Wahlplakatärger in Potsdam: Gestohlen, abgerissen, beschmiert
Wahlkämpfer in Potsdam beklagen zunehmenden Vandalismus gegen Wahlplakate und vermuten ein organisiertes Vorgehen. Die Staatsanwaltschaft reagiert besorgt.
Potsdam - Abgerissene oder mit Beleidigungen beschmierte Plakate, aber auch vereinzelt handfeste Gewalt: Vertreter fast aller Parteien nehmen beim Bundestagswahlkampf im Potsdamer Promiwahlkreis 61 mehr Aggressivität wahr als in früheren Zeiten. Das hat eine PNN-Umfrage ergeben. Deswegen läuten auch bei den Potsdamer Ermittlungsbehörden die Alarmglocken.
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Ein Beispiel: Die Grünen. Deren Kreisvorsitzende Carolin Herrmann sagte, dieses Mal würden „in einzelnen Stadtvierteln oder Straßenzügen ganz ausschließlich unsere Plakate besprüht oder zerstört“, so vor allem in der Innenstadt, aber auch in Neu Fahrland, Bornstedt oder Groß Glienicke. Bis Ende vergangener Woche habe das rund 100 Plakate betroffen – also rund zehn Prozent der aufgehängten Wahlwerbung. Auf ein Großplakat sei auch schon ein Hakenkreuz gemalt worden. „Die Zerstörungen sind deutlich mehr und intensiver als bei vergangenen Wahlen.“ Die Aggression richte sich dabei oft auch gegen Plakate mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock. „Ihr und unser Eintreten für Umwelt, Klimaschutz und gesellschaftliche Vielfalt empfinden offenbar manche Menschen als Provokation.“ Man habe dazu Sammelstrafanzeigen gestellt, so Hermann. Kaputte Plakate tausche man zeitnah aus: „Wir lassen uns davon nicht verunsichern.“
AfD verliert laut eigener Aussage 40 Prozent ihrer Wahlplakate
Besonders stark vom Plakateschwund sind die Rechtspopulisten der AfD betroffen. Deren Direktkandidat Tim Krause erklärte bereits am Sonntag den PNN, angesichts des Ausmaßes des Schadens sei „von bandenmäßiger und organisierter Kriminalität durch antidemokratische linksextremistische Organisationen auszugehen.“ Nach aktueller Zählung seien rund 40 Prozent aller AfD-Plakate in Potsdam durch Diebstahl verloren, ferner 30 bis 40 Prozent entweder beschmiert oder anderweitig beschädigt. „Die Erstattung der Strafanzeigen wegen Diebstahls und Sachbeschädigung läuft.“ Die AfD wird vom Brandenburger Verfassungsschutz als Verdachtsfall für Rechtsextremismus eingestuft.
FDP hat bislang elf Strafanzeigen gestellt
Auf das aus ihrer Sicht zunehmende Problem des Vandalismus gegen Wahlwerbung hatte zunächst die FDP-Kandidatin Linda Teuteberg in einem Interview mit „Die Welt“ hingewiesen und beklagt, dass Plakate von ihr massenhaft verunstaltet und Slogans ersetzt würden. Nach PNN-Informationen gehe auch die Ermittlungsbehörden davon aus, dass dies systematisch und organisiert erfolgte. Ein FDP-Sprecher sagte den PNN, vor allem Großplakate zum Einzelpreis von je 150 Euro seien beschmiert worden – diese habe man schnell durch neue Motive ersetzt. Insgesamt habe man nunmehr elf Strafanzeigen gestellt, darunter auch zwei wegen Beleidigung. Weitere Anzeigen seien in Bearbeitung.
Linke stellte bislang keine Anzeigen wegen Vandalismus
Derartig große Verluste registriert der Linke-Kreisverband in Potsdam zwar nicht. Wahlkampf-Mitorganisator Konstantin Gräfe sagte, die Plakat-Beschädigungen befänden sich etwa im Rahmen der vorherigen Wahlen. „Im Moment gehen wir davon aus, dass knapp hundert Plakate zerstört oder teilweise beschädigt wurden.“ Ein großer Teil werde aber von ehrenamtlichen Helfer:innen repariert. „Strafanzeige haben wir bisher nicht gestellt.“ Allerdings habe es im Vorfeld der Plakatierung einen versuchten, aber erfolglosen Brandanschlag auf ein durch unseren Kreisverband und die Landespartei gemeinsam genutztes Lager gegeben. „Hier haben wir Strafanzeige erstattet.“ Sorge würden auch vereinzelte Berichte bereiten, „wonach einige Mitglieder beim Plakatieren oder beim Stecken von Wahlinformationen bedroht und beleidigt wurden“.
Staatsanwaltschaft kündigt konsequente Verfolgung an
Die Potsdamer Staatsanwaltschaft beobachtet die Lage mit Sorge. Sein Eindruck sei, dass der Wahlkampf insgesamt ruppiger als in früheren Zeiten verlaufe, sagte Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann den PNN auf Anfrage: „Gewalt gegen Sachen und erst recht gegen Personen sind im Wahlkampf inakzeptabel. Diejenigen, die meinen, ihre politischen Auffassungen rechtfertigten den Einsatz von Gewalt, werden wir wo immer möglich konsequent verfolgen.“
CDU mahnt Fairnessgrundsätze für Wahlkampf an
Probleme haben auch Union und SPD. So sagte CDU-Direktkandidation Saskia Ludwig, rund 200 A1-Plakate seien einfach entfernt worden. „Und an deren Stelle hat danach hauptsächlich die SPD gehangen.“ Auch berichtete sie von beschmierten und teils umgestürzten Großaufsteller. Man habe selbst Fairnessgrundsätze für den Wahlkampf aufgestellt, an die man sich auch halte, betonte Ludwig. Dazu gehöre, dass die Beschädigung oder Zerstörung der Werbeträger politischer Gegner keine Instrumente der fairen Auseinandersetzung seien. „Deshalb bleiben Plakate und andere Wahlkampfelemente der Mitbewerber an ihren Plätzen“, heißt es in dem CDU-Kodex.
SPD: Zerstörung von Wahlwerbung ist Form von Gewalt
Die Aussagen Ludwigs zu ihren verschwundenen Plakaten lässt SPD-Wahlkampfkoordinator David Kolesnyk unkommentiert – es handele sich eben schlicht um „indirekte Unterstellungen“. Gleichwohl gebe es in jedem Wahlkampf Beschädigungen, sagte der SPD-Mann: „Seien es solche, mutwilliger Natur oder aber durch Plakatierteams anderer Parteien, die schon hängende Plakate so lange schieben, bis etwas kaputtgeht.“ Für die Sozialdemokraten geht Kolesnyk von bis zu 20 Prozent aus, die ersetzt werden müssen. „Es ist schade, dass es Leute gibt, die ihre politische Meinung durch die gezielte Zerstörung politischer Werbung ausleben. Auch das ist eine Form von Gewalt und die sollte in politischen wie sonstigen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen nie angewendet werden.“ Die Plakate würden vielfach von ehrenamtlichen Helfern in ihrer Freizeit aufgehängt: „Und sie verdeutlichen, dass die Wahl stattfinden wird – ein Effekt, der nicht unterschätzt werden sollte.“