zum Hauptinhalt
Der Turm der Garnisonkirche wächst in die Höhe.
© Varvara Smirnova

Streit um Garnisonkirche: Evangelische Landeskirche entscheidet über das Schiff

Die Landeskirche muss einem Entwurf für das Kirchenschiff zustimmen. Das wurde im Grundbuch verankert - aber bisher nicht öffentlich gemacht. Warum?

Potsdam - Äußerlich originalgetreu will es die CDU, desgleichen die Bürgerinitiative Mitteschön und die AfD. Modern hingegen schlägt es unter anderem Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) vor. Und die Kritiker, darunter die linksalternative Fraktion Die Andere sowie große Teile der Linken, würden ohnehin am liebsten das Rechenzentrum stehenlassen. 

Gemeint ist das Schiff der Garnisonkirche, das seit Schuberts Vorschlag, darin eine Jugendbegegnungsstätte unterzubringen, im Fokus des Streits um das konfliktbeladene Projekt steht. Auch die Sondersitzung des Hauptausschusses vor gut einer Woche, bei dem Gegner und Befürworter gehört wurden, brachte wie berichtet keinen wirklichen Durchbruch. Dabei ist die Gretchenfrage, „historisch oder modern?“, offenbar längst entschieden – und zwar gegen die Interessen jener, die nach dem Turm auch das Schiff in seiner barocken Gestalt sehen wollen.

CDU, AfD und Mitteschön wünschen sich eine originalgetreue Rekonstruktion auch des Schiffes der Garnisonkirche.
CDU, AfD und Mitteschön wünschen sich eine originalgetreue Rekonstruktion auch des Schiffes der Garnisonkirche.
©  Andreas Klaer

Wichtiger Vermerk im Grundbuch

Bereits vor zwei Jahren nämlich hat die Garnisonkirchen-Stiftung, die Bauherrin des Turms ist, einen wichtigen Vermerk ins Grundbuch eintragen lassen. Danach muss die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), also die evangelische Landeskirche, jedwedem Entwurf für ein Kirchenschiff ihre Zustimmung erteilen. Das ist insofern wichtig, weil die Landeskirche auf ihrer Frühjahrssynode 2016 ihre Zustimmung zu einem Darlehen in Höhe von 3,25 Millionen Euro für den Kirchturm an die Bedingung geknüpft hatte, dass bei einem Aufbau des Schiffs ein Bruch mit der Geschichte an der Architektur des Bauwerks erkennbar sein müsse. 

In einer Vorlage der Kirchenleitung unter dem damaligen Landesbischof Markus Dröge für die Synode heißt es wörtlich: „Falls zusätzlich zum Turm in einem weiteren Bauabschnitt auch ein Nachfolgebau für das Kirchenschiff errichtet werden soll, darf dieser nicht das historische Kirchenschiff wiederherstellen, sondern es muss durch eine neue architektonische Gestaltung schon äußerlich deutlich werden, dass neben der historischen Kontinuität auch der Bruch mit der Tradition zum Ausdruck kommt.“

Warum wurde der Umstand zurückgehalten?

Dass der entsprechende Grundbucheintrag erfolgt ist, bestätigten sowohl die EKBO als auch Stiftungsvorstand Peter Leinemann den PNN auf Anfrage. Für Garnisonkirchen-Kritiker wie den Kasseler Architekturprofessor Philipp Oswalt wirft das allerdings die Frage auf, warum die Stiftung diesen Umstand in der aktuellen Debatte bislang zurückgehalten hat. Oswalt wirft der Stiftung Kalkül vor: „Dahinter steht die seit langem praktizierte Strategie der Stiftung, vermeintliche Zugeständnisse zu machen, um erforderliche Mehrheiten zu erzielen, um diese dann später wieder auszuhebeln.“

Architekturprofessor Philipp Oswalt.
Architekturprofessor Philipp Oswalt.
© picture alliance/dpa

