Debatte um "Bergmann"-Sparkurs: Getrübtes Vertrauen in Klinikchefs
Der geplante Sparkurs am kommunalen Klinikum "Ernst von Bergmann" sorgt für Debatten – auch mit der Unternehmensspitze. Co-Chef Tim Steckel muss nun entscheiden, ob er bleibt.
Potsdam - Eigentlich soll die neue Doppelspitze des kommunalen Klinikums „Ernst von Bergmann“ das Unternehmen nach der Krise um den schweren Corona-Ausbruch neu aufstellen. Doch offensichtlich hat insbesondere Co-Chef Tim Steckel bei einem Teil der Stadtverordneten schon Vertrauen eingebüßt. Mittwochabend jedenfalls sprach sich nach PNN-Recherchen eine Mehrheit der Kommunalpolitiker im nicht-öffentlichen Teil des Hauptausschusses lediglich für eine auf eineinhalb Jahre begrenzte Vertragsverlängerung für Steckel aus – unter anderem gegen das Votum des Aufsichtsrats des Klinikums, der fünf Jahre in Aussicht gestellt hatte.
Schwierige Ermittlungen
Nun liegt es an Steckel, ob er das Angebot annimmt. Aus dem Klinikum hieß es dazu am Donnerstag, zu laufenden Vertragsverhandlungen äußere man sich „grundsätzlich nicht“. Gegen eine allzu lange Vertragsdauer für Steckel sprachen aus Sicht der Stadtverordneten unterschiedliche Gründe. So geht es um den vor gut sechs Monaten bekannt gewordenen Umstand, dass er bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft als Beschuldigter im so genannten Remicade-Komplex, einem mutmaßlich millionenschweren Abrechnungsbetrug mit teuren Medikamenten auch am Potsdamer Klinikum geführt wird. Steckel bestreitet eine Verwicklung – gleichwohl war sein Geschäftsführervertrag auf eigenen Wunsch zunächst nur auf ein halbes Jahr befristet worden, in dieser Zeit wollte er die Vorwürfe ausräumen.
Das Problem: Ermittlungsergebnisse sind seither öffentlich nicht bekannt geworden – und sein Vertrag lief aus. Als Kompromiss soll Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) im Ausschuss die Vertragsverlängerung um anderthalb Jahre angeboten haben – allerdings mit einer konkreten Option auf Weiterbeschäftigung. Doch das wollte die Mehrheit nicht, es dürfe „keinen Automatismus“ geben, hieß es. Hintergrund dafür sei auch die Überlegung, dass mit der begonnenen Neuausrichtung des Hauses möglicherweise in zwei Jahren eine weibliche Führungskraft benötigt werde, man sich somit Varianten offenhalten wolle, so eine Überlegung der Politiker.
Die Klinikspitze hat offensichtlich einige Stadtpolitiker verärgert
In der rot-grün-roten Rathauskooperation hatte Steckel zudem am Mittwochmorgen für viel Verärgerung gesorgt. Der Grund: Der PNN-Bericht, in dem sowohl Steckel als auch Klinikchef Hans-Ulrich Schmidt auf Anfrage auf die durch die von den Stadtverordneten beschlossene Rückkehr zum Tariflohn finanziell angespannte Lage des Hauses aufmerksam gemacht hatten. Weil die geplanten TVöD-Hilfen der Stadt für das Klinikum bisher nicht ausreichend seien, werde nun auch darüber nachgedacht, einige Betriebsteile abzustoßen, hatten sie erklärt. Das Haus sei verpflichtet, Konsolidierungsmaßnahmen und Restrukturierungen vorzunehmen. Details nannten Schmidt und Steckel nicht. Für Ärger allerdings reichte das schon: Solcherlei Kritik der Geschäftsführung am Gesellschafter, also der Stadt, grenze an Illoyalität, hieß es von SPD-Vertretern.
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Die Rückkehr des Klinikkonzerns zum Tarifsystem des öffentlichen Dienstes verursacht bis 2023 Kosten von rund 42 Millionen Euro, wovon gut die Hälfte das Klinikum zahlen soll – obwohl das Unternehmen nach dem schweren Corona-Ausbruch 2020 mit zahlreichen Toten von den Stadtverordneten mit einer Neuausrichtung zum Wohl der Patienten und Mitarbeitenden beauftragt ist, Pflege und Hygiene verbessern muss und dafür Geld benötigt.
Der nun anstehende Sparkurs sorgte im öffentlichen Teil des Ausschusses ebenfalls für Kritik. CDU-Fraktionschef Götz Friederich nannte das Vorgehen unredlich gegenüber dem Unternehmen und seinen Patienten, die man nun im Regen stehen lasse. Das Klinikum werde überfordert, Arbeitsplätze seien in Gefahr. Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) merkte an, dass keine andere Kommune im Osten einen Weg beschreite wie Potsdam – und man von solch einer Größenordnung bei den Kosten auch nicht ausgegangen sei. Die Stadtverwaltung setzt wie berichtet auf eine bessere Krankenhausfinanzierung nach der Bundestagswahl. Ob das so kommt, könne man aber nicht sagen, räumte auch Schubert ein. FDP-Fraktionschef Björn Teuteberg warnte vor einem dauerhaften Fass ohne Boden, zumal die Perspektive für eine Ende dieses Zuschussgeschäfts fehle.
SPD-Vertreter verteidigen das Vorgehen
SPD-Fraktionschef Daniel Keller sprach von einer Gemeinschaftsaufgabe, die Stadt und Klinikum schultern müssten. Das Klinikum gerate mit dem Plan auch nicht in eine wirtschaftliche Schieflage, erklärte Keller. Kämmerer Burkhard Exner (SPD) verwies auf die millionenschwere Gewinnrücklage im Haus: Sie lag laut Stadt Ende 2019 bei 55,3 Millionen Euro. 90 Prozent aller Finanzdezernenten in den Kommunen würden da gar kein Geld aus dem städtischen Haushalt geben, sagte Exner. Sollte das Unternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, habe die Stadt Hilfemöglichkeiten. Daher halte er „Schwarzmalerei für unangebracht“.
Rathauschef Schubert sprach von einer Interessenabwägung, die auch schmerzlich für den kommunalen Haushalt ausfalle – aber eine „vernünftige Bezahlung“ der Beschäftigten ermögliche. Das Klinikum müsse dabei einen Beitrag leisten, zumal es nicht Aufgabe eines gemeinnützigen Hauses sein könne, solche Rücklagen anzuhäufen, wie Schubert mit Blick auch auf die frühere Geschäftsführung bemerkte. Zugleich beklagte er, dass Schlagzeilen zum nun drohenden Sparkurs in dem Haus für eine massive Verunsicherung in der Belegschaft gesorgt hätten.
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