Potsdam: Freundschaft über 50 Jahre
Der Kanute Jürgen Eschert feierte seinen Olympiasieg von vor 50 Jahren mit den Gegnern von damals. Heute sind Sportlerfreundschaften rar geworden, sagt er
„Citius, altius, fortius“ – höher, schneller, weiter. So lautet es, das Olympische Motto. Schneller sein als die internationale Konkurrenz, mit diesem Grundsatz treiben sich die Kanuten des KC Potsdam immer wieder zu Höchstleistungen an. Und das bereits seit fünf Jahrzehnten. Am vergangenen Mittwoch trafen die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft des Potsdamer Kanu-Rennsports zusammen, um das 50-jährige Jubiläum des Olympiasiegs von Jürgen Eschert zu feiern, der als erster Potsdamer Kanute das goldene Edelmetall 1964 in Tokyo gewann.
Doch den Olympischen Leitsatz wollte Jürgen Eschert nicht in den Vordergrund eines Abends rücken, an dem alle Goldmedaillengewinner der vergangenen 50 Jahre geehrt werden sollten. Sondern es sollte jener Aspekt des Sports im Fokus stehen, der zwischen Konkurrenzgedanken und Kommerzialisierung in den letzten Jahren beinahe verloren ging: die Sportfreundschaft. „Zu unserer Zeit war es noch anders, da haben Athleten verschiedener Nationen abends gemeinsam gefeiert. Sportfreundschaft war damals noch ein Begriff und hatte noch einen ganz anderen Stellenwert", meinte Eschert. Heute überschatte der Ehrgeiz die internationalen Wettkämpfe, die Sportler einer Nation bleiben dabei meist für sich.
Dass der Startschuss eines Rennens nicht nur der Beginn sportlichen Wettstreits, sondern auch für eine Freundschaft sein kann und dass aus Kontrahenten jedoch auch gute Freunde werden können, beweisen Jürgen Eschert und Bogdan Mussef Ivanov. Im Finale über die 1000-Meter-Distanz im Einer-Canadier in Tokyo 1964 trafen der DDR-Athlet und der Bulgare aufeinander – Ivanov wurde sechster, während Eschert der Sprung auf die oberste Stufe des Siegerpodests gelang. „Seitdem haben wir regelmäßig Kontakt gehalten, über 50 Jahre, das ist fast ein Leben“, so Eschert. Daraus entwickelte sich die Idee, das Jubiläum gemeinsam zu feiern. „Es war allerdings gar nicht so einfach, die Kontakte zu den anderen zu bekommen“, erzählte der 73-Jährige, der vor einem dreiviertel Jahr begonnen habe, wieder in Verbindung zu seinen ehemaligen Konkurrenten zu treten. Dass mit Ove Emanuelsson, Evgeny Penyaev und Dennis van Valkenburg vier von acht Finalteilnehmern seiner Einladung gefolgt sind, freute Eschert „über alle Maßen“. Vor allem das Aufeinandertreffen mit dem Amerikaner Dennis van Valkenburgh entwickelte sich zu einem besonderen Moment. 1971 trug Jürgen Eschert bei einer Autokontrolle auf der Langen Brücke ein T-Shirt mit dem Aufdruck der amerikanischen Flagge. Ein T-Shirt, das er nach einer gemeinsamen Trainingseinheit von seinem amerikanischen Kontrahenten van Valkenburgh geschenkt bekommen hatte. „Keine 14 Tage später wurde ich aus dem Armeesportklub und dem DDR-Sportsystem ausgeschlossen“, erinnert sich Eschert an die unschönen Episoden seiner Sportlerkarriere. „Ich kannte diese Geschichte gar nicht“, erzählte Dennis van Valkenburgh völlig verwundert. Er habe das erste Mal davon gehört, als er am vergangenen Sonntag hier ankam. Dass ein T-Shirt solche Auswirkungen haben konnte, befand er im Nachhinein für „völlig verrückt“.
Während sich für die ehemaligen Topathleten des KC Potsdam und ihre internationalen Gäste so die Chance bot, in Erinnerung zu schwelgen – „was wir gestern Abend mit einem ganzen Tisch voll ausgebreiteter Bilder auch schon getan haben“, erzählte Eschert lächelnd –, war es für die gegenwärtige und die zukünftige Potsdamer Kanu-Elite ebenfalls ein bedeutender Abend. Ronald Rauhe, Franziska Weber, Ronald Verch, Conny Waßmuth, Stefan Kiraj, Sebastian Brendel, Kurt Kuschela, Jochen Kaiser, Marius Radow, Marc Dunkel, Anton Regorius, Felix König und Jan Vandrey wurden in das „TeamRio2016“ berufen. Diese dreizehn KCP-Athleten werden in den nächsten zwei Jahren besonders gefördert, um bei den nächsten Olympischen Sommerspielen 2016 die Erfolgsbilanz des besten Kanu-Vereins der Welt – 17 olympische Gold-, 9 Silber- und 4 Bronzemedaillen – noch ein wenig weiter nach oben zu schrauben. Jeder dieser Sportler lebt nach dem Olympischen Motto. Dass sie schneller sind als die Konkurrenz, müssen sie dann spätestens in zwei Jahren beweisen – so wie es Jürgen Eschert vor 50 Jahren vorgemacht hat.
Chantal Willers
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