SPD-Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl in Potsdam: Grenzen des Wachstums
Die drei SPD-Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahl in Potsdam mussten sich der Basis schriftlich erklären. Die PNN machen ihre Positionspapiere nun exklusiv publik.
Potsdam - Der Kampf um die Oberbürgermeister-Kandidatur der SPD wird nun auch schriftlich geführt. Die drei Aspiranten, Kämmerer Burkhard Exner, Sozialdezernent Mike Schubert und Ex-Tiefbauamtschef Frank Steffens, haben nun einen umfangreichen Fragenkatalog des SPD-Ortsvereins Mitte/Nord beantwortet, die Antworten liegen den PNN vor und sind am Ende dieser Seite per Link abrufbar – und zeigen die Unterschiede der Kandidaten, vor allem zwischen den Favoriten Exner und Schubert.
So denkt Schubert, erst seit etwas mehr als einem Jahr Sozialdezernent und vorher lange Jahre SPD-Chef, offen über Grenzen des Wachstums der Stadt nach: Potsdam solle nur in dem Tempo wachsen, dass „wir die sozialen und infrastrukturellen Herausforderungen“ lösen können und „Freiräume erhalten bleiben" – dafür gebe es durchaus Instrumente in der Stadt- und Landesplanung, so der 44-Jährige. Zudem müsse man über die Auswirkungen des Zuzugs auf die städtische Identität „ergebnisoffen“ sprechen. Derzeit geht die Stadt von knapp 200.000 Einwohnern im Jahr 2035 aus – aus SPD-Kreisen hieß es zuletzt aber, dass diese Zahl voraussichtlich um 20.000 steigen dürfte, an einer genauen Prognose arbeitet das Rathaus derzeit. Das dürfte auch weitere Auswirkungen auf den Investitionsbedarf in Potsdam haben.
Exner lobt seine Finanzpolitik
Hingegen erklärt der langjährige Finanzdezernent Exner in seiner Antwort, „wer das Wachstum einschränken oder begrenzen will“, etwa mit sogenannten Negativanreizen, „würde damit vor allem die sozial schwächeren Potsdamer treffen.“ Sein Ansatz sei es, das Wachstum intelligent zu steuern. Dabei lobt der 59-jährige Kämmerer vor allem seine bisherige Finanzpolitik, bei der er in den vergangenen Jahren immer wieder überraschende Millionen-Überschüsse vermelden konnte – was Kritiker monieren, weil so ohne Not gespart werde. Exner sieht es dagegen so: Als er vor 15 Jahren seine Arbeit im Rathaus begonnen habe, sei Potsdam „hoffnungslos“ verschuldet gewesen. Nun könne die Stadt dagegen wieder wichtige Investitionen aus eigener Kraft stemmen - und sei nicht mehr darauf angewiesen, ob die Kommunalaufsicht Kredite für bestimmte Projekte genehmige.
Hingegen betont Schubert, diese Strategie, durch Sparsamkeit auch Überschüsse zu erwirtschaften, müsse dort ihre Grenzen haben, wo Pflichtinvestitionen nicht mit dem nötigen Tempo erfolgten – etwa beim Thema neue Schulen, wo bekanntlich hunderte Kinder seit Jahren in Provisorien unterrichtet werden müssen. Das städtische Wachstum und die soziale Infrastruktur – von Kitas bis Bürgertreffs oder Jugendklubs – müssten „wieder in ein Gleichgewicht“ gebracht werden. Für höhere Einnahmen solle eine aktive Wirtschaftsförderung in den Bereichen Wissenschaft, Technologie und Tourismus sorgen, erklärt Schubert. Auch Bewerber Steffens kritisiert, gerade die Bereiche Kita und Schule seien in der Vergangenheit auf der Strecke geblieben.
Steffens plädiert für Havelspange
Unterschiede gibt es auch beim Thema Verkehr. Hier plädiert Steffens eindeutig für die „Havelspange“, also den mehrfach von den Stadtverordneten abgelehnten dritten innerstädtischen Havelübergang. Dieser Verbindung der Bundesstraßen 1 und 2 quer über den Templiner See stünden die Umlandgemeinden „nicht mehr so negativ gegenüber“, so Steffens. Auch für Exner stellt sich die Frage eines weiteren Havelübergangs, wie er schreibt. Hier müsse man gründlich die Vor- und Nachteile debattieren – und ob sich so eine Verkehrsentlastung für Potsdam und das Umland ergeben könnte. „Wenn sich diese Vorteile darstellen lasse und eine Finanzierung realistisch ist, bin ich dafür offen“, so Exner. Allerdings werde das Projekt bis zu 30 Jahre dauern. Schubert spricht das Thema nicht an. Er erklärt allerdings: „Ich würde dem Vorbild vieler europäischer Städte folgen wollen und den historischen Stadtkern nur noch für Anwohner und Lieferverkehr zulassen.“ Zugleich plädiert er für einen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und mehr gemeinsame Planungen mit dem Umland. Diese beiden Punkte hat auch Exner in seinen Antworten - samt einer gemeinsamen Verkehrsgesellschaft mit den Landkreisgemeinden.
Keine Privatisierung kommunaler Unternehmen
Und es gibt auch – bei Sozialdemokraten kein Wunder – Gemeinsamkeiten. So betonen alle drei OB-Aspiranten einhellig, dass sie Potsdams kommunale Unternehmen nicht privatisieren würden. Auch beim Bürgerhaushalt zeigen sich die Bewerber bereit dafür, diesen zum Beispiel mit einem eigenen Budget auszustatten. Unisono werden auch mehr Sozialwohnungen für Potsdam gefordert – oder ein kostenloser Eintritt für den Park Sanssouci. Auch beim Umgang mit der Potsdamer Mitte wollen alle versöhnend wirken.
Bemerkenswert deutlich fällt die Kritik von Steffens am aktuellen Agieren in der Stadtverwaltung aus – und zwar bei der Frage, wie sich das Rathaus als attraktiver Arbeitgeber auszeichnen kann. Dort müsse unter anderem wieder Fehlerkultur und Mitarbeiterwertschätzung einziehen, fordert Steffens. Derzeit seien dagegen hohe Fluktuation und Dienst nach Vorschrift an der Tagesordnung. „Dadurch hat es die Stadtverwaltung schwer gutes Personal zu bekommen.“ Auch Schubert fordert eine attraktive Verwaltungskultur, die Führungskräfte auch vorleben müssten – etwa mit regelmäßigen Mitarbeiterversammlungen. Unter anderem wolle er den Anteil von Frauen in der Führungsebene erhöhen. Exner, dem Gegner in der SPD einen hohen Personalverschleiß unterstellen, erklärt zu der Frage im Wesentlichen, er werde sich weiter für gute Arbeitsbedingungen einsetzen. Die Verwaltung benötige motiviertes Personal.
Bisher war der Wahlkampf in der SPD vor allem nicht-öffentlich geführt worden. Am 20. Januar sollen die rund 800 Potsdamer SPD-Mitglieder bei einer Abstimmung ihren Wunschkandidaten für die Wahl im Herbst 2018 küren.
Zu den Fragenkatelogen: Burkhard Exner, Mike Schubert, Frank Steffens.
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