Stiftungsvorstand reagiert

Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg reagierte am Freitag ausweichend. Er wiederholte gegenüber den PNN die Position der Stiftung, wonach man sich derzeit nur auf den Wiederaufbau des Turms konzentriere. Mit dem Thema Kirchenschiff befasse man sich, wenn es soweit sei, sagte Eschenburg. Den Grundbucheintrag habe man deswegen bislang nicht öffentlich gemacht, weil die Debatte ohnehin schon aufgeheizt genug sei. „Wir wollten nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen.“ 

Ungeachtet des Grundbucheintrags und der mit der Kirche geschlossenen Vereinbarung schloss Eschenburg erneut auch eine historische Rekonstruktion des Kirchenschiffs nicht aus. Man nähere sich dem Bauwerk von der inhaltlichen Seite her, wobei es durchaus sein könne, dass dies dann einen originalgetreuen Wiederaufbau erforderlich mache, so der Stiftungsvorstand.

Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg.
Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg.
© Hendrik Schmidt/dpa

Die Landeskirche wollte diese Haltung auf Anfrage nicht kommentieren. Man äußere sich „nicht zu Voten von einzelnen Personen, die in den zahlreichen kirchlichen Einrichtungen, Werken, Stiftungen oder diakonischen Trägern tätig sind und dort ihre Verantwortung wahrnehmen“, sagte eine EKBO-Sprecherin den PNN. Zudem seien der Kirche „bisher keine Beschlüsse des Kuratoriums der Stiftung Garnisonkirche bekannt, die in der von Ihnen intendierten Form den Synodenbeschlüssen widersprechen würden“.

Oswalt stellt diese Haltung nicht zufrieden. Er forderte die evangelische Landeskirche auf, im Zuge der aktuellen Debatte um das Kirchenschiff noch einmal klar Stellung zu beziehen und die Einhaltung der damaligen Verabredungen zum Bau eines modernen Schiffs auch öffentlich einzufordern. „Ich bin klar der Auffassung, dass die Kirche hier Position beziehen muss“, sagte er am Freitag den PNN.

Debatte um Rechenzentrum geht weiter

Unterdessen geht die Debatte über die Zukunft des Rechenzentrums weiter. Noch gilt zwar der Plan, dass der DDR-Bau, der zu einem kleinen Teil dem Aufbau eines Kirchenschiffs im Weg stünde, nach 2023 abgerissen soll. Doch zunehmend mehren sich die Stimmen, die sich einen Erhalt des von Künstlern und anderen Kreativen genutzten Gebäudes vorstellen können. Auch die SPD hält wie berichtet einen Teilerhalt des Rechenzentrums für möglich, fordert aber parallel einen Architekturwettbewerb für ein Kirchenschiff

Daran gibt es nun Kritik vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam. Vereinsvorstand Carsten Linke erklärte, wenn die SPD „eine alternative Nutzung zum Kirchenschiff mit dem Rechenzentrum“ wolle, müsse sie zuerst den Bebauungsplan für das Areal ändern. Dort seien der Abriss des Rechenzentrums und der Bau einer Kirche – Turm und Schiff – als Ziele festgeschrieben. Ohne eine solche Änderung könnte alle Vorschläge „als zeitschindendes Ablenkungsmanöver zu Gunsten des Kirchenbaus begriffen werden“, sagte Linke.

Bei der Garnisonkirchen-Stiftung reagierte man auf den SPD-Vorschlag dünnhäutig. Was auf dem kommunalen Teil des Rechenzentrum-Grundstücks geschehe, sei Sache der Stadt, sagte Eschenburg. Man verbitte sich aber die Einmischung in Fragen, die das Grundstück der Stiftung betreffen. Für diesen Teil des Rechenzentrums habe man das Recht, von der Stadt den Abriss zu verlangen. Man sei aber weiterhin gegenüber allen Parteien und Interessensgruppen gesprächsbereit, betonte Eschenburg.

Zur Startseite