreiteten Aufruf. Als weitere Unterstützer wurden etwa die Martin-Niemöller-Stiftung, das Netzwerk KulturMachtPotsdam, das Stadtteilnetzwerk Potsdam West und das Jugendzentrum Freiland genannt.
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Leider bestehe die Stiftung Garnisonkirche auf einem Teilabriss des DDR-Gebäudes, ohne einen Bau auf der Fläche des ehemaligen Kirchenschiffs in Aussicht zu stellen, hieß es in dem Appell. „In Zeiten von Ressourcenengpässen und Klimakrise ist es verantwortungslos, funktionierende, gut genutzte Gebäude abzureißen.“ Es dürfe in der Innenstadt auch keine weiteren Abrisse von Bauten der Nachkriegsmoderne geben, so meinen die Veranstalter. Zuletzt war neue Bewegung in die Debatte gekommen.
Schubert spricht sich für Teilerhalt aus
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte kürzlich gesagt, „dass es einen Teilerhalt des Rechenzentrums geben muss“. In einer Stadtgesellschaft brauche es Reibung – es müsse Orte geben, an denen die Brüche in der Stadt sichtbar werden können. „Es geht nicht darum, dass die eine oder die andere Seite gewinnen soll“, sagte Schubert. „Es geht darum, wie der ganze Standort funktionieren kann.“ Die ganze Stadtgesellschaft müsse vom Ergebnis profitieren, nicht nur die Nutzer:innen der jeweiligen Gebäude. Schubert hatte zudem auf den von den Stadtverordneten beschlossenen „Design Thinking“-Prozess zur Gestaltung des Umfelds auf dem Areal zwischen dem neu gestalteten Stadtplatz Plantage und Dortu- sowie Breiter Straße hingewiesen. Außerdem hatte sich auch das Kuratorium der Stiftung Garnisonkirche, auf deren Grundstück das Rechenzentrum zum Teil steht, wie berichtet, im Juni erstmals offen für einen teilweisen Erhalt gezeigt.
Ob das Gebäude des früheren Rechenzentrums in der Dortustraße unter Denkmalschutz gestellt wird, ist weiter offen. Das Landesdenkmalamt erwartet eine Entscheidung Anfang November, hieß es auf PNN-Anfrage. Nach der Unterschutzstellung des Glockenspiels hatte die Linke den Eintrag des benachbarten DDR-Baus an der Plantage in die Denkmalliste des Landes Anfang August beantragt. Wird ein Gebäude auf die Denkmalliste eingetragen, besteht laut Brandenburgischem Denkmalschutzgesetz eine dauerhafte Erhaltungspflicht. Die Entscheidung zum Glockenspiel kritisierte auch am Mittwoch vor Ort in einem Redebeitrag Philipp Oswalt vom Lernort Garnisonkirche. Anders als das Glockenspiel verdiene das Rechenzentrum den Erhalt.
Die Demo sorgte auch für Reaktionen im Netz. „Der Kreativort #Rechenzentrum als Freiraum für Kunst- & Kulturschaffende muss erhalten bleiben“, schrieb die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock über den Kurznachrichtendienst Twitter. Ihr Konkurrent um das Direktmandat im Wahlkreis 61 Norbert Müller, der an der Demonstration auch selbst teilnahm, twitterte: „Genug Barock – erhaltet unsern Block!“